DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 05/2015 - page 80

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5|2015
RECHT
BGB §§ 536 a Abs. 1, 536 Abs. 3
Doppelvermietung; Schadensersatzpflicht des Vermieters; Verjährung
1. Im Falle der Doppelvermietung und Überlassung der Mietsache an den einen Mieter kann der andere Mieter Schadensersatz verlangen,
wenn feststeht, dass der Vermieter die Mietsache nicht mehr vom besitzenden Mieter zurückerlangen kann.
2. Der Schadensersatzanspruch wegen Rechtsmangels verjährt in der dreijährigen regelmäßigen Verjährungsfrist. Der für den Beginn der
Verjährungsfrist maßgebliche Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs im Sinne von § 199 Abs. 1 BGB ist mit Eintritt der Unmöglichkeit
und eines ersten (Teil-)Schadens anzunehmen. Die Unmöglichkeit tritt nicht erst nach einzelnen Zeitabschnitten ein.
Kammergericht, Urteil vom 23.2.2015, 8 U 52/14
Bedeutung für die Praxis
In Fällen des Rechtsmangels ist der Mietvertrag wirksam, was bei Doppel-
vermietung für beide Verträge gilt. Die kollidierenden schuldrechtlichen
Erfüllungsansprüche der Mieter haben denselben Rang, ohne dass insoweit
der Grundsatz der Priorität gilt. Den Erfüllungsanspruch kann jeder
Mieter gegen den Vermieter geltend machen, so dass beide Mieter an sich
die Einräumung des Besitzes verlangen können. Hat aber der Vermieter
einem der Mieter den Besitz an der Mietsache überlassen und ist dieser
zuerst (oder noch) im rechtmäßigen Besitz der Mietsache, scheitert der
Erfüllungsanspruch des anderen Mieters jedenfalls dann, wenn feststeht,
dass der Vermieter die Mietsache von dem besitzenden Mieter nicht
mehr zurückerlangen kann. Schadensersatzansprüche des Mieters wegen
Vertragsverletzungen des Vermieters wegen gänzlich unterbliebener oder
verspäteter Überlassung der Mietsache verjähren in der dreijährigen Re-
gelverjährung des § 195 BGB. Für den Verjährungsbeginn bei vertraglichen
Sekundäransprüchen ist maßgeblich darauf abzustellen, ob die Schädigung
mehrfach erfolgt oder es eine dauerhafte ist, sodann ist der Zeitpunkt zu
bestimmen, in dem der Schaden überhaupt erstmals eintritt, und festzu-
stellen, ob er damit insgesamt eingetreten ist, also von einer sogenannten
Schadenseinheit auszugehen ist. Im vorliegenden Fall liegt eine einheitli-
che, fortwirkende Pflichtverletzung der Beklagten vor, die darin besteht,
dass die Beklagte der Klägerin die Mietsache aufgrund des Mietvertrages
vom 30.10./02.11.2006 nicht überlassen hat, sondern die Mietsache an
die Zweitmieterin überlassen hat. Der hieraus resultierende vertragliche
Schadensersatz wegen des Rechtsmangels entsteht, wenn feststeht, dass
Unmöglichkeit auf Seiten des Vermieters eingetreten ist und
ein erster (Teil-)Schaden eingetreten ist.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 562, 858, 861, 866, ZPO § 567
Unzulässigkeit einer „Berliner Räumung“ bei fehlendem Vermieterpfandrecht
1. Eine Pfändung, der kein wirksamer Titel zugrunde liegt, ist unwirksam. Der mitwohnende Ehepartner hat Mitbesitz an dem Grund-
stück. Die Räumungsvollstreckung nach § 885 ZPO erfordert deshalb grundsätzlich einen Vollstreckungstitel gegen beide Ehegatten.
2. Die vereinfachte sog. „Berliner Räumung“ im Wege einer Auswechslung der Haustürschlösser und Übergabe aller Schlüssel an den
Gläubiger ist unzulässig, wenn zugunsten des Gläubigers kein Vermieterpfandrecht besteht.
OLG Schleswig, Urteil vom 28.10.2014, 5 W 42/14
Bedeutung für die Praxis
Eine Pfändung, der kein wirksamer Titel zugrunde liegt, ist unwirksam.
Die von dem Gerichtsvollzieher tatsächlich durchgeführte vereinfachte
Räumung (sog. „Berliner Räumung“) im Wege der Auswechslung der
Haustürschlösser und Übergabe aller Schlüssel an den Gläubiger war
unzulässig. Der Gläubiger kann zwar die Zwangsvollstreckung nach § 885
ZPO auf die Herausgabe der Wohnung beschränken, wenn er an sämtlichen
in den Räumen befindlichen Gegenständen ein Vermieterpfandrecht hat.
Unstreitig bestand hier aber zugunsten des Antragsgegners kein Vermie-
terpfandrecht nach § 562 BGB. Anders als den Fällen des Vermieterpfand-
rechts kann sich der Gläubiger jedoch bei einer auf § 93 Abs. 1 S. 1 ZVG
gestützten Vollstreckung auf kein Recht zur Inbesitznahme hinsichtlich
der in der Wohnung befindlichen Sachen berufen. Damit fehlt es an einem
vorrangigen Recht des Gläubigers, das der nach § 885 Abs. 2 und 4 ZPO
gerade auch im Interesse des Schuldners vorgesehenen Entfernung der
Sachen entgegensteht. Gemäß § 885 Abs. 4 ZPO hat der Schuldner nach
der Räumung zwei Monate Zeit, die geräumten Sachen beim Gerichtsvoll-
zieher abzufordern. Der Gesetzgeber hielt es auch aus sozialpolitischen
Gründen für geboten, dem Schuldner innerhalb der Zweimonatsfrist die
Möglichkeit zu geben, unpfändbare und nicht verwertbare Sachen ohne
weiteres - jederzeit - zurückzuerhalten. Der Schuldner muss sich dabei
nicht mit dem Gläubiger auseinandersetzen und steht auch nicht vor der
Schwierigkeit, ggf. nachzuweisen, welche Sachen sich zum Zeitpunkt der
Räumung in der Wohnung befunden haben. Diese Schuldnerschutzvor-
schrift darf – sofern der Gläubiger tatsächlich kein vorrangiges Vermieter-
pfandrecht hat – nicht durch Zulassung einer vereinfachten
Herausgabevollstreckung unterlaufen werden.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
1...,70,71,72,73,74,75,76,77,78,79 81,82,83,84
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