wirtschaft und weiterbildung 7-8/2016 - page 64

grundls grundgesetz
Boris Grundl
64
wirtschaft + weiterbildung
07/08_2016
Kennen Sie den Unterschied zwischen intellektu-
ellem und emotionalem Verstehen? Der Intellekt
denkt, er kann es, die Emotion beweist ihr Können
durch Ergebnisse. Zu theoretisch? Dann ein paar
Beispiele. Viele wünschen sich eine ehrliche Feed-
backkultur. Authentisches, zeitnahes Feedback
annehmen und daran wachsen. Das wollen viele
und wissen, wie wichtig das ist. Der Intellekt sagt
Feedback, doch die Emotion wünscht sich Bestäti-
gung. Kommt Kritik, nehmen sie das Gehörte per-
sönlich, reagieren gekränkt und beschweren sich
über mangelnde Wertschätzung.
Pragmatisch weitergedacht: Von wem würden Sie
lieber Hinweise annehmen? Von einem Menschen
der Tat, der die zu lernenden Dinge erlebt hat?
Einem Praktiker? Oder von einem Menschen, der
durch das Studium vieler Bücher seine Erkenntnisse
gewonnen hat? Einem Theoretiker? „Beides“, höre
ich Sie rufen. Und damit haben Sie recht. Der Kampf
zwischen Theorie und Praxis ist so alt wie das Leh-
ren selbst. Bei Goethe finden wir einen Hinweis auf
den richtigen Mix: „Ein Blick ins Buch und zwei ins
Leben, das wird die rechte Form dem Geiste geben.“
Also zwei Drittel Praxis und ein Drittel Theorie. Nicht
umgekehrt!
Wenn Sie mit der Weiterbildungslandschaft vertraut
sind, läuft Ihnen ein Begriff derzeit häufig über den
Weg: Resilienz. Resilienz ist eine Art psychische
Widerstandskraft und beschreibt die Fähigkeit,
Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf
persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als
Anlass für Entwicklungen zu nutzen. Was für eine
Definition! Kurz: Wenn Dich das Leben nieder-
schlägt, lerne daraus und komme gestärkt wieder.
Dass diese Stärke wichtig für Menschen und Orga-
nisationen ist, liegt auf der Hand. Selbstverständ-
lich hat diese Modewelle zig Bücher entstehen
lassen und Seminarräume zuhauf gefüllt.
Da drängt sich die Frage auf, ob man durch Semi-
nare Resilienz erlernen kann? Ich frage das deshalb
so kritisch, weil ich durch einen Unfall im Rollstuhl
landete und drei Jahre von Sozialhilfe
lebte. Heute lebe ich in finanzieller Frei-
heit, bin anerkannter Führungsexperte,
habe zwei erwachsene Kinder und bin
Inhaber einer Akademie, die sich auf die
„Transformation von Führungsteams“
spezialisiert hat. Über die Niederlagen, Krisen und
Ablehnungen auf dem Weg wage ich in Summe
gar nicht zu sprechen. So viele waren es. Manche
schmerzen noch heute. Ich frage mich und werde
immer wieder gefragt: Hätte ich mich durch mehr
Wissen im Vorfeld vorbereiten können?
Meine These nach reiflicher Überlegung: Mir
scheint, Menschen, die danach streben, Resilienz
durch Seminare zu „erlernen“, wollen im Kern jeder
möglichen Niederlage und Ablehnung im Vorfeld
ausweichen. Sie suchen Techniken, mit denen sie
sich dem Schmerz der Zurückweisung nicht stellen
müssen. Sie glauben, das intellektuelle Verste-
hen würde sie schützen, wenn „Thors Hammer“
zuschlägt. Das ist jedoch eine Illusion. Wie lerne ich
Resilienz? Indem ich mir etwas vornehme, darauf
zugehe und Rückschläge ein- und wegstecke. So
lange, bis ich das Ziel erreicht habe. Zu einfach?
Das ist es nicht. Es ist emotional eine Achterbahn-
fahrt. Immer wieder. Denn jeder Sieger steht auf
einem Berg von Niederlagen. Deswegen gestatten
Sie mir bitte noch eine kleine Provokation: Der, der
es kann, tut es. Der, der es nur kennt, lehrt es.
Paragraf 47
Resilienz lernen
durch Rückschläge
Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden.
Grundl gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein neues Buch heißt: „Mach mich glücklich. Wie Sie das bekommen,
was jeder haben will“ (Econ Verlag 2014, 246 Seiten, 18 Euro). Boris Grundl beweist, wie leicht und schnell das Verschieben von Verantwortung in eine
zerstörerische Sackgasse führt und die persönliche Weiterentwicklung und damit Glück verhindert.
Keine Angst vor Rückschlägen.
Jeder Sieger steht auf einem Berg
von Niederlagen.
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