Wohnungspolitische Informationen 26/2018 - page 5

Wohnungsbau in Hessen lahmt:
Stagnierende Baugenehmigungen und hohe Baukosten
Frankfurt am Main – Trotz der der anhaltend hohen Nachfrage nach Wohnraum in Hessen, vor allem in den Städten und
Ballungszentren, stagniert der Wohnungsbau derzeit auf niedrigem Niveau. Zu diesem deutlichen Schluss kamen die
Experten der Arbeitsgemeinschaft der Wohnungs- und Immobilienverbände Hessen (AWI-Hessen) bei der Vorstellung
ihres jährlichen Konjunkturberichts am 14. Juni 2018 in Frankfurt. Nach Angaben des Hessischen Statistischen Landesam­
tes wurde im Jahr 2017 in Hessen der Bau von insgesamt 7.307 neuen Wohngebäuden mit rund 26.000 Wohnungen ge­
nehmigt. In 2016 lag dieser Wert bei rund 25.500 genehmigten Wohnungen. Benötigt werden in Hessen jedoch jährlich
37.000 neue Wohnungen.
AUS DEN VERBÄNDEN
„Die Hochphase des Baubooms liegt
bereits hinter uns. Ursachen dafür
sind die hohen Baukosten und der
Mangel an baureifen Grundstü-
cken“, so die Vertreter der AWI.
Dies sei ein schlechtes Zeichen für
die vielen Menschen in Hessen, die
auf der Suche nach einer bezahlba-
ren Wohnung seien. Von der neuen
Landesregierung erwarte die hessi-
sche Wohnungswirtschaft daher ein
stärkeres Bekenntnis zu mehr Woh-
nungen und eine noch intensivere
Unterstützung der Kommunen bei
der Bereitstellung von Bauland.
Hohe Baukosten erschweren
den Wohnungsneubau
„Die hessischen Unternehmen möchten
Wohnungen für alle Einkommensgrup-
pen bereitstellen, werden aber derzeit
von fehlenden Grundstücken und hohen
Baukosten eingebremst“, so der Sprecher
der AWI-Hessen,
Gerald Lipka
, vom Lan-
desverband Freier Immobilien- und Woh-
nungsunternehmen Hessen / Rheinland-
Pfalz / Saarland (BFW). „Der Preisanstieg
der Baukosten in Hessen lag 2017 im
Wohnungsneubau beispielsweise mit 2,7
Prozent deutlich über der Inflationsrate
von zwei Prozent.“ Die ersten vorliegen-
den Zahlen für 2018 wiesen darauf hin,
so Lipka, dass der Aufwärtstrend bei den
Baupreisen auch in diesem Jahr weiterge-
hen und sich sogar verschärfen werde. So
lagen die Neubaupreise für Wohngebäude
im Februar 2018 um 2,8 Prozent höher als
noch im Vorjahresmonat. Weniger gesetz-
liche Vorgaben, etwa im Rahmen der Ener-
gieeinsparverordnung oder der Stellplatz-
satzungen, könnten hier für eine spürbare
Entlastung sorgen.
Zahl der Baugenehmigungen stag­
niert auf niedrigem Niveau
„26.000 genehmigte Wohnungen in Hes-
sen 2017 klingen zunächst viel. Blickt
man aber auf den bestehenden Bedarf in
Höhe von 37.000 Wohnungen, die jährlich
gebaut werden müssten, um die Nachfrage
zu decken, zeigt sich das derzeitige Prob-
lem“, so der stellvertretende AWI-Sprecher
Dr.
Axel Tausendpfund
vom Verband der
Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft
(VdW südwest). Wenn die Zahl der Bau-
genehmigungen auf einem zu niedrigen
Niveau stagniere, müsse über alternative
Formen des Bauens nachgedacht werden,
so Tausendpfund weiter. „Leider hat die
Landesregierung bei der Novelle der Hes-
sischen Bauordnung bisher die Chance
vertan, das serielle Bauen in den Gesetz-
entwurf aufzunehmen oder stärker auf
Typengenehmigungen zu setzen. Diese
zukunftsträchtigen Formen des Bauens
würden es ermöglichen, schneller als mit
herkömmlichen Methoden Wohnungen zu
errichten, und dies auch im unteren und
mittleren Preissegment.“ Neben dem Neu-
bau von Wohnungen sei es zugleich wich-
tig, den Wohnungsbestand kontinuierlich
zu sanieren. Hier erreichten die Gesamtin-
vestitionen der im VdW südwest organi-
sierten gewerblichen Wohnungsvermieter
in 2016 mit über einer Milliarde Euro einen
neuen Rekordwert.
Mietpreisanstieg setzt sich fort –
mehr Angebot schaffen
Von einer ungebrochen hohen Wohnungs-
nachfrage in Hessen konnte
Werner Mer­
kel
vom Verband der Immobilienverwalter
Hessen (VdIVH) berichten. Mit Blick auf die
Konjunkturdaten für das Jahr 2017 zeige
sich ein Anstieg der Wohnungsmieten ohne
Nebenkosten von 2,2 Prozent im Vergleich
zum Vorjahr. „Wirksamstes Mittel gegen
steigende Mieten ist die Vergrößerung des
Angebotes“, betonte Merkel. Es sei uner-
lässlich, den Wohnungsneubau sowie die
Nachverdichtung durch Aufstockungen
weiter zu forcieren und die Rahmenbedin-
gungen entsprechend zu optimieren. Die
Leerstandsquote in Hessen
tendiere weiterhin um sechs
Prozent, so Merkel. „Im
Rhein-Main-Gebiet liegt sie
deutlich darunter. Renovie-
rungen oder Umbaumaß-
nahmen werden dadurch
immer schwerer durchzu-
führen“, erklärt Merkel.
Damit diese möglich seien,
müsste die Leerstandsre-
serve bei mindestens drei
Prozent liegen. Nach einer
rückläufigen Entwicklung
im Jahr 2016 seien zudem
auch die Preise für Haus-
haltsenergie 2017 wieder
deutlich um 2,0 Prozent gestiegen.
Starker Preisanstieg bei Eigenheimen
– Stadt-Land-Gefälle wird steiler
Vor allem in den hessischen Ballungsge-
bieten wie der Rhein-Main-Region waren
2017 im Eigentumsbereich größere Preis-
steigerungen zu verzeichnen, wie Thorsten
Stock vom Verband der Immobilienbera-
ter, Makler, Verwalter und Sachverständi-
gen Region Mitte (IVD) bei der Vorstellung
des Konjunkturberichts für das Jahr 2017
mitteilte. So habe es bei den freistehen-
den Eigenheimen mit mittleremWohnwert,
also einer Fläche von circa 125 Quadratme-
tern Wohnfläche, beispielsweise in Frank-
furt eine deutliche Steigerung von 540.000
Euro auf 620.000 Euro gegeben. Auch in
Offenbach seien Eigenheime weiter sehr
gefragt. Hier stieg der Preis von 325.000
im Jahr 2016 auf 375.000 Euro in 2017.
In Nordhessen sowie den ländlichen Regi-
onen fielen die Preissteigerungen dagegen
moderat aus. Das Gefälle zwischen Stadt
und Land, so Stock, werde so stetig steiler.
Damit steige die Gefahr, dass der ländli-
che Raum zusehends an Attraktivität, Infra-
struktur und Lebensqualität verliere.
Insgesamt, erklärten die Vertreter der hessi-
schen Wohnungs- und Immobilienverbände,
sei beim Wohnungsbau und vor allem bei
den politischen Rahmenbedingungen noch
deutliches Potential vorhanden. „Die Unter-
nehmen tragen ihren Teil aktiv bei, erwarten
aber auch eine deutliche Kraftanstrengung
der Politik, die Bremsen beimWohnungsbau
endlich zu lösen.“
(mar/schi)
Gerald Lipka (BFW), Dr. Axel Tausendpfund (VdW südwest) und Thorsten
Stock (IVD) (v. l.)
Foto: FuP/Christopher Martin
26/2018 5
1,2,3,4 6,7,8
Powered by FlippingBook