CONTROLLER Magazin 6/2015 - page 18

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nikation und der Kommunikationsfähigkeit des
Managements hervor.
Piwinger dreht das Thema und fragt: „Es gibt
Rechtfertigungsrituale
, die Journalisten und
kritische Beobachter spüren und wahrnehmen.
Wie reagieren Journalisten darauf? Gehen sie
mit renommierten Unternehmen sorgsamer um
als mit normalen?“ Er fragt in Richtung Presse
weiter: „Welches Unternehmensverhalten wird
aus Mediensicht am ehesten honoriert? „Nach
vorherrschender Meinung und Erfahrung macht
es keinen Sinn, „um den heißen Brei herumzu-
reden“, sondern frühzeitig und vertrauenswür-
dig und auch selbstkritisch die Fakten auf den
Tisch zu legen.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass es vor
allem gerade kritische Situationen sind, die zei-
gen, wie das wechselseitige Vertrauensverhält-
nis wirklich – und wie stabil die Reputation
tatsächlich ist. Unternehmen, die sich in der
Vergangenheit als vertrauenswürdig erwiesen
haben, haben in der Krise – zumindest zu-
nächst – auch einen Vertrauensvorschuss, wie
die Erfahrung zeigt. Piwinger hat beobachtet:
durch die Darstellung des Reputationsrisi-
kos im Rahmen des Risikomanagements
erfolge indirekt eine Wertbestätigung des
Unternehmens.
Er hebt noch hervor, es gebe
einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen
Reputation, einem wirtschaftlichen Verlust so-
wie einer Minderung des Unternehmenswerts,
um für dieses Thema zu sensibilisieren.
Reaktionen in den Unternehmen
auf kritische Medienbericht-
erstattung
Der Unterschied zwischen Eigenbild und
Fremdbild, zwischen Selbstwahrnehmung und
Fremdwahrnehmung kann bei kritischen Medi-
enberichten besonders auffällig werden. Häufig
werden – wie auch im alltäglichen Leben – Ab-
wehrmechanismen in Gang gesetzt.
Die möglichen Folgen können weitreichend
sein, wie bereits skizziert. Sie können wirt-
schaftlicher Natur sein.
Wenn die Reputation
beschädigt ist, führt dies häufig zu schlech-
teren wirtschaftlichen Ergebnissen.
Erfah-
rungsgemäß dauert es auch relativ lange, bis
verlorenes Vertrauen wieder aufgebaut ist.
Eine kritische Berichterstattung kann aber auch
die Karriere Verantwortlicher beeinträchtigen,
gelegentlich auch beenden.
Jeder ernsthafte Wirtschaftsjournalist wird
seinen Beitrag auf einer gründlichen Recher-
che aufbauen und mit der gebotenen journalis-
tischen Sorgfalt erarbeiten und verfassen.
Dazu zählt auch, dass man immer zwei Quel-
len für kritische Informationen haben sollte.
Gleichwohl können
„blinde Flecken“
bleiben.
Sachverhalte, die der Journalist nicht oder
nicht umfassend wahrnehmen kann. Arianne
Hufnagel hat empirisch untersucht, wie Medi-
enberichte in Krisensituationen aus Sicht der
betroffenen PR-Manager aufgenommen wer-
den (Hufnagel, 2014, S. 138).
·
„Umstände, auf die das Unternehmen kei-
nen Einfluss hatte, wurden verschwiegen
oder heruntergespielt“ sagten 79% der
stark Betroffenen.
·
„Fehler des Unternehmens wurden auf-
gebauscht und dramatisiert“ meinten eben-
falls 79% der stark Betroffenen.
·
„Dem Unternehmen wurden Fehler und
Versäumnisse vorgeworfen, die es nicht
begangen hat“, urteilten 57% der stark
Betroffenen.
Rahmenbedingungen und Umstände können
von Außenstehenden meistens nur begrenzt
wahrgenommen werden. Sie mögen objektiv
die kritisierten Sachverhalte mitbeeinflusst
haben. Aus Sicht der im Unternehmen Betrof-
fenen dient dies vielfach als Rechtfertigung
und Begründung. Ohne Frage haben die Be-
troffenen das Recht, sich zu erklären, Gründe
anzuführen und Rechenschaft abzulegen.
Manager verweisen zudem vielfach auf ihre
begrenzten Handlungsmöglichkeiten, ihre
Zwänge und führen zahlreiche Einflüsse an.
Die Themen und Probleme werden aus unter-
schiedlicher Perspektive und mit auseinander-
gehender Intention betrachtet. Arianne Huf-
nagel bringt den Konflikt auf den Punkt: Sie
macht darauf aufmerksam,
dass Journalis-
ten Unternehmen und deren Entscheider
als Verursacher von Zuständen und Ent-
wicklungen sähen, hingegen machten die
Verantwortlichen im Unternehmen die
Umstände und Rahmenbedingungen für
die Zustände und Entwicklungen verant-
wortlich.
(Vgl. Hufnagel. 2014, S. 143). Nach
den Erfahrungen reagieren die Unternehmen
in vielfältiger Weise auf kritische Berichterstat-
tung. Manchmal eher konstruktiv, mitunter
aber auch recht destruktiv. Das Spektrum
reicht von Pressekonferenzen und Intensivie-
rung der PR-Arbeit, Anrufen beim Chefredak-
teur, Einflussnahmen beim betreffenden Me-
dienhaus, vielgestaltigen Drohungen, Kürzung
oder Einstellung von Anzeigenaufträgen bis hin
zu rechtlichen Maßnahmen. Wieweit Unter-
nehmen gehen, hängt von vielen Faktoren und
den Umständen ab – natürlich auch, welches
Management das Unternehmen führt. Was
steht auf dem Spiel? Wie ungerecht fühlt man
sich behandelt? Welche Optionen stehen zur
Verfügung? Natürlich gibt es auch viele Bei-
spiele, die Unternehmen zeigen, die konstruk-
tiv, abwägend insgesamt verantwortungsvoll
mit kritischen Berichten umgehen im Sinne
„wir haben verstanden“.
Auf einen berechtigten Beitrag verzichten,
weil es Ärger geben könnte? Diese Frage
berührt das journalistische Selbstver-
ständnis, geht es doch um die Wahrneh-
mung der journalistischen Aufklärungs-
und Kontrollfunktion.
In dieser Stelle muss
deutlich gesagt werden, dass Journalisten, die
kritisch berichten, u. U. ein erhebliches Risiko
eingehen. Nicht jeder Verlag und Chefredakteur
kann und will Rückendeckung geben. Die
Bataillone der PR und die vielen Lobbyisten
Autor
Fachjournalist (DFJS) Dipl.-BW Alfred Biel
Autor, Interviewer und Rezensent verschiedener Medien mit
reichhaltigen Erfahrungen aus verantwortlichen Konzern-Tätig-
keiten und Aufgaben in mittelständischen Unternehmen. Be-
triebswirtschaftliches und journalistisches Studium. Verleihung
der Ehrenmitgliedschaft des Deutschen Fachjournalisten Ver-
bands (DFJV) und des Internationalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
Wirtschaft und Unternehmen – wirtschaftsjournalistisch betrachtet
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