DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 12/2015 - page 89

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12|2015
WEG §§ 21 Abs. 3; 27 Abs. 1 Nr. 4
Aufnahme eines langfristigen, hohen
Kredits durch die WEG (Verband)
1. Auch die Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits durch die
Wohnungseigentümergemeinschaft kann ordnungsmäßiger Ver-
waltung entsprechen.
2. Voraussetzung ist allerdings, dass das Risiko einer Nachschuss-
pflicht der Wohnungseigentümer vor der Beschlussfassung
erörtert wurde; dies muss aus dem Protokoll der Eigentümerver-
sammlung hervorgehen.
3. Ob ein Beschluss über eine Kreditaufnahme sich im Übrigen in den
Grenzen des den Wohnungseigentümern zustehenden Gestal-
tungsermessens hält, kann nicht generell, sondern nur anhand der
konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der allseiti-
gen Interessen bestimmt werden.
BGH, Urteil vom 25.9.2015, V ZR 244/14
Bedeutung für die Praxis
Hier müssen die besonderen Haftungsrisiken berücksichtigt werden, die
für die Wohnungseigentümer mit einer Kreditaufnahme durch den Ver-
band verbunden sind. Lediglich im Verhältnis zur Bank haftet der einzelne
Wohnungseigentümer nur quotal gemäß § 10 Abs. 8 WEG. Im Innenver-
hältnis zum Verband droht eine Nachschusspflicht. Die Ausfallbürgschaft
des Landes dient allein dem Schutz der Bank. Tritt der Bürgschaftsfall ein,
ändert dies nichts an der im Innenverhältnis bestehenden Nachschuss-
pflicht; es kommt lediglich zu einem Gläubigerwechsel (§ 774 BGB). Dies
muss den Eigentümern bereits bei der Beschlussfassung bekannt sein; der
Verwalter sollte entsprechende Hinweise unbedingt ins Versammlungs-
protokoll aufnehmen.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 15, 21, 23, 25
Anspruchsverdoppelung und/oder
Konkretisierung der Teilungserklärung
durch Beschluss?
Es besteht auch dann keine Beschlusskompetenz für die Begrün-
dung einer Unterlassungspflicht durch Beschluss, wenn es
nach Gesetz oder Vereinbarung bereits einen Anspruch auf Unter-
lassung der Nutzung gibt, die durch den Beschluss – bei objektiver
Beschlussauslegung konstitutiv – untersagt wird (Anspruchs­
verdoppelung). Es liegt nicht nur Anfechtbarkeit, sondern Nich-
tigkeit vor.
AG Heidelberg, Urteil vom 13.5.2015, 45 C 5/15
Bedeutung für die Praxis
Die Beschlusskompetenz im Zusammenhang mit der Schaffung weiterer
(im Sinne von besserer bzw. klarerer) Anspruchsgrundlagen ist nicht
nur bei positivem Tun (Kehrwoche etc.) zu verneinen, sondern auch in
Hinblick auf Unterlassungsansprüche.
Ebenso wenig kann durch einen Beschluss eine verbindliche Auslegung
einer Vereinbarung oder Gemeinschaftsordnung vorgenommen werden
(vgl. LG München I, ZMR 2012, 582, 583).
Widersprüchliche oder/und unbestimmte Vereinbarungen sind nicht
immer sofort nichtig. Meist sind sie der objektiv-normativen Auslegung
zugänglich. Anderes gilt für bloße Beschlüsse, wenn sich deren Bedeutung
nicht für Dritte erschließt.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 14 Nr. 4, 21 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 8, 46 Abs. 1 S. 2
Beschlussersetzung; Innensanierung von Feuchtigkeitsschäden
Eine gerichtliche Beschlussersetzung nach § 21 Abs. 8 WEG kommt erst dann in Betracht, wenn die Mitglieder einer Wohnungseigentümerge-
meinschaft aufgrund bestehender Kontroversen nicht mehr imstande sind, sich – zumindest hinsichtlich einer bestimmten Materie - selbst zu
organisieren. Der Eigentümerversammlung fehlt die Beschlusskompetenz, wenn ein Beschluss auf eine unzulässige Kompetenzverlagerung
hinausläuft. Der Umfang und die Kosten einer Sanierungsmaßnahme innerhalb einer Wohnung hängen maßgeblich von dem jeweiligen Um-
fang der Feuchtigkeits- und Schimmelschäden innerhalb einer Wohnung ab und müssen bei Beschlussfassung kalkuliert sein.
LG Dortmund, Urteil vom 21.04.2015, 1 S 445/14
Bedeutung für die Praxis
Die Eigentümerversammlung darf nicht Kernkompetenzen einfach auf
Dritte oder Eigentümer verlagern. Generell muss sie immer Eckpunkte bei
der Delegation vorgeben. Zu Leistungspflichten dürfen Eigentümer nur
bei ausdrücklicher Beschlusskompetenz herangezogen werden.
Selbst nach Vorbefassung der Eigentümerversammlung darf das Gericht
eine Beschlussersetzung nur vornehmen, soweit das Ermessen der
Eigentümer auf null reduziert ist oder wenn die WEG-Versammlung sich
mehrheitlich weigert, eine den Grundsätzen der ordnungsmäßigen Ver-
waltung entsprechende Entscheidung herbeizuführen (AG Minden ZMR
2015, 589).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT
1...,79,80,81,82,83,84,85,86,87,88 90,91,92
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