Wohnungspolitische Informationen 28/2018 - page 5

ENERGIE
Studie belegt: Ein Neustart für die Energiewende ist notwendig
Berlin – „Wir brauchen eine grundlegende Neuausrichtung der Klima- und Energiepolitik“ – das forderte Maren Kern,
Vorstand beim BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. Hintergrund: Die Energiewende
bedeutet eine enorme Belastung für die Wohnungsunternehmen und ihre Mieter, ohne allerdings zu den angestrebten
Klimaschutzerfolgen zu führen. Ansatzpunkte für eine Neuausrichtung zeigt eine im Auftrag der Berlin-Brandenburgi-
schen Wohnungswirtschaft erstellte Studie auf.
Die Studie mit dem Titel „Energiewende
– Irrtümer aufbrechen, Wege aufzeigen“
basiert auf der wissenschaftlichen Auswer-
tung der Erfahrungen mit einem mehrfach
ausgezeichneten Modellquartier des Ber-
liner Wohnungsunternehmens Märkische
Scholle eG. In ihrem Mittelpunkt steht
die Frage: Was sind die Hebel, mit denen
ein klimaneutraler Gebäudebestand wirt-
schaftlich und sozial verträglich umgesetzt
werden kann? Beauftragt wurde die Stu-
die auch vor dem Hintergrund der derzeit
stattfindenden Erarbeitung des „Berli-
ner Energie- und Klimaschutzprogramms
2030“ sowie energie- und klimaschutz-
relevanten Aspekten des „Bündnisses für
Wohnen in Brandenburg“.
Die Wurzel des Problems: Fokus auf
Dämmung statt Effizienz
Als Ursachen für die – angesichts ihrer
hohen Kosten für Verbraucher – bis-
lang unbefriedigenden Ergebnisse der
Energiewende identifiziert die Studie für
den Gebäudebereich mehrere Faktoren.
Dreh- und Angelpunkt dabei: Nicht die
Reduzierung von CO
2
-Emissionen ist der
Maßstab für die Bewertung der Effizienz
vorgeschriebener Maßnahmen, sondern
die Dämmung – eigentlich eine Nebenan-
forderung – in Kombination mit der Haupt-
anforderung Primärenergiebedarf. Deshalb
werde die Wohnungswirtschaft gezwun-
gen, mit enormem Ressourcen- und Geld-
aufwand in zunehmend weniger effektive
Maßnahmen zu investieren. Zwei Beispiele:
„Viel hilft viel“ – diese Logik geht bei der
Dämmung nicht auf. Jenseits der Sicher-
stellung der Behaglichkeit und einer kon-
zeptionell notwendigen Energieeinsparung
führt jeder weitere Zentimeter Material-
aufwand nur noch zu einer exponentiell
abnehmenden Einsparung beim Heizwä-
rmebedarf, während der Kosten-, Res-
sourcen- und Primärenergieaufwand des
Materials linear zunimmt. Die Folge sind
weiter steigende Baukosten bei allenfalls
noch minimalen Einsparergebnissen. Trotz-
dem ist die Dämmdicke nach wie vor die
wesentliche Stellgröße innerhalb der deut-
schen Fördersystematik.
Für die deutsche Energiewende ist das Ein-
zelgebäude das Maß aller Dinge – obwohl
seine isolierte Betrachtung die enormen
CO
2
-Einsparhebel, die beispielsweise auch
bei der Energie- und Wärmeübertragung
oder in der Vernetzung von Gebäuden
innerhalb eines Quartiers liegen, völlig
unberücksichtigt lässt.
Energiewende 2.0: Das fordert die
Wohnungswirtschaft
Die Wohnungswirtschaft hat beim Klima-
schutz dennoch bereits viel erreicht. Dank
ihrer Investitionen von rund 20 Milliarden
Euro seit 1991 in Energiesparmaßnah-
men sind die CO
2
-Emmissionen der BBU-
Mitgliedsunternehmen heute um rund 70
Prozent niedriger als 1991 – das entspricht
einer jährlichen Entlastung um rund 3,1
Millionen Tonnen. Neben mehr Klimaschutz
sind dabei auch die Wohnkostenentwick-
lung sowie langfristige Ressourcen- und
Energieversorgungssicherheit ausschlagge-
bende Aspekte. Für die dazu notwendige
Neuausrichtung der Energiewende wären
drei Eckpunkte wichtig:
CO
2
-Einsparung als Effizienzmaßstab
Fokussierung auf Ergebnisse statt auf Ins-
trumente: Statt Energiekennwerte sollten
deshalb CO
2
-Emissionen zu wesentlichen
Zielwerten der Energiewende in der Woh-
nungswirtschaft gemacht werden. Maß-
stab sowohl in den gesetzlichen Grund-
lagen der Energiewende als auch für die
gesamte Fördersystematik muss sein, wie
viel CO
2
durch die jeweiligen Maßnah-
men eingespart wird. Dabei müssen auch
Lebenszyklus- und Nachhaltigkeitsbetrach-
tungen eine zentrale Rolle spielen. Wich-
tig ist dabei auch die Berücksichtigung der
Gesamteffizienz – also Maßnahmen im
Quartier statt nur an Einzelgebäuden.
Technologieoffenheit – Wettbewerb
um die jeweils beste Lösung
Um die Energiewende effektiv und bezahl-
bar zu machen, muss bei jedem Neubau-
oder Modernisierungsprojekt der Wettbe-
werb um die jeweils beste Lösung möglich
sein. Auch hier muss gelten: Erster Maß-
stab zur Bewertung des Nutzens und der
Förderfähigkeit von Maßnahmen ist die
Menge des damit langfristig eingesparten
CO
2
.
Fokus Erneuerbare Energien
Die direkt am Gebäude „gratis“ zur Ver-
fügung stehende Umweltenergie – zum
Beispiel in Form von Sonne, Erdwärme,
Umweltwärme, Abwärme oder Wind – ist
immens. Sie ist ein wesentlicher Schlüssel
sowohl zum Gelingen der Energiewende
als auch für günstige Heiz- und Energie-
kosten und muss daher noch wesentlich
stärker als bisher genutzt werden können
– auch durch Lösung der derzeit noch
bestehenden Steuerungs- und Speicher-
probleme. Darüber hinaus müsste auch
das Energiewirtschaftsrecht an die Bedürf-
nisse der Quartiere angepasst werden, um
die in der dezentralen Energieerzeugung
und -verteilung schlummernden CO
2
-Ein-
sparungspotenziale zu erschließen. Öko-
logisch und ökonomisch höchst sinnvolle
Kernbotschaften im Gebäudesektor
Quelle: eZeit Ingenieure GmbH / BBU
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