PERSONALquarterly 4/2015 - page 11

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subjektiv als größer empfindet. Ist dies nicht mehr der Fall,
verlässt er die Organisation. Je größer die Differenz zwischen
Anreizen (über die Wahrnehmung der Arbeitsbedingungen)
und Beiträgen also ausfällt, desto zufriedener ist der Arbeit-
nehmer (Wiegran, 1993). Dabei lassen sich die relevanten Ar-
beitsbedingungen in Kontentfaktoren unterteilen, die auf den
Arbeitsinhalt bezogen sind, und Kontextfaktoren, die auf die
externen Bedingungen der Arbeit gerichtet sind (vgl. Abb. 2;
Wieswede, 1995). Dabei sind insbesondere die Kontentfaktoren
für die Arbeitszufriedenheit der Arbeitnehmer verantwortlich
(Mortsiefer, 1983).
Zentrales Ergebnis der Studie: KMU schneiden gut ab
Die häufig auch in der Fachliteratur vertretene These, dass
die Arbeitsbedingungen in kleinen und mittleren Unterneh-
men grundsätzlich schlechter seien als in Großunternehmen,
hält einer differenzierten empirischen Analyse nicht stand.
Gerade die Kleinunternehmen schneiden in vielen Fällen nicht
schlechter, sondern sogar besser als Großunternehmen ab.
So bieten die Kleinen beispielsweise eher als Großunterneh-
men Arbeitsplätze mit abwechslungsreichen Arbeitsinhalten
und einer selbstständigen Gestaltung des Arbeitsablaufs an.
Unter der Annahme, dass strenge Leistungskontrollen und
langjähriges Arbeiten in Wechselschichten eher als eine nega-
tive Arbeitsbedingung von den Beschäftigten betrachtet wer-
den, zeigen sich die kleineren Unternehmen im Vergleich mit
den Großunternehmen auch bei diesen Arbeitsplatzcharakte-
ristika als attraktiver.
Ein Blick auf die Arbeitsbedingung Einbindung in wichtige
Unternehmensentscheidungen zeigt, dass kleine Unterneh-
men auch hier deutlich im Vorteil sind. Diese Entdeckung ist
auch deshalb interessant, weil Einrichtungen einer formali-
sierten Mitbestimmung, wie beispielsweise ein Betriebsrat,
tendenziell häufiger in Großunternehmen anzutreffen sind.
Eine Bestätigung durch die Studie findet auch die Vermu-
tung, dass kleine Unternehmen seltener befristete Arbeitsver-
träge anbieten als große Unternehmen. Und ebenfalls keine
Überraschung stellt das Ergebnis dar, dass der Arbeitsplatz in
kleineren Unternehmensgrößen näher amWohnort der Arbeit-
nehmer gelegen ist als bei Großunternehmen. Dadurch sinken
für den einzelnen Mitarbeiter die Kosten für den Weg zur Ar-
beit. Dieser Vorteil sollte den kleineren Unternehmen helfen,
Fachkräfte in der Region leichter rekrutieren zu können. Auch
verweist dieser Befund auf die große Bedeutung von kleinen
und mittleren Unternehmen für den lokalen Arbeitsmarkt.
Insgesamt erstaunlich ist, dass es nur sehr wenige Arbeits-
bedingungen gibt, in denen Großunternehmen die Nase vorn
haben. Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern weisen
beispielsweise signifikant weniger belastende Umwelteinflüs-
se am Arbeitsplatz auf. Ebenso ist auch das Risiko von Arbeits-
unfällen geringer als in mittelständisch geprägten Betrieben.
Zudem harmoniert die tatsächlich geleistete Arbeitszeit in den
kleineren Unternehmen häufig nicht mit der gewünschten Ar-
beitszeit der Mitarbeiter. Großunternehmen scheinen also fle-
xiblere Arbeitsplätze in Bezug auf die Arbeitszeit anzubieten.
Möglicherweise verlangen sie auch weniger Überstunden von
ihren Arbeitnehmern.
Überraschend ist auf den ersten Blick dagegen, dass die
Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten in Kleinbe-
trieben mit weniger als 20 Mitarbeitern genauso gut sind wie
in Großunternehmen. Die Entwicklung der Kleinsten scheint
somit sehr dynamisch zu verlaufen. Auch die unternehme-
rischen Rahmenbedingungen sind weitestgehend optimal für
aufstrebende, ehrgeizige Persönlichkeiten. Denn: Häufig gibt
es in kleinen Unternehmen keine Hierarchien. Hinzu kommt,
dass die Betriebe meist sehr jung und die ersten Mitarbeiter
entsprechend noch hoch motiviert sind. Diese Personen wach-
sen an und mit ihrem Unternehmen in höhere Hierarchieebe-
nen. Dies ist auch ein wesentlicher Anreiz, warum Mitarbeiter
Start-ups als Arbeitgeber bevorzugen könnten – vorausgesetzt,
die Beschäftigten sind vom Erfolg der Gründung überzeugt.
Häufig findet sich diese erste Generation nach zehn Jahren
Wachstum in den Top-Positionen wieder. Und was ist dafür be-
sonders wichtig? Natürlich eine kontinuierliche Qualifikation.
Dass in diesem Zusammenhang gerade innovative Neugrün-
dungen vor besonderen Herausforderungen stehen, liegt auf
der Hand: Grundsätzlich gelten sie ja als wichtige Triebfeder
für den wirtschaftlichen Strukturwandel und damit als Quel-
le für mehr Wachstum und Beschäftigung. Gleichzeitig weist
aber gerade dieser Gründungstyp besondere Risiken und damit
eine höhere Wahrscheinlichkeit zu scheitern auf. Denn: Zu
den allgemeinen Gründungsrisiken kommen zusätzliche Ri-
siken durch die Neuartigkeit der Produkte und Prozesse hinzu.
Diese Neuartigkeit stellt auch bei der Rekrutierung von hoch
qualifizierten Arbeitskräften aus informationsökonomischer
Perspektive ein großes Problem dar. Mit anderen Worten: Po-
tenzielle Arbeitnehmer sind mit asymmetrisch verteilten In-
formationen konfrontiert und müssen daher mit den typischen
Problemen einer adversen Selektion rechnen. Empirische Un-
tersuchungen von Werner (2007) zeigen auf, wie man diese
Probleme überwinden kann. So ziehen potenzielle Arbeitneh-
mer beispielsweise den Hochschulabschluss des innovativen
Gründers als Bildungssignal oder ein bereits angemeldetes
Patent als entscheidendes beobachtbares Merkmal heran, um
die Qualität des Gründungsvorhabens – und damit ihre Wei-
terentwicklungsmöglichkeiten auf dem neuen Arbeitsplatz –
abschätzen zu können.
Aber noch einen weiteren interessanten Befund hält die​
SOEP-Studie parat: Lediglich die Beschäftigten in der Unter-
nehmensgrößenklasse von 20 bis unter 200 Mitarbeitern
machen sich größere Sorgen um ihren Arbeitsplatz. Hier ma-
nifestiert sich der gewachsene Wettbewerbsdruck, in dem sich
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