WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 41/2018 - page 4

Bauen beschleunigen, Kosten senken – aber wie?
München – Die Wohnungsmärkte in Deutschlands Großstädten und Ballungsregionen sind angespannt. Die Immobilien­
wirtschaft steht bereit, doch durch langwierige Baugenehmigungsprozesse verzögern sich Planungen, was sich wiede-
rum preissteigernd auf Mieten und Kaufpreise auswirkt. Die Politik diskutiert über die soziale Frage unserer Zeit – doch
wie ist bezahlbares Wohnen und Bauen möglich? Welche Instrumente braucht es, um die angespannten Immobilien-
märkte zu entlasten? Über „Planungsbeschleunigung und Baukostensenkung“ diskutierten am 9. Oktober 2018 Experten
am Stand der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) auf der Expo Real.
„Alles was den Bau von Wohnungen ver-
langsamt, muss auf den Prüfstand“, so
Sun Jensch
, Bundesgeschäftsführerin
des Immobilienverbands IVD. „Ein Bei-
spiel: Alleine 1,5 Millionen zusätzliche
Wohnungen im innerstädtischen Bereich
wären möglich, wenn man den Dachge-
schossausbau und Nachverdichtungen
erleichtern würde. Hier könnte der Bund
mit einer steuerlichen Förderung die Ent-
scheidung von Eigentümern und Inves-
toren unterstützen. Die Einführung einer
Sonderabschreibung für den Dachge-
schossausbau nach § 14 a Absatz 5 würde
hier sicher gute Wirkung zeigen.“
Hilmar von Lojewski
, Beigeordneter des
Deutschen Städtetages und des Städteta-
ges Nordrhein-Westfalen für Stadtentwick-
lung, Bauen, Wohnen und Verkehr, machte
unter anderem auch auf die europarecht-
lichen Vorgaben aufmerksam: „Neben der
Flächenknappheit verursachen aufwändige
Verfahrensanforderungen mit langen Lauf-
zeiten einen zusätzlichen Engpass bei der
Schaffung von Planungs- und Baurecht. Die
zunehmend aus der europäischen Recht-
setzung und Rechtsprechung stammen-
den und in der Bauleitplanung zu berück-
sichtigenden Anforderungen sind von den
Städten und Gemeinden nur noch mit
großem personellem Aufwand und viel-
fach unter Heranziehung externer Gut-
achter zu bewältigen. Hinzu kommt, dass
die Vielzahl von Anforderungen auch ein
breites Feld für die Angreifbarkeit von Plan-
werken bietet und damit auch die Rechts-
unsicherheit erhöht wird. Hier sind Bund
und Länder – jeweils in ihren Zuständig-
keitsbereichen – gefordert, Verfahrens-
erleichterungen umzusetzen. Auch muss
der Bund bereits auf europäischer Ebene
dafür Sorge tragen, dass die Kommunen
bei ihrer Aufgabenwahrnehmung nicht
mit kosten- und zeitaufwändigen Verfah-
rensregelungen belastet werden“.
Kruno
Crepulja
, stellvertretender Vorsitzender
des ZIA-Ausschusses Wohnen, lenkte den
Blick auch auf die notwendige Mobilisie-
rung von Bauland und überregulierende
Vorschriften in anderen Bereichen: „Das
Bauen hat sich in den vergangenen Jahren
erheblich verteuert. Dies ist mit ein Grund
für die aktuell angespannten Immobilien-
märkte in vielen Großstädten und Ballungs-
regionen Deutschlands. Sei es die Grund-
erwerbsteuer-Rallye der Bundesländer, die
Verschärfung des Energieeinsparrechts oder
die Überregulierung im Mietrecht. Die Poli-
tik scheint das Ziel des bezahlbaren Woh-
nens und Bauens an manchen Stellen aus
den Augen verloren zu haben. Was wir jetzt
brauchen, ist ein Umdenken in der Politik:
Weniger Regulierung und schnellere Pla-
nungs- und Baugenehmigungsverfahren.
Ein Kernthema ist hierbei, dass dringend
zusätzliches Bauland in den Städten benö-
tigt wird – eine der wichtigsten Vorausset-
zungen für weiteren Neubau. Eine stärkere
Subjektförderung bei Bestandswohnungen
würde zudem einen entscheidenden Beitrag
für bezahlbares Wohnen leisten.“
Das geplante Planungs- und Baubeschleu-
nigungsgesetz kann laut
Axel Gedaschko
,
Präsident des Spitzenverbandes der Woh-
nungswirtschaft GdW, dabei helfen, die
aktuellen Rahmenbedingungen zu verbes-
sern: „Vor dem Hintergrund, dass 400.000
Wohnungen pro Jahr geschaffen werden
müssen, brauchen wir ein beschleunigtes
Gesetzgebungsverfahren. Deshalb begrü-
ßen wir ausdrücklich den Willen, ein Pla-
nungs- und Baubeschleunigungsgesetz zu
verabschieden. Dazu gehört neben pla-
nungsrechtlichen Erleichterungen auch eine
europarechtskonforme Beschleunigung der
Vergabeverfahren. Es müssen Regelungen
eingeführt werden, die bundesweit gültige,
einheitliche bauliche Zulassungen von mehr-
geschossigen Mehrfamilienhaustypen bezie-
hungsweise Systembauten ermöglichen. Ein
wichtiger Schritt hierfür ist die Vereinheit-
lichung brandschutztechnischer Vorgaben
an Gebäuden. Viele innovative Entwick-
lungen scheitern an formalen tradierten
Vorgaben. Es bedarf zukünftig einer Stär-
kung der Möglichkeiten für experimentellen
Wohnungsbau, zum Beispiel im modularen
Bauen. Hierfür sollten Experimentierklauseln
im Baurecht geschaffen werden. Nach aktu-
ellen Untersuchungen dauert der Bau eines
Mehrfamilienhauses von der Projektierung
bis zur Baufertigstellung rund vier Jahre.”
Dirk Salewski
, Vorstandsmitglied beim
Bundesverband Freier Immobilien- und
Wohnungsunternehmen (BFW), verwies
auf die Branchen-Vorschläge, die das Bauen
beschleunigen würden: Bauen muss wieder
schneller, günstiger und einfacher werden
– nur so wird Wohnen wieder günstiger.
Der BFW hat hierzu im Bundesbauminis-
terium zahlreiche Vorschläge eingereicht,
wie der Neubau von dringend benötigtem
Wohnraum angekurbelt und beschleunigt
werden kann. Wir brauchen Fristen und
straffere Verfahren bei der Bebauungspla-
nerstellung, verbindliche Leitlinien für städ-
tebauliche Verträge und die Förderung von
Infrastrukturmaßnahmen, damit neue Bau-
gebiete erschlossen werden können. Die
größten Brocken müssen jetzt schnellstens
angepackt werden!“
Matthias Kock
, Hamburger Staatsrat für
Stadtentwicklung und Wohnen, zeigte am
Beispiel der Hansestadt auf, wie die Pra-
xis aussehen könnte: „Planungsbeschleu-
nigung und Baukostensenkung zählen
zu den wichtigen Zielen des Hamburger
Senats, um bezahlbaren Wohnraum zu
ermöglichen. Dazu dienen unter anderem
unsere innovativen Ansätze wie Typenge-
nehmigungen und Hamburgs bundesweit
beachteten Pilotprojekte zum Acht-Euro-
Wohnungsbau. Wir setzen uns außerdem
dafür ein, dass Planrecht schneller als bis-
lang geschaffen werden kann. Das wollen
wir durch effizientere Verfahren erreichen.
Zentrale Verfahrensschritte, wie die Betei-
ligung von Bürgerinnen und Bürger sowie
von Verbänden oder die planerische Abwä-
gung, bleiben unangetastet.“
(hen/schi)
BUNDESPOLITIK
Matthias Kock (Hamburg), Moderatorin Ulrike Silberberg (DW), Sun Jensch (IVD), Axel Gedaschko
(GdW), Dirk Salewski (BFW), Dr. Jan Heinisch (NRW), Himar von Lojewski (Städtetag), Bernhard
Daldrup (SPD) und Kruno Crepulja (Instone/ZIA) (v. l.)
Foto: Büro Roman Lorenz
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