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TITEL
_FLÜCHTLINGE BESCHÄFTIGEN
personalmagazin 01/16
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
spektive“ und viele Unternehmen sowie
vereinzelt auch die Bundesländer bieten
Kurse an. Aber es gibt nach wie vor kein
bundesweites Sprachkurs-Programm
für alle Asylsuchenden. Eine Studie der
Bertelsmann Stiftung vom Mai 2015
verweist darauf, dass Sprach- und Ori-
entierungskurse für alle Asylbewerber
wieder zugänglich gemacht werden
sollten – damit könne das Vakuum des
Wartens ausgefüllt werden, in dem sie
sich sonst befinden.
Anlass zum Optimismus gibt das
junge Alter der vielen Flüchtlinge. Die
Hälfte ist unter 34 Jahre alt, etwa 30
Prozent sogar unter 18 Jahre alt. Dieses
Ausbildungspotenzial müsse ausge-
schöpft werden, fordern Experten. Dem
schließt sich die Deutsche Gesellschaft
für Personalführung (DGFP) an und for-
dert von der Politik vor allem schnelle
Klarheit über den Aufenthaltsstatus der
Menschen. Die Unternehmen seien nur
bereit in die Aus- und Weiterbildung der
Flüchtlinge zu investieren, wenn nicht
die Abschiebung drohe. „Die von der
Bundesagentur für Arbeit Anfang Ok-
tober beschlossene Ausweitung ihres
Engagements bei den Sprachkursen
beispielsweise ist ein richtiges Zeichen.
Daneben brauchen wir aber vor allem
schnell Sicherheit im Hinblick auf das
Bleiberecht der einzelnen Flüchtlinge.
Nur dann werden sich die Unternehmen
auch langfristig engagieren“, so DGFP-
Geschäftsführerin Katharina Heuer. Die
Personaler fordern auch Unterstützung
von staatlicher Seite bei der Qualifika-
tion, dem Spracherwerb und der Be-
wältigung der zum Teil traumatischen
Erfahrungen durch Krieg und Flucht.
Die Unternehmen dürften hier nicht al-
lein gelassen werden.
Forderungen an die Politik
Ein Konflikt zwischen Wirtschaft und
Politik hinsichtlich der Frage, wer für
die Integration der Flüchtlinge in den
Arbeitsmarkt letztlich die Verantwor-
tung trägt, ist bislang nicht zu erkennen.
Forderungen an Politik und Verwaltung
gibt es von Unternehmerseite aber
schon. Diese zielen insbesondere auf
eine Beschleunigung der bürokratischen
Prozesse sowie den Spracherwerb. Ar-
beitgeberpräsident Ingo Kramer betonte
auf dem deutschen Arbeitgebertag Ende
November, dass die Unternehmen bereit
seien, Flüchtlinge in großer Zahl auszu-
bilden, zu qualifizieren und zu beschäf-
tigen. „Doch die Wirtschaft kann die
Integration in den Arbeitsmarkt nicht
im Alleingang leisten. Die Politik muss
die Voraussetzungen schaffen.“ Die ver-
pflichtende Teilnahme an Sprachkursen
müsse rasch und unkompliziert in die
Wege geleitet werden. Was die verbrei-
tete Hoffnung angeht, die vielen Flücht-
linge könnten den Fachkräftemangel
beheben, mahnte Kramer wiederum zu
Realismus. „Flüchtlingsmigration kann
keine qualifizierte, geregelte Zuwande-
rung ersetzen. Flüchtlinge können und
werden unser Fachkräfteproblem allein
nicht lösen.“
Die hohe Bereitschaft der Unter-
nehmen, Flüchtlinge zu beschäftigen,
untermauert eine Umfrage des Bundes-
verbands der Personalmanager (BPM)
unter seinen Mitgliedern. Demnach be-
urteilen 36 Prozent der Personalverant-
wortlichen die Einstellungsbereitschaft
ihrer Organisationen als hoch oder sehr
hoch, weitere 30 Prozent als eher hoch.
Die Flüchtlingssituation und ihr mög-
liches Potenzial sind mit vielen Un-
klarheiten verbunden, sodass jegliche
Prognosen mit Vorsicht zu genießen
sind. Nichtsdestotrotz sind das Engage-
ment der vielen Unternehmen und die
positive Resonanz der Wirtschaft wich-
tige Signale. Am Ende wird es wohl das
funktionierende Zusammenspiel zwi-
schenWirtschaft, Politik, Bundesagentur
für Arbeit und vielen anderen Akteuren
sein, das auschlaggebend ist für eine er-
folgreiche Integration der Flüchtlinge in
Gesellschaft und Arbeitsmarkt.
So sieht es auch Frank-Jürgen Weise,
Vorstandsvorsitzender der Bundesagen-
tur für Arbeit und Leiter des Bundesamts
für Migration und Flüchtlinge. „In dieser
Situation können wir unsere Leistungsfä-
higkeit im Zusammenspiel der einzelnen
Institutionen unter Beweis stellen.“
Der Verein „Charta der Vielfalt“ hat mit Unterstützung der Bundesregierung einen Praxis-
Leitfaden herausgegeben, um Unternehmen praxisnah zu rechtlichen und organisatori-
schen Fragen zu informieren. Darin kommen auch Arbeitgeber zu Wort, die Flüchtlinge
erfolgreich integriert haben. Die Broschüre bietet zudem eine Übersicht von Kontakt- und
Info-Adressen für Unternehmen und Institutionen.
Eine Informationsbroschüre der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeinsam mit BDA und
BAMF zeigt, wie Betriebe vorgehen müssen, wenn sie Flüchtlinge beschäftigen wollen
und welche Unterstützungsmöglichkeiten die BA bietet.
Zahlreiche Informationen und weiterführende Links gibt es auch beim Bundesinstitut für
Berufsbildung.
Der Online-Migrations-Check der Bundesagentur für Arbeit dient als Entscheidungshilfe
für die Frage, ob eine Arbeitserlaubnis notwendig ist und erteilt werden darf.
Klärung der zuständigen Ansprechpartner, der deutschen Referenzberufe und der
Voraussetzungen für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse erleichtert der
sogenannte „Anerkennungs-Finder“.
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