Wohnungspolitische Informationen 10/2019 - page 3

BUNDESPOLITIK
„Jenseits der Frage, ob eine Enteignung der
privatwirtschaftlichen Unternehmen in Ber-
lin letztlich überhaupt verfassungsrechtlich
möglich und für den Wirtschaftsstandort
Deutschland verkraftbar wäre, macht allein
die aktuelle Kostenschätzung des Berliner
Senates deutlich, dass hier von der Initiative
eine für die Stadt fatale Handlung einge-
fordert wird:
Wenn die Entschädigungskosten sich dem-
nach zwischen 28,8 und 36 Milliarden Euro
ohne weitere Nebenkosten bewegen,
wird deutlich, welche Möglichkeiten hier
gezielt verspielt werden sollen, wenn es um
wesentlich mehr bezahlbaren Wohnraum
für Berlin geht“, erklärte
Axel Gedaschko
,
Präsident des Spitzenverbandes der Woh-
nungswirtschaft GdW. Die deutlich niedri-
geren Entschädigungszahlen, die von der
Initiative benannt werden, hält der GdW
für gezieltes Wunschdenken.
Rund 200.000 Wohnungen könnten
stattdessen gebaut werden
„Unterstellt man nun für das Volksbe-
gehren den Kostenaufwand an der unte-
ren Preisgrenze, geht es um 28,8 Milliar-
den Euro. Wenn dieses Geld nicht für alte
Bestandswohnungen, sondern für den
Neubau qualitätsvoller und den Klima-
schutzzielen entsprechender Mietwohnun-
gen ausgegeben würde, könnten auf diese
Weise etwa 167.000 Wohnungen zusätz-
lich auf den Wohnungsmarkt kommen.
Bei höheren Entschädigungszahlungen bis
zu 36 Milliarden Euro könnten entspre-
chend mehr Wohnungen entstehen – bis
zu 214.000 Einheiten. Das entspräche dem
selbst gesetzten Ziel des Senates zum Bau
von insgesamt 200.000 Wohnungen in
Berlin bis 2030. Nur durch mehr bezahlbare
Mietwohnungen wird der angespannte
Markt entlastet“, sagte Gedaschko.
Dieser Berechnung liegen folgende Annah-
men zugrunde: 2.400 Euro Baukosten pro
Quadratmeter auf landeseigenen Grund-
stücken mit durchschnittlich 70 Quadrat-
metern Wohnfläche. Das ergibt Kosten von
168.000 Euro je Wohnung.
Mehr als das Sechsfache der bisherigen
BER-Baukosten
„Die Kostenschätzung macht deutlich: Ber-
lin kann sich diesen Volksentscheid nicht
leisten. Die Kosten würden einen gesam-
ten Jahreshaushalt übersteigen und wären
mehr als das Sechsfache der bisherigen
BER-Baukosten. Das wäre ein finanzpoliti-
sches Desaster für Berlin“, warnte
Maren
Kern
, Vorstand des BBU Verband Berlin-
Brandenburgischer Wohnungsunterneh-
men. „Zu den ohnehin schon zahlreichen
erheblichen verfassungsrechtlichen Beden-
ken kommt spätestens jetzt noch ein wei-
terer hinzu: Die Missachtung der grundge-
setzlichen Schuldenbremse.“
Die Initiative „Deutsche Wohnen und Co.
enteignen“ beruft sich bei ihrem Vorha-
ben auf Artikel 15 des Grundgesetzes.
Dieser besagt, dass „Grund und Boden,
Naturschätze und Produktionsmittel“ zum
Zwecke der Vergesellschaftung durch ein
Gesetz in Gemeineigentum oder in andere
Formen der Gemeinwirtschaft überführt
werden können.
Nach Berechnungen der Initiative fallen für
eine Entschädigung der Immobilienunter-
nehmen angeblich nur Kosten zwischen
7,3 Milliarden Euro und 13,7 Milliarden
Euro an.
(ged/schi)
Wohngeld nachhaltig stärken –
GdW fordert bei Verbändeanhörung echte Dynamisierungsregelung
Berlin – „Das Wohngeld kann nur dann seinen Zweck erfüllen, angemessenes und familiengerechtes Wohnen wirtschaft-
lich zu sichern, wenn es in festgelegten und eng getakteten Zeitabständen an die Miet- und Einkommensentwicklung
angepasst wird. Der aktuelle Reformentwurf berücksichtigt das nicht ausreichend und kann daher nur als halbherzig
bezeichnet werden.“ Das erklärte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW,
anlässlich einer Verbändeanhörung zur Wohngeldreform im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.
Die Wohnungswirtschaft begrüßt dabei
ausdrücklich, dass das Wohngeld im
Zuge der Stärkung dieses wichtigen Inst-
ruments bereits einmalig 2020 angepasst
wird – und damit in einem kürzeren Zeit-
abstand, als dies in der Vergangenheit der
Fall war. Dennoch: „Mit dem aktuellen
Reformentwurf wird das Wohngeld nicht
nachhaltig gestärkt“, kritisierte der GdW-
Chef. Zwar profitieren von der geplan-
ten Wohngelderhöhung rund 660.000
Haushalte – davon 180.000 Haushalte,
die durch die Reform erstmals oder wie-
der einen Wohngeldanspruch erhalten.
Allerdings wird die Anzahl der Wohn-
geldempfängerhaushalte bis 2022 auf
rund 600.000 Haushalte absinken. „Für
eine echte und dauerhafte Stärkung des
Wohngeldes braucht die Gesetzesreform
eine konkrete Dynamisierungsregelung“,
forderte Gedaschko.
Ziel müsse es sein, den sogenannten „Dreh-
türeffekt“ zu vermeiden – also das Hin- und
Herwechseln von Leistungsberechtigten
zwischen der jährlich angepassten Sozial-
hilfe und Grundsicherung für Arbeitssu-
chende und dem bislang nicht regelmä-
ßig angepassten Wohngeld. Ohne eine
Dynamisierung, wie sie im Rahmen des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)
für die Kosten der Unterkunft vorgesehen
ist, werden gerade diejenigen benachtei-
ligt, die nicht dauerhaft, sondern befristet
beschäftigt sind und an der „Schnittstelle“
zwischen Wohngeld und SGB II über ein
schwankendes Einkommen verfügen. Ins-
besondere diese Haushalte wechseln zwi-
schen Wohngeld und SGB II-Bezug und
verursachen ungewollt einen erhöhten Ver-
waltungsaufwand. Deshalb muss konkret
angestrebt werden, wesentlich mehr Haus-
halte als bisher dauerhaft aus der Bedürf-
tigkeit nach dem SGB II herauszuholen und
so die positiven Effekte des Wohngeldes zu
nutzen. „Darüber hinaus brauchen wir beim
Wohngeld nach wie vor eine Klimakompo-
Diskussionen um Enteignung von Wohnungsunternehmen in Berlin:
Finanzpolitisches Desaster wäre die Folge
Berlin – In der Hauptstadt laufen aktuell die Diskussionen um das geplante Volksbergehren zur Enteignung von Woh-
nungsunternehmen heiß. Die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ strebt an, die Häuser von Immobilienun-
ternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen zu vergesellschaften. Der Berliner Senat hat nun eine Kostenschätzung vor-
genommen, nach der sich die Entschädigungskosten zwischen 28,8 und 36 Milliarden Euro bewegen würden.
Weiter auf Seite 4
10/2019 3
1,2 4,5,6
Powered by FlippingBook