IMMOBILIENWIRTSCHAFT 06/2016 - page 3

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6.2016
EDITORIAL
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
„Wir befinden uns in einer Frühphase der Blasenbildung“, so eben ein Ökonomiepro-
fessor im „Handelsblatt“. Solche Meldungen kommen mindestens einmal im Jahr.
Genauso regelmäßig ist dann das Dementi anderer Koryphäen. Unter Hinweis darauf,
dass eine Entkoppelung der Miet- von den Kaufpreisen im signifikanten Stil nicht ersicht-
lich sei. Auch auf Pump werde nicht übermäßig gekauft.
Ich, der Wiederholungen müde, fliehe für ein paar Tage aufs Land ins Engadin. Aber ach:
In einer Tageszeitung dort begegnet mir das Blasenthema wieder, diesmal für die Schweiz.
Experten streiten. Der von der UBS-Bank erhobene „Immobilienblasenindex“ notiert
weiter im riskanten Bereich. Dagegen die Raiffeisen. Argumente? Ach, lassen wir das …
Wir hatten gerade Pfingsten. Nur geht kaum noch jemand in die Kirche. Aber das Fest
hat mit Sprachentwirrung zu tun, dem gegenseitigen Verstehen. Lach nicht, gif, aber wäre
es nicht schön, wenn Menschen, die dieselbe Sprache sprechen, unter einem Begriff das
Gleiche meinten? Was also ist ne Blase?
Es regnet. Unten im Ort ein Immobilienmakler mit vielen schönen Häuserbildern im
Schaukasten zu völlig abgedrehten Preisen. Mit dem muss ich reden, vielleicht lerne
ich etwas über den Schweizer Markt. Er zieht die heutige Beilage der „Neuen Züricher“
heraus und zeigt auf das Thema „Strukturierte Anlagemöglichkeiten für Investoren“.
„Das versteht keiner“, sagt er. Immobilien verstehe jeder.
„Ich versteh‘s nicht“, meint meine Frau, „wer kauft denn zu solchen Preisen?“ Der Makler
erzählt über die Schönheit des Engadins. Meine Frau spricht später von Luftnummer.
Ich höre mich sagen: „Sprechblasen.“ Was? Blasen?
In den nächsten Tagen bin ich eher schweigsam. Ich wollte fliehen vor Blasenfragen –
vergeblich. Ich prangere die Sprachverwirrung an und bin selbst Teil des Problems.
Immerhin hat mich das Gespräch mit dem Makler weitergebracht. Ich glaube jetzt zu
wissen, warum die Schweiz immer noch ein Mieterland ist. Und eines nehme ich mir
fest vor: Nächstes Jahr zu Pfingsten gehe ich in die Kirche!
Ihr
„Immer wieder Blasen-Diskussionen. Leider
scheint jeder unter einer Blase etwas anderes
zu verstehen. Nein, es reicht dafür nicht aus,
dass die Preise steigen! Ich fürchte: Sollte
tatsächlich eine drohen, hört keiner hin.“
Dirk Labusch
, Chefredakteur
Pfingstwunder gesucht
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