DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 3/2017 - page 80

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3|2017
RECHT
WEG § 43 Nr. 1
Verbaler Streit unter
Wohnungseigentümern
Wird ein Wohnungseigentümer von einem anderen Wohnungseigen-
tümer auf Unterlassung bzw. auf Widerruf von Äußerungen in An-
spruch genommen, die er in der Wohnungseigentümerversammlung
getätigt hat, liegt eine Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG vor,
es sei denn, ein Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis
der Wohnungseigentümer ist offensichtlich nicht gegeben
BGH, Beschluss vom 17.11.2016, V ZB 73/16
Bedeutung für die Praxis
Die Zuständigkeitsnorm des § 43 WEG ist zwar kein Auffangtatbestand,
aber dennoch weit auszulegen. Ein Zusammenhang des anspruchsbe-
gründenden Sachverhalts mit dem Gemeinschaftsverhältnis eröffnet den
Zugang zum WEG-Gericht. Seit der vorstehenden Entscheidung dürfte
eine Berufung nur noch fristwahrend beim sog. Konzentrationsgericht im
Sinne des § 72 Abs. 2 GVG eingelegt werden können. Der BGH-Fall war
insoweit eindeutig, als die umstrittene Äußerung auf der Versammlung
gefallen war. Zweifelhaft ist die Rechtslage weiterhin für den Fall, dass die
„Konversation“ außerhalb der WEG-Anlage stattfindet und/oder keinen
Bezug zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 21, 22
„Notwendige Sanierungsarbeiten“
Das Gesetz unterscheidet Instandhaltung, Instandsetzung,
bauliche Veränderung, Modernisierung und modernisierende
Instandsetzung. Den Begriff „Sanierung“ kennt das WEG nicht.
Ein Beschluss über „notwendige Sanierungsarbeiten“ ist nicht
eindeutig und wäre nicht nur anfechtbar, sondern sogar nichtig.
AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 11.1.2017, 539 C 41/15
Bedeutung für die Praxis
Die Ablehnung eines Beschlussantrags ist i. d. R. geboten, wenn ein
Positivbeschluss zu diesem so formulierten Antrag erkenn- und vor-
hersehbar erfolgreich nach fristgerecht erhobener Anfechtungsklage
gerichtlich für ungültig erklärt oder gar seine Nichtigkeit festgestellt
werden müsste. Der Verwalter sollte hier auf einen präzisen Antrag
hinwirken. Bleibt der antragstellende Eigentümer dann bei seiner
Pauschalantragsstellung, sollte die Mehrheit diesen (!) Antrag ab-
lehnen und nicht generell bestimmte Regelungen zum betreffenden
Themenkomplex verweigern. Im gegenteiligen Fall wäre eine erneute
Vorbefassung der Eigentümerversammlung bloße Förmelei und nicht
erforderlich vor Beschreiten des Rechtswegs.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT
Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen („small claims
procedure”, VO (EG) Nr. 861/2007) und die in dessen § 2 Abs. 1 als Grenze
ausgewiesenen 2.000,00 € um eine bloße Bagatellforderung handelte.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 536, 543, 573
Vermietung von Wohnungen an Touris-
ten; Minderung der benachbarten Mieter
Stützt der Vermieter eine außerordentliche oder ordentliche Kün-
digung des Mieters auf dessen unbefugte oder nicht angezeigte
Untervermietung, ist bei der Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung
auf sämtliche Umstände des Einzelfalls abzustellen.
LG Berlin, Urteil vom 6.10.2016, 67 S 203/16
Bedeutung für die Praxis
Im Falle einer unbefugten Gebrauchsüberlassung ist auf sämtliche Um-
stände des Einzelfalls abzustellen. Für diese Abwägung sind neben der be-
anstandungsfreien Dauer des bisherigen Mietverhältnisses und den nach-
teiligen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung auf den Vermieter
auch ein möglicher Anspruch des Mieters auf Erteilung der - tatsächlich
nicht eingeholten - Untermieterlaubnis sowie ein pflichtwidriges (Vor-)
Verhalten des Vermieters erheblich. Zu Gunsten der Mieter streitet nicht
nur der Umstand, dass das Mietverhältnis zum Zeitpunkt des ersten Kün-
digungsausspruchs bereits mehr als zwölf Jahre - und damit seit geraumer
Zeit - unbeanstandet währte. Gegen die Erheblichkeit des behaupteten
Pflichtverstoßes spricht ebenfalls, dass den Mietern ein auch von der Ver-
mieterin nicht in Zweifel gezogenes berechtigtes Interesse zur teilweisen
Überlassung der Wohnung an ihre Tochter zugestanden hätte, so dass die
Vermieterin ohnehin zur Genehmigung der Gebrauchsüberlassung ver-
pflichtet gewesen wäre. Es tritt hinzu, dass die nicht umfassend, sondern
räumlich und persönlich lediglich beschränkt erfolgte Gebrauchsüber-
lassung angesichts der in erheblichem Umfang entfalteten touristischen
Nutzung des (Wohn-)Gebäudes nicht geeignet war, die wirtschaftlichen
und rechtlichen Interessen der Vermieterin mehr als nur unwesentlich
zu beeinträchtigen. Schon diese Umstände stehen einer hinreichenden
Erheblichkeit der behaupteten Pflichtverletzung entgegen. An einer
solchen fehlt es unabhängig davon aber auch deshalb, weil der Vermiete-
rin vor Ausspruch der Kündigungen selbst gravierende Pflichtverletzun-
gen gegenüber den Mietern zur Last gefallen sind. So hat sie gegenüber
den Mietern im Vorfeld des hiesigen Rechtsstreits nicht nur schuldhaft
eine materiell unwirksame Zahlungsverzugskündigung ausgesprochen,
sondern an dieser in dem vor dem Landgericht zweitinstanzlich geführten
weiteren Räumungsrechtsstreit unter wahrheitswidriger Verneinung der
von den Beklagten zutreffend behaupteten Beeinträchtigungen durch die
Vermietung von Nachbarwohnungen an Touristen bis zum dort erst nach
einer umfangreichen Beweisaufnahme erfolgten Abschluss des Verfahrens
festgehalten. Dieses unredliche (Prozess-)Verhalten stellt bereits für sich
genommen eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung dar.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
1...,70,71,72,73,74,75,76,77,78,79 81,82,83,84
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