WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 6/2018 - page 4

JUBILÄUM
PUBLIKATION
wi: Die zweite Hälfte der 1990er- und
die 2000er-Jahre waren angesichts
rückläufiger Bevölkerungsprognosen
für Deutschland von wenig Bautätig-
keit, Wohnungsleerstand und Abriss
geprägt. War das thematisch für Sie
und Ihre Berichterstattung eine span-
nende Zeit?
Manfred Neuhöfer:
Ja
sicher. Wir hatten bis circa
2003 noch intensiv mit
den Folgen der Wieder­
vereinigung zu „kämp-
fen“: Angleichung der
mietrechtlichen Rahmen-
bedingungen, Experten-
kommission Leerstand,
Umgang mit Altschul-
den und dem Start des
Rückbauprogramms. Die
Wohnungswirtschaft
in Westdeutschland hatte sich nach der
Abschaffung der Wohnungsgemeinnützig-
keit konsolidiert.
Auf der anderen Seite begann Ende der
1990er Jahre die Privatisierungswelle, also
der Verkauf öffentlicher und kommunaler
Wohnungsunternehmen. Ich erinnere mich
noch, dass sich ganze Rede-Passagen der
damaligen GdW-Präsidenten auf den Regi-
onalverbandstagungen quasi mantrahaft
mit ihren Warnungen vor einem Verkauf
wiederholten und die anwesenden Politiker
teilweise mit versteinerten Mienen zuhör-
ten. Heute gründen wir wieder kommunale
Wohnungsunternehmen…
Gab es in Ihrer Zeit als Chefredakteur
wohnungspolitische oder redaktio-
nelle „Highlights“?
Durchaus. Es gab einen sehr guten Draht
in die Verwaltungsspitze des damaligen
Bundesbauministeriums hinein. Wir haben
zum Beispiel Interviews zur Zukunft der
Wohnungsgenossenschaften gemacht und
die Debatte um die Eigentumsorientierung
abgebildet und nach der Interessenlage des
GdW in der Fachöffentlichkeit – soweit es
ging – gesteuert. Manchmal berichteten wir
quasi live von den Bauministerkonferenzen
der ARGEBAU, wenn es um wichtige Ent-
scheidungen ging. Insgesamt wurde die wi
deutlich politischer, was sich ja auch 1997
in der Umbenennung von „Wohnungswirt-
schaftliche“ zu „Wohnungspolitische Infor-
mationen“ konsequenterweise widerspie-
gelte. Auch die Berichterstattungen rund
um die Studie „Überforderte Nachbar-
schaften“ 1998 und den Kongress mit Bun-
despräsident Roman Herzog 1999 waren
sicherlich Highlights.
Seit 2010 hat sich der Trend in der Woh-
nungswirtschaft weitgehend umge-
kehrt – Wohnungsmangel in Groß-
städten und ein Bauboom dominieren
die Schlagzeilen, auch angesichts einer
unerwartet stark gestiegenen Zuwan-
derung. Welche Entwicklung erwarten
sie für die kommenden 10 bis 15 Jahre?
Das ist schwer vorauszu-
sagen. Als heutiger Immo-
bilienmarktforscher würde
ich sagen, dass die Risiken
für die Integrationsfä-
higkeit der heute ach so
beliebten Ballungsräume
unterschätzt
werden.
Ökonomen und Indus-
trie neigen (und neig-
ten) dazu, diese Aspekte
– weil schwer messbar –
als „externe Effekte“ zu
ignorieren oder allgemein
an Gesellschaft und Politik
zu delegieren. Wenn wir da nicht aufpas-
sen, bekommen wir aus einer Melange von
weiterer Armutszuwanderung und im Falle
eines längeren zyklischen Wirtschaftsab-
schwungs eine innerstädtische Verelendung
an einigen Standorten, wie wir sie vielleicht
zuletzt nach dem Ersten Weltkrieg erlebt
haben. Gut also, dass sich ein Verband wie
der GdW auch um soziale und integrative
Themen kümmert und weiterdenkt als in
Quartalsberichten.
70 Jahre wi – Chefredakteure im Interview
WOHNUNGSPOLITISCHE
INFORMATIONEN
Manfred Neuhöfer
wi-Chefredakteur
von 1995 bis 2010
NACHGEFRAGT
Foto: Gerrit Meier
Trends in Städten und Regionen – Mehr als ein Blick in die Glaskugel
Berlin – Städte, Gemeinden und Regionen müssen sich mit aktuellen und künftigen Entwicklungen auseinanderset-
zen, um angemessen planen zu können. Häufig tun sich Kommunen aber schwer damit, schnell auf Trends zu reagieren
– beispielsweise auf den starken Zuzug in die Großstädte. Wann ist ein Trend überhaupt ein Trend? Und wann sollten
Kommunen sich damit auseinandersetzen? Die neueste Ausgabe der Fachzeitschrift „Informationen zur Raumentwick-
lung“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) widmet sich dem Thema Trends.
In Analysen, Kommentaren und Interviews
zeigen die Autoren, wie Verantwortliche
auf unterschiedlichen Handlungsebenen
Trends erkennen und auf sie reagieren kön-
nen. Denn: Die Liste der Entwicklungen,
die Journalisten, Politiker oder Privatper-
sonen gerne und manchmal vorschnell als
Trend oder gar als Megatrend bezeichnen,
ist lang. Klar ist: Manche der Entwicklun-
gen sind kurzlebig, andere verändern die
Gesellschaft nachhaltig.
Von längerer Dauer sind drei Trends, auf
die die Autoren im Heft besonders einge-
hen: der Klimawandel, die Entwicklung
der Kommunalfinanzen und der demogra-
fische Wandel.
Experten aus dem Bundesinstitut für Bau-,
Stadt- und Raumforschung (BBSR) erklären,
wie sie Trends statistisch analysieren und
warum dieses Vorgehen so wichtig ist. Kar-
ten und Illustrationen wie die Landkarten
des Ungewissen oder die Trendmoleküle
eröffnen auch grafisch neue Perspektiven.
Interviews mit Bürgermeistern aus Bremen,
Altena, Wuppertal und Bad Liebenwerda
runden das Heftangebot ab: Welche Trends
beschäftigen sie in ihren Städten? Und wie
gehen sie mit ihnen um?
(reg/koch)
Eine Leseprobe und weitere Informationen
finden Sie hier:
4
6/2018
1,2,3 5,6
Powered by FlippingBook