Wohnungspolitische Informationen 28/2018 - page 4

JAHRESSTATISTIK
Was kostet das Bauen in Deutschland?
Berlin – Der deutsche Wohnungsbau ist im internationalen Vergleich von hoher Qualität, aber teuer. Seit 10 Jahren
steigen die Baukosten deutlich stärker als die Baupreise und die Baupreise stärker als die allgemeinen Lebenshaltungs-
kosten. Das ist eines der Hauptergebnisse der Jahresbilanz des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft, die GdW-Präsident Axel Gedaschko am Ende Juni 2018 in Berlin präsentierte.
Allein die Bauwerkskosten sind trotz vie-
ler Bemühungen um Effizienzsteigerung
in den Jahren 2000 bis 2017 um rund 55
Prozent gestiegen. Allein die Kostensteige-
rung durch die restriktiver gewordenen Ver-
ordnungen zur Energieeinsparung (EnEV)
betrug 16 Prozent seit dem Jahr 2002. Die
Einsparungen aus verminderten Heizkosten
können dies nur zum Teil gegenfinanzie-
ren, zumal der betriebliche Aufwand für
energetisch hocheffiziente Gebäude deut-
lich ansteigt. Mit dem derzeitigen Neubau-
standard ist die Grenze der Wirtschaftlich-
keit längst erreicht. Höhere Standards wie
KfW 55 lassen sich ohne Förderung gar
nicht mehr darstellen. In der Gesamtbe-
trachtung sind kaum noch energetische
Fortschritte zu erzielen. Die Mehrkosten
gehen eins zu eins in eine höhere Miete
und Betriebskosten ein. Eine Folge ist, dass
kaum Wohnungen zu bezahlbaren Mieten
im frei finanzierten Wohnungsbau entste-
hen. Nur kaufkräftige Haushalte sind in der
Lage, die wirtschaftlich notwendigen Mie-
ten zu bezahlen beziehungsweise Eigen-
tum zu erwerben.
Rekordanstiege bei Baupreisen
Die Baupreise sind seit dem Jahr 2000
um 36 Prozent gestiegen. Auffällig hier:
Im Februar 2018 hatten die Baupreise
den höchsten Anstieg seit 10 Jahren vor-
zuweisen. Allein die Rohbauarbeiten an
Wohnbaugebäuden haben um 4,4 Pro-
zent zugelegt – darunter beispielsweise
Betonarbeiten um 5,5 Prozent und Erdar-
beiten um ganze sechs Prozent. Auch bei
den Ausbauarbeiten zeigt der Preispfeil mit
einem Plus von 3,6 Prozent deutlich nach
oben. Allein Estrich- oder Tischlerarbeiten
sind jetzt knapp vier Prozent teurer. „Diese
Preisanstiege hängen auch mit den deut-
lich spürbaren Kapazitätsengpässen im
Bereich Handwerk zusammen“, erläuterte
der GdW-Präsident. „Die Kapazitätsauslas-
tung ist insgesamt höher als im Bauboom
der Nachwendezeit“, so der GdW-Chef.
Hohe Anforderungen und Personal-
mangel verlängern Bauzeit
Ein weiteres Problem: Die Brutto-Bauzeit
von der Projektierung bis zur Baufertig-
stellung hat sich besonders im Bereich des
bezahlbaren Wohnungsneubaus deut-
lich verlängert. Das hat mehrere Gründe:
Zum einen sind die Anforderungen und
der damit verbundene Aufwand für die
Planung hoch. Zum anderen steht in den
Ämtern jedoch für eine zügige Abwicklung
zu wenig Personal zur Verfügung. Das hat
Auswirkungen: Baugenehmigungen dau-
ern viel zu lang. Je nachdem, für welches
baurechtliche Verfahren die Behörden sich
entscheiden, kann es im Bereich des bezahl-
baren Wohnraums bis zur Fertigstellung
des Bauvorhabens bis zu vier Jahre dauern.
Das liegt auch an schwierigen planungs-
rechtlichen Verfahren zur Festlegung von
Standorten, Baudichten und Nutzungen.
Aber auch die Kapazitätsengpässe schla-
gen hier zu Buche: Allein durch Neu- und
Nachverhandlungen oder Verschiebungen
des Baubeginns durch Engpässe gehen im
bezahlbaren Segment rund 16 Monate zu
viel ins Land. Auch zuweilen widerstrei-
tende Belange des Umweltschutzes kön-
nen zu Verzögerungen oder gar zum Stopp
des Vorhabens führen.
Zu wenig bebaubare Grundstücke
Flächensparender Wohnungsbau leistet seit
Jahren einen zentralen Beitrag zur Innen-
entwicklung der Städte. Innerstädtische
Grundstücke sind jedoch nur begrenzt
verfügbar, vor allem in Städten mit ange-
spannten Wohnungsmärkten. Je weniger
bebaubare Grundstücke es gibt, umso
mehr steigen die Grundstückspreise. Die
regionalen Preisspannen im mittleren Preis-
niveau sind dabei erheblich und reichen
von 2.550 Euro pro Quadratmeter in Mün-
chen bis zu 850 Euro pro Quadratmeter in
Hamburg. Kommunale Bodenvorratspoli-
tik und Baulandentwicklungspolitik werden
immer wichtiger.
Das politische Ziel, den Flächenverbrauch
auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen,
stammt aus einer Zeit, als Deutschland
schrumpfte. Es wirkt heute angesichts des
deutlichen Bevölkerungswachstums und
der auf bestimmte Stadtregionen konzen-
trierten Binnenwanderung unrealistisch.
Mehrgeschossiger Wohnungsbau in Mehr-
familienhäusern ist energieeffizienter und
spart gegenüber dem Bau von Eigenhei-
men mehr als die Hälfte der Fläche. Er kann
einen erheblichen Beitrag zur Reduzierung
der Flächenversiegelung leisten.
Die wirtschaftlich notwendige Miete vari-
iert – je nach lokalem Markt und ob Grund-
stücke vorhanden sind oder erworben wer-
den müssen – zwischen rund neun Euro
und 14 Euro pro Quadratmeter Wohn-
fläche. Sie liegt damit vielerorts fast beim
Doppelten von dem, was im Sinne des sozi-
alen Wohnungsbaus als bezahlbar gilt. Die
Miethöhe geförderter Wohnungen ist auf
etwa fünf bis 6,50 Euro pro Quadratme-
ter Wohnfläche begrenzt. In der vergange-
nen Legislaturperiode hat das Bündnis für
bezahlbares Wohnen und Bauen umfas-
sende Ergebnisse zur Baukostensenkung
veröffentlicht. Insbesondere die von der
Baukostensenkungskommission erarbei-
teten Handlungsempfehlungen müssen
nun schnell in die Umsetzung gelangen.
Die entscheidende Erkenntnis bisher aber
ist: Es gibt nicht den einen entscheidenden
Treiber der Baukosten. Baukostensenkung
muss überall und gleichzeitig ansetzen.
(burk/schi)
Die ausführliche Jahresbilanz der Wohnungs-
wirtschaft sowie einen Video-Mitschnitt der
Pressekonferenz finden Sie hier:
gdw.de/pressecenter/pressekonferenzen
Die Kapazitätsauslastung der Bauwirtschaft ist höher als im Bauboom der Nachwendezeit. Im Dia-
gramm zu sehen: Die Kapazitätsauslastung (Hochbau, Tiefbau) in Prozent sowie die Auftragsreich-
weite bei Architekten in Monaten
Quelle: DIW Berlin; Datengrundlage Konjunkturumfrage ifo Institut. ifo
KONJUNKTURPERSPEKTIVEN 5-2018.
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