Immobilienwirtschaft 12-1/2016 - page 24

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MARKT & POLITIK
I
VERBANDSINFORMATIONEN
B
ereits Mitte des 17. Jahrhunderts kennzeichnen Energiekrisen, mangelnde Wert-
schöpfung und kurzfristiges Gewinndenken die Gesellschaft. Es war Hans Carl von
Carlowitz, der 1713 das Konzept der „Nachhaltenden Entwicklung“ formulierte, das
auf langfristige zeitliche Kontinuität vonNaturnutzung und denGedanken des Einteilens
und Sparens von Ressourcen ausgerichtet ist. Nicht verwunderlich, dass seit der Krise der
Begriff der Nachhaltigkeit auch in der Immobilienwirtschaft Einzug hält. Nachhaltigkeit
als Ziel, das durch geeignete Instrumente ökologisches Gleichgewicht, ökonomische
Sicherheit und soziale Gerechtigkeit erreichen will. Ein Instrument beginnt sich in der
Immobilienwirtschaft durchzusetzen: die Zertifizierung von Immobilien.
Seit 2012 veröffentlicht die RICS regelmäßig Studien über die Entwicklung der Zer-
tifizierungen und kann 2015 eine ungebrochene Zunahme in Europa feststellen. Lag der
Fokus zunächst auf Leuchtturmprojekten, wird in der aktuellen Studie deutlich, dass
inzwischen die Bewirtschaftung und Nutzung von Gebäuden an Bedeutung gewinnt.
Insbesondere in der Bestandszertifizierung ist es zwingende Voraussetzung, aus einer
Status-quo-Bewertung heraus Optimierungspotenziale zu identifizieren, Ziele zu de-
finieren, entsprechende Maßnahmen umzusetzen und regelmäßig zu überprüfen, um
die Performance sowohl des Gebäudes als auch der Bewirtschaftung und Nutzung zu
steigern. Anwendbare Kriterien der Bewirtschaftung und Nutzung sind insbesondere in
der BREEAM-Bestand-Zertifizierung abgebildet. Das spiegelt ein Ergebnis der Studie
in der Ausbreitung von BREEAM insbesondere im Bestand über ganz Europa wider.
Schlussendlich ist es aber den Eigentümern, Betreibern undNutzern von Immobilien
überlassen, wie sie ihre Nachhaltigkeitsstrategie ausrichten. Instrumente wie Zertifi-
zierungen, das Benchmarking von Nachhaltigkeitskriterien, ein Reporting nach GRI/
CRESB Standards oder auch die von der RICS unterstützte Green-Lease-Initiative bieten
Instrumente und Bewertungsgrundlagen zur Dokumentation und Messung der Nach-
haltigkeitsperformance, die zum Teil durch Zertifizierinstitutionen unabhängig geprüft
werden. Eine Ursache ist die Verankerung von Corporate Social Responsibility (CSR) in
fast jedem internationalen Unternehmen. Ein häufiger Bestandteil der CSR-Richtlinien
ist dabei die Verpflichtung zur vorrangigenAnmietung „grüner Flächen“ – nachzuweisen
über ein Zertifikat. Vermieter brauchen demnach zertifizierte Flächen, umdie begehrten
internationalen Unternehmen als Mieter zu gewinnen. Daher überrascht es nicht, dass
sich der Trend zu internationalen Zertifikaten wie BREEAMund LEED entwickelt. Eine
Konsolidierung von Systemen ist nicht zuletzt aus Gründen der Diversifizierung derzeit
nicht in Sicht. Dennoch finden sich seit 2015 die ersten weltweiten Kooperationen, wie
sie zum Beispiel CRESB mit dem USGBC und dem BRE eingegangen ist.
Es bedarf aber auch der arrondierenden Handlungs- und vor allem rechtlichen
Regelungen, die die praktische Umsetzung treiben, um die Nachhaltigkeitspotenziale
weiter auszuschöpfen. Erste Initiativen entwickeln unterstützende Instrumente für die
Implementierung vonNachhaltigkeitsaspekten inWertgutachten, Due-Diligence-Bewer-
tungen, Leistungsverzeichnissen für Property und Facility Management, Datenmanage-
ment- und internen Bewertungssystemen. Sie führen zu Transparenz mit Dokumentati-
onspflichten und vertraglich vereinbarten Offenlegungsbefugnissen. Damit schaffen sie
ein Bewusstsein für nachhaltiges Handeln mit kalkulierbaremAufwand, die der Umwelt
und nicht zuletzt der Gesellschaft zugutekommen. Nachhaltigkeit wird immer mehr zu
einemWert – wie bewerten Sie ihn? Grün kommt! – langsam, aber nachhaltig.
Dipl. Ing. M.Sc. Simone Lakenbrink MRICS,
Geschäftsführende Gesellschafterin,
Difni GmbH & Co. KG, Vorsitzende RICS
Professional Group Sustainability
Vom 17. ins 21. Jahrhundert –
und immer noch nicht grüner?
«
Simone Lakenbrink MRICS
RICS
Zertifizierungen spielen
in der Immobilienwirtschaft
zunehmend eine Rolle – weit
über Leuchtturmprojekte
hinaus. Um die Nachhaltig-
keitspotenziale weiter aus-
zuschöpfen, sind aber noch
mehr verlässliche Rege-
lungen und unterstützende
Instrumente notwendig.
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