PERSONALquarterly 4/2015 - page 8

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SCHWERPUNKT
_INTERVIEW
PERSONALquarterly 04/15
Praxis ist das Cockpit Resource Training, in dem der Kopilot
eingreifen kann und ein bestimmtes Protokoll bestimmt, wie
man mit einem potenziellen Fehler umgeht.
Leider ist es in Deutschland immer noch weit verbreitet, Fehler
zu bestrafen und Personen als unfähig anzusehen, wenn sie
einen Fehler machen. Im Extrem führt dies zu dem üblichen Ri-
tual, „Köpfe rollen zu lassen“. Dies führt dazu, dass Menschen
zu sehr versuchen, Fehler zu vermeiden. Fehler zu vermeiden,
ist natürlich erst mal in Ordnung – aber nicht mehr, wenn sich
die Konzentration zu sehr darauf verengt. Das hemmt, ver-
langsamt und reduziert die Motivation, etwas Neues zu wagen.
Stellen Sie sich einfach einmal vor, wie langsam wir tippen
würden, wenn es die „Undo-Taste“ nicht gäbe. Der Beitrag,
den das HRM hier leisten kann, wäre zum einen, darauf einzu-
wirken, dass eine positive Fehlermanagementkultur nicht nur
von der Geschäftsführung akzeptiert und unter Umständen
im Mission Statement verankert wird, und zum anderen über
entsprechende Schulung der Führungskräfte.
PERSONALquarterly:
Welchen Beitrag kann das HRM darüber
hinaus für Innovation leisten?
Michael Frese:
Neben diesen kulturellen Aspekten ist es wichtig,
dass Innovationen auch durch die Hierarchie abgesichert wer-
den, zum Beispiel indem hochrangige Manager die kreativen
Mitarbeiter schützen, auch wenn sie durch skurrile Einfälle
auffallen.
Natürlich muss auch ein bestimmtes Zeitbudget für Innova-
tionen bereitgestellt werden. Sowohl 3M als auch Google er-
lauben den Mitarbeitern, circa 15 Prozent ihrer Zeit für ihre
eigenen Innovationen zu verwenden. Oft werden die Mitarbei-
ter auch aufgefordert, mit anderen zusammenzuarbeiten, zum
Beispiel bekommen sie Prämien, wenn sie andere Mitarbeiter
von einer Idee überzeugen können.
Dazu kommt, Eigeninitiative zuzulassen, Handlungsspielräu-
me zu ermöglichen und nicht lediglich „Dienst nach Vorschrift“
zu erwarten und zu belohnen. Viele kleine Innovationen stam-
men von Mitarbeitern, die aktiv an der Lösung eigener Prob­
leme arbeiteten. Dazu gehört auch, exploratives Verhalten der
Mitarbeiter nicht durch eng gefasste individuelle Leistungsbe-
urteilungen und daran gekoppelte Boni im Keim zu ersticken.
Variable Vergütungskomponenten, die sich an der Leistung
übergeordneter Einheiten (Team, Abteilung und so weiter) ori-
entieren, erlauben hingegen ein gewisses Maß an „risk sha-
ring“ bei der Investition von Arbeitszeit in die Innovationen
von morgen.
Und schließlich kann – vor allem im Bereich Forschung und
Entwicklung – das Recruitment kreativer Mitarbeiter verbes-
sert werden. Genauso wie es seit geraumer Zeit valide Ver-
fahren zur Messung von Faktoren gibt, die relevant für die
allgemeine Arbeitsleistung sind, gibt es Verfahren, mit denen
kreative Mitarbeiter erkannt werden können (Anm. der Red.:
siehe auch Beitrag von Dr. Carolin Palmer „Kreativität – Prak-
tische Messung einer schillernden Fähigkeit“). Aber auch hier
ist dies kein Selbstläufer: Wenn die Kultur im Unternehmen
nicht stimmt, werden auch kreative Mitarbeiter keine guten
Ideen entwickeln.
PERSONALquarterly:
Hängt der Beitrag von HR von Kontext­
faktoren ab?
Michael Frese:
Ja, mit Sicherheit. Kontextfaktoren können Bran-
chen sein, nationale Kulturen und so weiter. Wie bei anderen
Anwendungsgebieten des HR wird dessen Beitrag größer und
der Erfolg wahrscheinlicher sein, wenn die Maßnahmen zum
Kontext passen. In der Forschung nennen wir das „cultural
fit“. Ist dies nicht der Fall, bedeutet das nicht zwangsläufig
ein Scheitern von HR-Maßnahmen; allerdings sollte der „mis-
fit“ bewusst sein und nicht einfach von der Sinnhaftigkeit der
Maßnahmen ausgegangen werden (wie dies zum Beispiel bei
Managementmoden teilweise der Fall ist). Die Konsequenz
daraus ist, dass weitaus mehr Überzeugungsarbeit geleistet
werden muss.
Ein Beispiel ist die enorme Wichtigkeit eines Fehlermanage-
mentsystems in Krankenhäusern. Einen derartigen Wandel
herbeizuführen, ist gerade wegen der starken Hierarchien und
den möglichen Implikationen und unter Umständen schlim-
men Folgen von Fehlern sehr schwierig, setzt sich aber immer
mehr durch.
Ein weiterer Kontextfaktor ist die unterschiedliche Kauf­
freudigkeit von Kunden. Das ist zum Beispiel einer der Gründe,
warum in Japan viele Innovationen entstanden sind. Der Grund
ist, dass Kunden in Japan es lieben, neue Produkte zu kaufen.
Dies ist in Deutschland anders, da deutsche Konsumenten oft
relativ konservativ sind.
PERSONALquarterly:
Welchen Unterschied sehen Sie zwischen KMU
und großen Unternehmen in den Anforderungen und Förder-
möglichkeiten von Innovativität?
Michael Frese:
Im Prinzip ist es eigentlich egal, ob ein Unter-
nehmen groß oder klein ist. Aber es gibt Unterschiede, wie
große und kleine Unternehmen mit der Frage der Innovationen
umgehen. Kleine Unternehmen (die ja oft auch noch jung sind)
sind häufig auf Innovationen angewiesen.
Für die Markteinführung der Innovation mit professionellem
Management, Marketing, Kundengewinnung et cetera hinge-
gen sind die ressourcenstarken Großunternehmen klar im Vor-
teil. Je größer die Markteintrittsbarrieren (wie bis vor Kurzem
beim Fernverkehrsmonopol der Deutschen Bahn) und Netz-
werkeffekte der bestehenden Konkurrenzprodukte (beispiels-
weise bei Internetplattformen), desto ressourcenintensiver ist
tendenziell die Etablierung einer Innovation am Markt und
desto eher können große Unternehmen ihre Vorteile bezüglich
der Kapitalausstattung ausspielen.
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