Wohnungspolitische Informationen 10/2019 - page 2

BUNDESPOLITIK
mit 1,1 bis 1,5 Millionen Wohneinheiten
nachweisen. Konkrete Zahlen dazu präsen-
tierten die TU Darmstadt und das Pestel-Ins-
titut bei der Vorstellung der Deutschland-
Studie 2019 „Wohnraum-Potenziale in
urbanen Lagen – Aufstockung und Umnut-
zung von Nicht- Wohngebäuden“ auf einer
Pressekonferenz in Berlin. Demnach ließen
sich bundesweit 560.000 Wohneinhei-
ten allein durch die Dachaufstockung von
Bürokomplexen und Verwaltungsgebäuden
erreichen. Und wo früher einmal Büros und
Behörden untergebracht waren, bieten leer-
stehende Gebäude heute ein Potenzial von
weiteren 350.000 Wohnungen.
Auch Aldi, Lidl, Penny, Rewe, Plus & Co. bie-
ten ein enormes Potenzial für neuen Wohn-
raum: Rund 400.000 zusätzliche Wohnun-
gen könnten auf den innerstädtischen
Flächen der zwanzig größten Lebensmit-
telmarkt- und Discounterketten entstehen
– ohne dabei Abstriche bei den Verkaufsflä-
chen oder Parkmöglichkeiten zu machen.
„Hier geht es um sehr attraktive Lagen in
Städten“, betonte Karsten Tichelmann. Für
diesen neuen Mix „Nahversorgung & Woh-
nen“ sei in der Regel ein anderes bauliches
Konzept erforderlich. Demzufolge sind
dann Lagerflächen und Parkplätze unter-
irdisch angeordnet und die ursprünglichen
Flächen können für den Markt-Wohn-Kom-
plex genutzt werden. Allein in Berlin bie-
ten sich 330 eingeschossige Lebensmittel-
märkte an, so die Studie. So könnten in
Berlin zwischen 20.000 und 36.000 neue
Wohnungen in attraktiven Lagen entste-
hen – und gleichzeitig das gesamte Wohn-
Umfeld verbessert werden.
Selbst City-Parkhäuser bieten Platz für
Wohnungen: Wird das oberste Parkdeck
aufgestockt, geht die Studie von mindes-
tens 20.000 zusätzlichen Wohneinheiten
bundesweit aus, alles „Wohn-Parkhäuser“
in guten Innenstadtlagen. Insgesamt kom-
men die Wissenschaftler damit auf mehr als
1,2 Millionen Wohnungen, die bundesweit
durch das „Wohnbar-Machen“ von Nicht-
Wohngebäuden entstehen könnten. Hinzu
kommen noch einmal zwischen 1,1 bis 1,5
Millionen Wohnungen, die durch die Dach-
aufstockung von vorhandenen Wohnge-
bäuden der 50er- bis 90er-Jahre möglich
wären. Das geht aus der vorhergehenden
Deutschland-Studie der TU Darmstadt und
des Pestel-Instituts hervor.
Dass es notwendig ist, diese Wohnungs-
bau-Reserven effektiv zu nutzen, liegt für
die Wissenschaftler auf der Hand: „Bundes-
weit fehlen über eine Million Wohnungen.
Allein in Berlin liegt das Defizit bei 92.000
Wohnungen“, so der Leiter des Pestel-Ins-
tituts,
Matthias Günther
. Derzeit müssten
jährlich bundesweit rund 400.000 Woh-
nungen neu gebaut werden, 18.400 davon
in Berlin. Branchen-Insider gehen allerdings
davon aus, dass im gesamten letzten Jahr
weniger als 300.000 neue Wohnungen
entstanden sind.
Um die brachliegenden Potenziale für den
Wohnungsbau zu nutzen, müssen sich die
politischen Rahmenbedingungen verän-
dern. Das fordern 16 Verbände und Organi-
sationen der Bau- und Immobilienbranche,
die die Deutschland-Studie 2019 bei der
TU Darmstadt und dem Pestel-Institut in
Auftrag gegeben haben. Notwendig seien
Weiterentwicklungen im Bau- und Pla-
nungsrecht. So müsse beispielsweise eine
Überschreitung der Geschossflächenzahl,
die häufig auf vor Jahrzehnten erlassene
Vorschriften zurückgeht, bei Dachaufsto-
ckungen zulässig sein. Auch bei Trauf- und
Firsthöhen sei Flexibilität notwendig. „Wir
brauchen weniger bürokratische Hürden
und mehr Bereitschaft zu guten, konzep-
tionellen Lösungen. Dabei wären auch
zentrale Anlaufstellen als Ansprechpartner
wichtig“, sagte
Holger Ortleb
. Der Koor-
dinator des Verbändebündnisses spricht
sich zudem dafür aus, Anforderungen wie
Stellplatzforderungen flexibel und für den
Einzelfall zu gestalten.
Aber auch finanzielle Anreize seien not-
wendig: So macht sich das Verbände-
bündnis dafür stark, die Abschreibung
von derzeit zwei Prozent bei Dachaufsto-
ckungen und der Umnutzung von Nicht-
Wohngebäuden auf einen AfA-Satz von
vier bis fünf Prozent anzuheben. Nur so
gelinge es, private Investoren verstärkt für
Aufstockungen und Umwandlungen zu
gewinnen. Für kommunale und genos-
senschaftliche Wohnungsbaugesellschaf-
ten sollte es eine Investitionszulage von
15 Prozent geben. Zudem spricht sich das
Verbändebündnis für eine verbesserte För-
derung des Mietwohnungsbaus und für
gezielte KfW-Förderprogramme aus.
(bid/schi)
Die Studie finden Sie unter
diesem Kurz-Link:
die Kurzfassung unter
die entsprechenden baupolitischen Forderungen
unter
Fortsetzung von Seite 1
„Full House“ bei der Pressekonferenz in Berlin
Integrationsgesetz: GdW begrüßt Entfristung der Wohnsitzauflage
Berlin – Ende Februar hat das Bundeskabinett beschlossen, das Integrationsgesetz und die darin enthaltene Wohnsitz-
auflage für Flüchtlinge zu entfristen. „Die Wohnungswirtschaft begrüßt das ausdrücklich“, erklärte Axel Gedaschko,
Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW.
„Die Wohnsitzauflage ist ein wichtiges inte-
grationspolitisches Instrument. Sie wird nun
in das Aufenthaltsgesetz übernommen. Das
bringt den Städten und Gemeinden, aber
auch den Wohnungsunternehmen Pla-
nungssicherheit. Diese Planungssicherheit
bezieht sich nicht allein auf die Bereitstellung
von Wohnraum, sondern auch auf die Erar-
beitung langfristiger Integrationskonzepte in
den Wohnungen und Quartieren.“ Der GdW
hatte sich bereits seit 2015 mit der Frage
wohnortzuweisender Regelungen für Flücht-
linge beschäftigt und sich in den letzten
Monaten auch bei Gesprächen im Kanzler-
amt intensiv für eine Fortsetzung der Rege-
lung eingesetzt, die sonst am 6. August 2019
ausgelaufen wäre. „Wohnortzuweisungen
führen zu einer Entlastung der Ballungs-
gebiete. Eine gleichmäßige und gerechte
Verteilung auf alle Regionen Deutschlands
stärkt die Integration von Flüchtlingen und
bietet Chancen, dem demografischen Wan-
del entgegenzutreten und einen Beitrag zur
Stärkung kleinerer Städte und Kommunen
zu leisten“, so Gedaschko. Der GdW-Chef
appellierte an die Politik, das Verfahren zügig
zum Abschluss zu bringen.
(schi)
2
10/2019
1 3,4,5,6
Powered by FlippingBook