CONTROLLER Magazin 6/2015 - page 14

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und Gesellschaft orientieren – und im Sinne
dieses Verständnisses ebenso wichtig sind.
(Vgl. Mast, 2012, S. 13). In der Sprache der
Controller ließe sich sagen „vom Shareholder-
Journalismus zum Stakeholder-Journalismus“.
Aber auch die Zielsetzung wandelt sich, wie
beispielsweise ein Zitat von Jörg Schöneborn,
Fernsehdirektor des Westdeutschen Rundfunks
(WDR), belegt: „Ja, wir brauchen mehr wirt-
schaftlichen Sachverstand. Medien müssen
ihre gesellschaftliche Kontrollfunktion viel stär-
ker in der Wirtschaft wahrnehmen, während die
Gestaltungsmacht der Politik abnimmt.“ (Mast,
2012, S. 9). Insgesamt lässt sich beobachten,
dass sich die Wirtschaftsberichterstattung zu-
nehmend verändert und dass Themen wie z. B.
Verbraucherjournalismus oder auch der Rat-
geber-Aspekt im Journalismus an Bedeutung
gewinnen.
Berufsbild und Arbeitsfelder
der Fachjournalisten bzw.
Wirtschaftsjournalisten
Aus Sicht des Deutschen Fachjournalisten Ver-
bandes (DFJV) gehören zu den Haupttätigkei-
ten eines Journalisten insbesondere Recher-
chieren, Dokumentieren, Formulieren, Redigie-
ren, Präsentieren, Organisieren und Planen.
Der Fachjournalist bzw. Wirtschaftsjournalist
braucht eine Doppelkompetenz:
·
Zum einen braucht er journalistische
Dar-
stellungs- und Vermittlungskompetenz
.
·
Zum anderen auch eine fundierte
Wirt-
schaftskompetenz
, z. B. gute Wirtschafts-
kenntnisse als Volks- oder Betriebswirt. Das
heißt, vom Wirtschaftsjournalisten muss
man sowohl einen
kritischen Blick
als Jour-
nalisten als auch einen
gründlichen Blick
als Wirtschaftsfachmann erwarten. Diese
beiden Seiten müssen sich verbinden und
verstärken.
Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Zeit,
sprich knapp und treffend von den „Tugenden
eines aufklärenden, kritischen und unabhängi-
gen Qualitätsjournalismus“ (Pörksen/Narr,
2015, S. 97).
Unabhängigkeit und Glaub-
würdigkeit sind somit die zentralen Merk-
male und Maßstäbe
, denen sich ein Fachjour-
nalist stellen muss. Hier zeigt sich auch eines
der vielen Spannungsverhältnisse: Wirtschafts-
journalisten müssen die sachbezogene Nähe zu
den Themen und Menschen mit der Distanz
des unabhängigen Journalisten verbinden und
auch zu vereinbaren wissen.
Der heutige Wirtschaftsjournalismus zeigt sich
als Verzahnung volkswirtschaftlicher, betriebs-
wirtschaftlicher und politischer Themen. Dem
FAZ-Herausgeber Jürgen Eick wird der Satz zu-
geschrieben
„Alles ist Wirtschaft und Wirt-
schaft geht jeden an“
. An wirtschaftlichem
Erfolg und einer guten Wirtschaftsentwicklung
ist allen viel gelegen. Daher muss „die Wirt-
schaft“ mit ihren Einflussfaktoren zum Thema
gemacht werden.
Wichtiges muss auch öf-
fentlich wichtig werden.
Daher bedarf es gu-
ter Wirtschaftsjournalisten.
Wirtschaftsjournalistische
Berichterstattungsthemen
Wo im Wirtschaftsjournalismus die Schwer-
punkte in der Berichterstattung liegen, hänge
von der Art des Mediums ab, wie der DFJV
feststellt. Die meisten Wirtschaftsberichte be-
fassen sich heute auf der einen oder anderen
Weise eher mit volkswirtschaftlichen als mit be-
triebswirtschaftlichen Themen. Gerade in der
Unternehmensberichterstattung verbinden sich
jedoch oft beide Sichtweisen, darüber hinaus
gibt es eine Verknüpfung mit dem politischen
und allgemeinen Journalismus.
Gegenstand der wirtschaftsjournalisti-
schen Berichterstattung sind insbesondere:
·
Wirtschaftsobjekte
, z. B. Unternehmen und
Wirtschaftssubjekte, z. B. Manager.
·
Grundlagen der Wirtschaft
, z. B. Märkte.
·
Wirtschaftliche Wirkungen
von Entschei-
dungen und Ereignissen, z. B. Folgen der
Niedrigzinspolitik.
·
Wirtschaftliche Verhaltensweisen
, z. B.
Geiz ist geil“ oder „fairer Einkauf“.
Vielfach wird die Wirtschaftsberichterstattung
nach Zielgruppen unterschieden, z. B. Experte
oder wirtschaftlich interessierte Laien, um nach
Inhalt und Aufmachung zu differenzieren. Ne-
ben der Herstellung von Öffentlichkeit kommt
es ganz besonders darauf an,
Service bzw.
Nutzen den Lesern, Hörern und Betrach-
tern zu bieten
.
Bezogen auf die Berichterstattung über
Unternehmen
können vier grundlegende For-
men der Wirtschaftsberichterstattung einge-
setzt und unterschieden werden:
·
Informationsfunktion:
Aufklärung über
ökonomische Größen bzw. etwa Unterneh-
mens- und Finanzzahlen. Informationen, die
helfen, Unternehmen bekannt zu machen, zu
beschreiben und einzusortieren.
·
Orientierungsfunktion:
Beiträge, die Unter-
nehmen einordnen und bewerten als Wirt-
schaftsfaktor, als Kunde und Lieferant, als
Arbeitgeber und Steuerzahler.
·
Erklärungsfunktion:
Wirtschaftliche Sach-
verhalte sind meistens komplex. Sie bedür-
fen vielfach der Erläuterung und Erklärung.
Vielfach wird sehr einseitig und einfach ge-
fragt und diskutiert; beispielsweise: „Sind
Sie dafür, dass die Erzieher mehr Geld be-
kommen?“ Selten wird auf die vielen Ab-
hängigkeiten und Zusammenhänge einge-
gangen. Bei Tarifverhandlungen z. B. mi-
schen sich meistens unterschiedliche Prob-
lemlinien und Aspekte: Tarifsteigerungen
erhöhen Einkommen und auch Kosten, be-
einflussen Kaufkraft und Wettbewerbsfä-
higkeit, können unternehmerische Gestal-
tungsfähigkeit und gewerkschaftliche Orga-
nisationsfähigkeit beeinträchtigen. Verhal-
ten sich Menschen rollenspezifisch, z. B. als
Arbeitnehmer bzw. Produzent höheres Ein-
kommen fordern und dann als Konsument
Schnäppchen nachjagen? Können gleich-
zeitig Dividenden erhöht und Löhne durch
Ausgliederung gekürzt werden? Die journa-
listische Aufklärungsfunktion erfordert mei-
nes Erachtens nach eine differenzierte Be-
trachtung der Sachverhalte, soll inhaltsrei-
che und fruchtbare Diskussionen anregen
und somit eine Meinungs-
Bildung
erzeu-
gen. Eine reine Schwarz-Weiß-Malerei pola-
risiert nur unnötig, erzeugt Unmut, vielleicht
sogar Aggression und entmündigt letztlich
den Bürger.
·
Beobachtungsfunktion
,
die journalisti-
sche Königsfunktion:
Wird z. B. das Leit-
bild gelebt oder nur vordergründige Öffent-
lichkeitsarbeit betrieben? Welche Auffällig-
keiten gibt es? Wie wird mit Macht umge-
gangen? Wie glaubwürdig sind Pläne und
Zahlen? Wie überzeugend wirkt das Ma-
nagement? Wie ist es um die Unterneh-
menskultur bestellt? Wie innovativ ist das
Wirtschaft und Unternehmen – wirtschaftsjournalistisch betrachtet
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