DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 3/2017 - page 81

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WEG §§ 21 Abs. 5 Nr. 4 und Abs. 8; 26; 28; 43 Nr. 4
Darstellung der Instandhaltungsrücklage;
gerichtliche Abberufung des Verwalters
1. Die Darstellung der Instandhaltungsrücklage entspricht auch dann
ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn eine Aufschlüsselung nach
einzelnen Eigentümern nicht erfolgt. Auch ist es nicht notwendig,
Abgänge der Instandhaltungsrücklage konkret nach Datum der Be-
schlussfassung und durchgeführter Maßnahme zu bezeichnen.
2. Der Antrag eines Wohnungseigentümers, den Verwalter außer-
ordentlich abzuberufen, ist grundsätzlich unzulässig, wenn sich die
Eigentümer nicht hiermit auseinandersetzen konnten.
AG Halle/S., Urteil vom 26.1.2017, 122 C 2318/16
Bedeutung für die Praxis
Die Instandhaltungsrücklage ist Teil des Verbandsvermögens. Anteile
an diesem können nicht isoliert vom Wohnungseigentümer übertragen
werden. Gegenteilige Formulierungen in alten notariellen Verträgen sind
obsolet. Es ist unerheblich, ob der Erwerb von Wohnungseigentum rechts-
geschäftlich oder im Wege der Zwangsversteigerung erfolgt. Vor diesem
Hintergrund haben die einzelnen Eigentümer auch keine Anteile an der
Instandhaltungsrücklage (vgl. § 10 Abs. 6 und 7 WEG).
Die Vorbefassung der Wohnungseigentümergemeinschaft ist selten
nachweisbar eine unnötige Förmelei. Nur dann wäre der direkte Weg zum
Gericht eröffnet. Ansonsten muss der Beschlussantrag einmal auf der
Versammlung „durchgefallen“ sein (Negativbeschluss).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 21, 26
Anforderungen an die Alternativangebote
bei der Verwalterwahl (Neubestellung)
1. Liegen der Eigentümerversammlung 3 aussagekräftige Alterna-
tivangebote zur Wahl eines Verwalters vor, ist es unschädlich, wenn
ein Angebot am Versammlungstag zurückgenommen wird.
2. Hinsichtlich der Berechtigung zur Teilnahme an der Eigentümer-
versammlung und des Stimmrechts ist allein auf die Umschreibung
im Grundbuch abzustellen, um Rechtsklarheit auch für den Verwalter
und die Miteigentümer herzustellen.
AG Bonn, Urteil vom 22.7.2016, 27 C 160/15
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung der Gemeinschaft soll nach der Rechtsprechung nur
dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn sie auf einer
hinreichend fundierten Tatsachengrundlage beruht. Deshalb wird meist
postuliert, dass vor der Beschlussfassung über die Wahl eines neuen Ver-
walters und dessen Vertrag mindestens drei Vergleichsangebote eingeholt
werden müssten (vgl. etwa LG Dortmund, Urteil vom 21.10.2014,
1 S 371/13). Dies ist etwa bei Sondersituationen auf Inseln in der
Nord- oder Ostsee oft schwierig; Anbieter vom Festland sind dort i. d. R.
teurer und einheimische Unternehmen machen sich nicht wirklich immer
Konkurrenz.
Dagegen sind bei der Wiederwahl des aktuellen Verwalters Alternativan-
gebote entbehrlich.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 10 Abs. 6 Satz 3, 24 Abs. 4
Vergemeinschaftung von Individualansprüchen; Ladungsfrist
Durch den Umstand, dass der Ermächtigungsbeschluss zur Vergemeinschaftung von Individualansprüchen wegen eines weiten Ermessens-
spielraums der Wohnungseigentümer ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ist gerade noch nichts darüber gesagt, ob der Anspruch
wirklich besteht.
Eine Unterschreitung der 2-wöchigen Ladungsfrist führt im Fall der Anfechtung nicht ohne Weiteres zur Ungültigerklärung der in der Ver-
sammlung gefassten Beschlüsse, vielmehr wird die Fristunterschreitung nur relevant, wenn der Anfechtende durch die Fristunterschreitung
gehindert war, an der Versammlung teilzunehmen, einen Vertreter zu entsenden oder sich auf die Versammlung hinreichend vorzubereiten.
AG Pinneberg, Urteil vom 11.10.2016, 60 C 39/16
Bedeutung für die Praxis
Die Wohnungseigentümer haben bei der Durchsetzung von Individu-
alansprüchen durch den Verband als Prozessstandschafter ein weites
Ermessen (Beurteilungsspielraum). Sowohl ein Positivbeschluss zum sog.
„Ansichziehen“ als auch ein Negativbeschluss können ordnungsmäßiger
Verwaltung entsprechen. Dies hängt nicht nur vom Prozessrisiko und vom
Streitwert ab. Wenn es einen einzelnen prozessfreudigen Wohnungseigen-
tümer gibt, könnte dieser seinen Anspruch einfach durchsetzen und alle
übrigen Eigentümer profitierten hiervon.
Die Nichteinhaltung der Ladungsfrist gemäß § 24 Abs. 4 S. 2 WEG stellt
alleine keinen Grund für die Ungültigkeit der auf der Eigentümerver-
sammlung gefassten Beschlüsse dar. Der Anfechtende muss darlegen,
dass ihm gerade aufgrund dieses Fehlers die Mitwirkung auf der Eigen-
tümerversammlung versagt war (AG Idstein ZMR 2016, 318, a.A. LG
München I, Urteil v. 6.11.2014, 36 S 25536/13, MietRB 2015, 47).
Grundsätzlich wird aber von der h.M. (vgl. LG Frankfurt ZMR 2015, 780)
die Kausalität eines formellen Beschlussfehlers widerlegbar vermutet.
Nur wenn zweifelsfrei festgestellt wird, dass der Mangel keinen Einfluss
auf das Beschlussergebnis hatte, ist diese Vermutung widerlegt.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
1...,71,72,73,74,75,76,77,78,79,80 82,83,84
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