DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 12/2016 - page 80

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12|2016
RECHT
BGB §§ 280, 340, 535, 546 Abs. 1, 611 ff.
Heimvertragsverhältnis; außerordent­
liche Kündigung ohne Abmahnung
Auch wenn bezüglich des Verhaltens gegenüber anderen Mitbe­
wohnern ausdrückliche Regelungen weder im Heimvertrag noch
im WBVG bestehen, darf der Bewohner (vertragliche Nebenpflicht)
die Persönlichkeitsrechte anderer Bewohner des Heims nicht
verletzen. Die Fortsetzung des Heimvertrages ist bei strafrechtlich
relevanten sexuellen Übergriffen durch den Heimbewohner un­
zumutbar. Einer vor der Kündigung ausgesprochenen Abmahnung
bedurfte es nicht.
LG Kleve, Urteil vom 19.1.2016, 4 O 108/15
Bedeutung für die Praxis
Ein wichtiger Grund liegt insbesondere dann vor, wenn der Bewohner
seine vertraglichen Pflichten schuldhaft so gröblich verletzt, dass der
Einrichtung die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden
kann. Die unstreitigen sexuellen Übergriffe des Beklagten stellen eine
gröbliche Verletzung vertraglicher Pflichten aus dem Heimvertrag dar.
Ausdrückliche Regelungen bezüglich des Verhaltens gegenüber anderen
Mitbewohnern enthalten zwar weder der Vertrag noch das WBVG. Als
vertragliche Nebenpflicht darf der Beklagte die Persönlichkeitsrechte
anderer Bewohner des Heims jedoch nicht verletzen. Der Beklagte hat
massiv gegen die Persönlichkeitsrechte der anderen Heimbewohnerin-
nen verstoßen. Die Fortsetzung des Heimvertrages ist für die Klägerin
wegen der strafrechtlich relevanten sexuellen Übergriffe auch unzumut-
bar. Im Rahmen der Unzumutbarkeit sind alle tatsächlichen Umstände
des Einzelfalls zu berücksichtigen. Sowohl die Interessen und Pflichten
des Beklagten einerseits als auch die der Klägerin andererseits sind abzu-
wägen. Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte bei der Suche ei-
ner neuen Unterkunft nach den Vorfällen mit Schwierigkeiten zu rechnen
hat und die Kündigung des Vertragsverhältnisses nur die Ultima Ratio
darstellt. Der Klägerin obliegt aber die Pflicht, die körperliche Integrität
und Persönlichkeitsrechte der Heimbewohnerinnen vor Übergriffen
durch den Beklagten zu schützen. Dies gilt insbesondere deswegen, da
viele Heimbewohnerinnen aufgrund ihrer körperlichen und psychischen
Verfassung den sexuellen Übergriffen des Beklagten hilfslos ausgeliefert
sind und sich selbst nicht schützen können. Da bei der Klägerin Pflege-
station und Wohnräume offen sind, können derartige Vorfälle auch nicht
mit zumutbarem Aufwand verhindert werden. Das Heim kann aufgrund
der Belastung durch den Arbeitsablauf in einer solchen Einrichtung nicht
verpflichtet werden, den Beklagten ständig zu überwachen. Gerade aus
der grundrechtlichen Verpflichtung der Klägerin gegenüber den anderen
Heimbewohnerinnen müssen die Interessen des Beklagten zurückstehen.
Eine vorherige Abmahnung des Beklagten vor Ausspruch der fristlosen
Kündigung war nicht erforderlich. Dies ergibt sich aus dem Umkehr-
schluss aus § 12 WBVG. Nach § 12 Abs. 2, 3 WBVG ist eine vorherige
Fristsetzung nur erforderlich, wenn eine Kündigung wegen Zahlungsver-
zuges erfolgt. In Ermangelung einer entsprechenden Regelung für die
Kündigung wegen einer gröblichen Vertragsverletzung ist eine vorherige
Abmahnung in diesem Fall nicht erforderlich.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
Bedeutung für die Praxis
Zwar gehört zu der sich aus dem Eigentumsgrundrecht ergebenden Befugnis
des Vermieters auch die Entscheidung darüber, von welchem Zeitpunkt an
ein Wohnbedarf Anlass für eine Eigenbedarfskündigung geben soll. Dies be-
deutet aber nicht, dass in dem Falle, in dem wenige Monate vor dem geltend
gemachten Eigenbedarf eine geeignete Alternativwohnung frei geworden
ist, nicht der Frage nachzugehen wäre, wann der die Eigenbedarfssituation
auslösende Nutzungsentschluss konkret gefasst worden ist. Denn wenn ein
bereits endgültig feststehender Nutzungsentschluss nicht in einer ver-
gleichbaren und freigewordenen Wohnung im selben Anwesen realisiert,
sondern erst nach der Weitervermietung einer solchen Alternativwohnung in
die Tat umgesetzt worden wäre, könnte dies Zweifel an der vom Tatrichter
unter Würdigung aller Gesamtumstände zu prüfenden Ernsthaftigkeit des
Nutzungswunsches aufkommen lassen. Anders lägen die Dinge, wenn es
plausible Gründe für das Hinausschieben der Umsetzung eines feststehenden
Nutzungsentschlusses gäbe oder die Nutzungsabsicht aus nachvollziehbaren
Gründen erst zu einem Zeitpunkt endgültig gefasst worden wäre, als eine
geeignete Alternativwohnung nicht mehr zur Verfügung stand. Im Falle
eines schon vor der Weitervermietung einer freigewordenen Alternativwoh-
nung gefassten Nutzungsentschlusses käme zudem eine Rechtsmissbräuch-
lichkeit der Eigenbedarfskündigung in Betracht.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a, 543 Abs. 2 S. 1
Nr. 3 Buchst. b, 543 Abs. 2 S. 2
Unwirksame Zahlungsverzugskündigung
Nach § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB wird die Kündigung des Vermieters nur
unwirksam, wenn die gesamten Rückstände getilgt werden.
Die Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB setzt eine voll­
ständige Tilgung der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung
nach § 546a BGB innerhalb der dort genannten Frist voraus.
BGH, Urteil vom 24.8.2016, VIII ZR 261/15
Bedeutung für die Praxis
Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB liegt ein wichtiger Grund
für die Kündigung des Mietverhältnisses vor, wenn der Mieter in einem
Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Ent-
richtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für
zwei Monate erreicht. Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB ist eine Kündigung
nach Satz 1 Nr. 3 ausgeschlossen, wenn der Vermieter vor Zugang der
Kündigung befriedigt wird. Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB wird die
Kündigung unwirksam, wenn sich der Schuldner von seiner Schuld durch
Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die
Aufrechnung erklärt. Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird sie auch dann
unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei
Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hin-
sichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a
Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedi-
gung verpflichtet (Schonfristzahlung). Die Vorschriften setzen allerdings
eine vollständige Befriedigung des Vermieters voraus.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
1...,70,71,72,73,74,75,76,77,78,79 81,82,83,84
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