DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 11/2015 - page 97

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WEG § 15 Abs. 3, BGB §§ 199 Abs. 1, 199 Abs. 5, 242
Unverjährbarkeit des Unterlassungsan-
spruchs bei fortdauernder zweckwidriger
Nutzung
1. Wird eine Teileigentumseinheit zweckwidrig als Wohnraum
genutzt, verjährt der Unterlassungsanspruch der übrigen Woh-
nungseigentümer nicht, solange diese Nutzung anhält; dies gilt
unabhängig davon, ob der Sondereigentümer selbst oder dessen
Mieter Nutzer ist.
2. Der Anspruch der Wohnungseigentümer auf Unterlassung der
langjährigen zweckwidrigen Nutzung einer Teileigentumseinheit
als Wohnraum ist in der Regel jedenfalls dann nicht verwirkt, wenn
in jüngerer Zeit eine Neuvermietung zu Wohnzwecken erfolgt ist.
BGH, Urteil vom 8.5.2015, V ZR 178/14
Bedeutung für die Praxis
Eine über einen längeren Zeitraum andauernde zweckwidrige Nutzung
(Dauerhandlung) wird im Ergebnis so betrachtet wie eine Vielzahl immer
neuer Einzelverstöße. Dann beginnt die Verjährung mit jedem Verstoß
neu. Einem Unterlassungsanspruch kann allenfalls bei langer Dauer und
Erkennbarkeit der zweckwidrigen Nutzung sowie berechtigtem Vertrauen
des Störers in die Duldung seines rechtswidrigen Verhaltens Verwirkung
(§ 242 BGB) entgegengesetzt werden.
Bei zweckbestimmungswidriger Nutzung wird z. T. zwischen Beseitigungs-
und Unterlassungsanspruch differenziert. Selbst die Verjährung des Besei-
tigungsanspruchs führt aber nicht dazu, dass die übrigen Eigentümer es
auch dulden müssten, dass der Störer den errichteten Zustand verändert.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 43 Nr. 4, 46
Anfechtungsklage gegen die „Gemein-
schaft der Wohnungseigentümer“
Ist die Anfechtungsklage hinsichtlich eines Entlastungsbeschlusses
der Wohnungseigentümerversammlung gegen die „Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer“ gerichtet, so ist der nicht passivlegitimierte
Verband als Beklagter hier Prozesspartei, auch wenn nach Anfor-
derung des Gerichts eine Eigentümerliste kommentarlos vorgelegt
wurde.
Eine subjektive Parteiänderung in der Berufungsinstanz ist nur mit
Zustimmung der neuen Beklagten zulässig; anderenfalls ist die Beru-
fung zu verwerfen.
LG Frankfurt/M., Beschluss vom 14.4.2015, 2-13 S 164/14
Bedeutung für die Praxis
Endlich mal eine klare Absage an die klägerfreundliche Auslegung unzu-
reichender und falscher Klaganträge.
Nach Ansicht des BGH dagegen (vgl. Urteil vom 12. 12. 2014, V ZR
53/14) gehen verbleibende Unklarheiten nur dann zu Lasten des Klägers,
wenn sich das Rechtsschutzziel des Klägers auch durch die gebotene
Auslegung unter Einbeziehung der gesamten Klageschrift nicht eindeutig
ermitteln lässt.
Bei der Fristwahrung trotz falscher Beklagtenbezeichnung ist der BGH
(vgl. Urteil vom 21.1.2011, V ZR 140/10, ZMR 2011, 483) noch groß-
zügiger. Die in § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG geregelte Klagefrist soll auch
durch eine innerhalb dieser Frist – verfehlt – gegen die Wohnungseigen-
tümergemeinschaft erhobene Klage gewahrt sein, sofern der Übergang
zu einer Klage gegen die – allein zu verklagenden – übrigen Mitglieder der
Wohnungseigentümergemeinschaft vor Schluss der mündlichen Verhand-
lung erfolgt.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 4
Mehrhausanlage: buchungstechnisch getrennte Rücklagen
Es ist zulässig, für Mehrhausanlagen in der Gemeinschaftsordnung buchungstechnisch getrennte Rücklagen zu bilden,
deren Verwendungszweck jeweils die Instandhaltung der einzelnen Gebäude ist.
BGH, Urteil vom 17.4.2015, V ZR 12/14
Bedeutung für die Praxis
Ein (gemeinschaftsordnungswidriger) Eigentümerbeschluss, der zur
Zahlung auf eine einheitliche Instandhaltungsrücklage verpflichten soll,
ist mangels Beschlusskompetenz nichtig, wenn entweder die Gemein-
schaftsordnung selbst oder ein aufgrund einer Öffnungsklausel gefasster
Beschluss insoweit getrennte Instandhaltungsrücklagen vorsehen.
Bei Mehrhausanlagen entspricht es oft dem Gerechtigkeitsbedürfnis,
buchungstechnisch getrennte Rücklagen zu bilden, deren Verwendungs-
zweck jeweils die Instandhaltung der einzelnen Gebäude ist. Es muss nur
eine entsprechende Basisregelung bestehen.
Selbst dann zählen die nur buchhalterische getrennten Instandhaltungs-
rücklagen zum Verwaltungsvermögen (§ 10 Abs. 7 Satz 3 WEG) der WEG
als Verband.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT
1...,87,88,89,90,91,92,93,94,95,96 98,99,100
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