WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 41/2018 - page 6

FINANZIERUNG
Finanzierung in der Immobilienwirtschaft: Keine Gefahr zu erkennen
München – Die Immobilienwirtschaft ist als kapitalintensive Branche auf stabile finanzpolitische Rahmenbedingungen
angewiesen. In der Vergangenheit war es aber insbesondere dieser Bereich, der verstärkt von Regulierung betroffen war.
Wie geht es angesichts der wohl ansteigenden Zinsen weiter? Worauf muss sich die Branche einstellen? Am Stand der
Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) bei der Expo Real in München diskutierten Experten
am Messe-Dienstag über „Finanzierungstrends“ und richteten ihren Blick auf die aktuellen Kreditbeziehungen.
Burkhard Dallosch
, Vorsitzender des ZIA-
Ausschusses Finanzierung, wies darauf hin,
dass die Stabilität der gewerblichen Immo-
bilienfinanzierung nicht in Gefahr sei:
„Eine kreditgetriebene Immobilienblase ist
ebenso wenig zu erkennen wie eine exor-
bitant steigende Kreditvergabe. Wir beob-
achten, dass der Mix an Objektarten viel-
schichtiger wird und auch die Bedeutung
von Nischensegmen-
ten zunimmt. Insge-
samt braucht Deutsch-
land mehr Bauprojekte
– sowohl im Wohn- als
auch im Gewerbeim-
mobilienbereich. Mit
klaren Finanzierungs-
mechanismen und sta-
bilen Zinsentwicklun-
gen kann dies auch
besser gelingen. Auf-
grund der zusätzlichen
regulatorischen Anfor-
derungen im Rahmen
von Basel III/CRD IV soll-
ten die Zusatzkosten
so klein wie möglich
gehalten werden. Die
Immobilienwirtschaft
ist auf ein langfristig
stabiles Finanzierungs-
umfeld angewiesen,
um Investitionen plan-
bar zu gestalten.”
Auch
Ingeborg Esser
, Hauptgeschäftsfüh-
rerin des Spitzenverbandes der Wohnungs-
wirtschaft GdW, betonte die grundsätzlich
stabilen wirtschaftlichen Rahmenbedin-
gungen. „Das derzeitige positive makro-
ökonomische Umfeld in Deutschland sowie
die weiterhin expansive monetäre Geldpo-
litik der EZB führen dazu, dass die Finan-
zierungsbedingungen für die Wohnungs-
wirtschaft sehr attraktiv sind. Und auch die
neuen regulatorischen Rahmenbedingun-
gen durch Basel IV werden aus Sicht der
Wohnungswirtschaft zukünftig zu keinen
Verschlechterungen bei der Risikoeinschät-
zung führen. Dies ist für die Branche ein
wichtiger interessenpolitischer Erfolg, da
die Banken auch zukünftig der wichtigste
Partner für langfristige Finanzierungen von
Wohnungsbauinvestitionen sein werden.
Probleme könnten sich aber für unbesi-
cherte Unternehmensfinanzierungen durch
die Auswirkungen der geplanten Verschär-
fungen der Mietpreisbremse auf die Unter-
nehmenswerte ergeben.“
Angesprochen auf aktuelle Trends sah
Frank M. Mühlbauer
, Vorstandsvorsitzen-
der der DZ HYP AG, keine großen Neuigkei-
ten. „Für die Immobilienfinanzierung des
Jahres 2019 sehe ich keine überraschend
neuen Trends auf uns zukommen. Die
Nachfrage wird bei gleichbleibenden Rah-
menbedingungen stabil hoch bleiben, nicht
nur in den Ballungszentren. Marktregulato-
rische Themen wie etwa die jüngst neu dis-
kutierte Mietpreisbremse haben natürlich
Implikationen auf den Wohnungsmarkt.
Aber ob und wieweit weitere kumulative
Effekte eintreten werden, das hängt von
vielen verschiedenen Faktoren ab. Auch in
Zukunft wird es für uns von entscheiden-
der Bedeutung sein, sehr differenziert auf
die unterschiedlichen Marktgegebenheiten
einzugehen. Insgesamt werden wir auch
unter unserer neuen Flagge DZ HYP für
hohe Kontinuität in der Finanzierung von
Neubau- und Modernisierungsmaßnahmen
stehen.“
Karsten Vaelske
, Mitglied des Vorstands
der DR. KLEIN Firmenkunden AG, kom-
mentierte den Plan der EZB, dass Anlei-
henankaufsprogramm schrittweise bis
zum Jahresende 2018 zu beenden: „Dieser
Ausstieg zeigt bereits seine Wirkung - die
langfristigen Zinsen ziehen behutsam nach
oben. Für die eher in langfristige Finanzie-
rungen orientierte Immobilienwirtschaft
bedeutet das: Kurzfristige Finanzierungen,
auch Zwischenfinanzierungen, bleiben wei-
ter sehr günstig. Da weiterhin Anlagedruck
bei den Banken besteht, ist der Preiswett-
bewerb der Kreditanbieter intakt. Langfris-
tige Darlehen mit Zinsbindung von 10 bis
zu 30 Jahren werden sich sukzessive wei-
ter verteuern. Ein Blick auf die anstehen-
den Investitionen in Neubau und Moder-
nisierung neben einem
Blick in die Bücher,
welche Darlehen in
den kommenden Jah-
ren aus der Sollzins-
bindung laufen, sind
daher wichtig. Beson-
ders bei bestands­
haltenden Immobilien-
unternehmen ist eine
langfristige Refinan-
zierung von Neubaufi-
nanzierungen lohnend,
da Wertschwankungen
in der Immobilie oder
zwischenzeitliche Zins-
hochs auf der Fremd-
kapitalseite eliminiert
werden können. Anbie-
ter aus der Versiche-
rungswirtschaft bieten
Darlehen mit langen
Sollzinsbindungen von
20 Jahren und mehr an,
um einen etwas höhe-
ren Anlagezins für die
Versicherungsgelder zu erwirtschaften.
Auch einige Banken haben sich auf lang-
fristige Angebote spezialisiert. Vergleichen
lohnt.“
Angesichts des aktuell noch niedrigen
Zinsniveaus riet
Thomas Jebsen
, Mit-
glied des Vorstandes der DKB, dazu, nicht
allzu lange mit Investitionen zu warten.
„Mit 20 Milliarden Euro Kreditvolumen
in der kommunalen und privaten Woh-
nungswirtschaft und mehr als 170 Spezi-
alisten im gesamten Bundesgebiet ist die
Deutsche Kreditbank einer der führenden
Finanzierer der Branche in Deutschland.
Wir beobachten weiterhin hohe Aktivi-
tät bei den klassischen Neubau-, Sanie-
rungs- und Bestandsfinanzierungen.
Immer mehr Marktteilnehmer fokussie-
ren auf Projekte im Bereich Mikrowoh-
nen. Aktuell raten wir unseren Kunden,
Investitionen zeitnah anzugehen, denn
noch ist das Zinsniveau niedrig und die
Kreditparameter sind günstig.“
(hen/schi)
Foto: Büro Roman Lorenz
Karsten Vaelske (Dr. Klein), Frank M. Mühlbauer (DZ HYP AG), Ingeborg Esser (GdW), Burk-
hard Dallosch (Deka), Thomas Jebsen (DKB) und Moderator Gero Gosslar (ZIA) (v. l.)
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