PERSONALquarterly 4/2015 - page 9

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04/15 PERSONALquarterly
SCHWERPUNKT
_PERSONAL & INNOVATION
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er deutsche Mittelstand wird als Arbeitgeber in
der Öffentlichkeit oftmals negativ wahrgenommen.
Allerdings bieten kleine Unternehmen ihren Mit-
arbeitern häufig bessere Arbeitsbedingungen als
Großunternehmen. Die wenigen wissenschaftlichen Arbeiten,
die sich bislang mit diesem Thema beschäftigt hatten, waren
zu dem Schluss gekommen, dass die Arbeitsbedingungen in
KMUs schlechter ausfallen als in Großunternehmen (Oi, 1990;
Wagner, 1997, S.421): „On average, (...) small firms offer worse
jobs in terms of wages, fringe benefits, job security, workers’
participation, and opportunities for skill enhancement than
large firms. All in all, for jobs in large firms in Germany tends
to be true what Oi (1990) said about them in the U.S.: It’s nice
work, if you can get it.“ Wenn dies zuträfe, stellt sich allerdings
die Frage, warum dann noch jemand einen Arbeitsvertrag bei
einem Mittelständler unterschreibt.
Vorzüge kleinerer und mittlerer Unternehmen
Kommen wir zunächst zur Frage, warum Arbeitnehmer Ar-
beitsplätze in kleinen und mittleren Unternehmen nachfragen
sollten. Zwei Erklärungsmöglichkeiten bieten sich an: Zum
einen könnte es tatsächlich so sein, dass jeder, der einen neu-
en Arbeitsplatz anstrebt, nach Möglichkeit versucht, in einem
großen Unternehmen unterzukommen, wenn dort wirklich
bessere Arbeitsbedingungen vorherrschen. Eine alternative
Erklärungsmöglichkeit ist dagegen, dass eher selten erforsch-
te Arbeitsplatzcharakteristika in KMUs existieren, welche die
Arbeitsplätze dort attraktiver machen als in Großunternehmen
und die letztlich ausschlaggebend dafür sind, dass Arbeitneh-
mer auch diese Arbeitsplätze nachfragen. Für diese Erklärung
spricht, dass die KMU schon heute die tragende Säule der
deutschen Wirtschaft sind. So liegen die Mittelstandsanteile
an der Gesamtbeschäftigung bei rund 70 Prozent und der An-
teil der Auszubildenden bei über 80 Prozent. Besonders die
innovativen Neugründungen, die aufgrund ihrer hohen F&E-
Intensität und des F&E-Know-hows ihrer Mitarbeiter Produkte,
Verfahren und Dienstleistungen auf den Markt bringen, bele-
ben den Innovationswettbewerb und tragen zum Strukturwan-
del der deutschen Wirtschaft bei – so das Ergebnis mehrerer
Studien des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn.
Arbeitsbedingungen in kleinen und jungen
Unternehmen und Personalrekrutierung
Von
PD Dr. Arndt Werner
Was genau an der Ansicht über die Arbeitsbedingungen im
Mittelstand nicht stimmt, wurde durch das IfM Bonn in mehre-
ren Studien intensiv erforscht (Werner, 2004; Kay et al., 2010).
Als Datenbasis wurde das sozio-ökonomische Panel (SOEP)
des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ver-
wandt, da es die repräsentative Befragung privater Haushalte
in Deutschland darstellt. Der Datensatz aus dem Jahr 2001 war
besonders interessant, weil zu diesem Zeitpunkt eine Sonder­
erhebung zu den Arbeitsbedingungen in den Betrieben durch-
geführt worden war (Werner, 2004).
Mit Hilfe der SOEP-Daten war es möglich, eine sogenannte
multivariate Analyse zu erstellen. Aufgrund der Repräsenta-
tivität können die Ergebnisse verallgemeinert werden. In die
Untersuchung gingen dabei ausschließlich die Angaben von
Arbeitern und Angestellten ein, welche einer Vollzeitbeschäfti-
gung nachgehen und in der Privatwirtschaft tätig sind. Ebenso
eindeutig war die Zuordnung der Befragten zu Unternehmen
mit einer exakt bekannten Größenordnung (vgl. Abb. 1).
Anzahl
Anteil (%)
Kleine Unternehmen
(unter 20 Arbeitnehmer)
1.411
24,7
Kleine bis mittlere Unternehmen
(20 bis 200 Arbeitnehmer)
1.868
32,7
Mittlere bis große Unternehmen
(200 bis 2.000 Arbeitnehmer)
1.272
22,3
Große Unternehmen
(mehr als 2.000 Arbeitnehmer)
1.160
20,3
Insgesamt
5.711
100,0
Quelle: SOEP 2001
Abb. 1:
Untersuchte Unternehmensgrößenklassen
1,2,3,4,5,6,7,8 10,11,12,13,14,15,16,17,18,19,...68
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