Wohnungspolitische Informationen 51/52 2017 - page 3

EUROPAPOLITIK
AUS DEN VERBÄNDEN
Wohnungswirtschaft in Europa:
Lage auf vielen Wohnungsmärkten angespannt
Brüssel – Der Europäische Verband der öffentlichen, genossenschaftlichen und sozialen Wohnungswirtschaft – Housing
Europe – hat mit der Studie „The State of Housing in the EU 2017“ einen detaillierten Bericht über die Lage der Woh-
nungswirtschaft in der Europäischen Union (EU) vorgelegt. Die Veröffentlichung stellt den einzigen ausführlichen Über-
blick zur Wohnsituation in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten dar. Die zentralen Ergebnisse der Studie zeichnen ein
teilweise beunruhigendes Bild über die Lage der europäischen Wohnungsmärkte.
Obwohl sich in
Europa eine Rück­
kehr des ökono­
mischen Wachs­
tums bemerkbar
macht, bleibt die
Wohnsituation in
den meisten Mit­
gliedstaaten gene­
rell kritisch. Für
Europäer stellen
die Wohnkosten die höchsten Ausgaben
dar und die Überlastungsquote bleibt
auf hohem Niveau, was die Ärmsten der
Gesellschaft überproportional belastet. Die
Hauspreise steigen schneller als das Ein­
kommen, wodurch sich Ungleichheit und
Wohnungslosigkeit gegenseitig verstärken.
Geringer Wohnungsbau führt vor allem in
Großstädten zu einem strukturellen Woh­
nungsmangel, der durch die jüngsten Mig­
rationszuwächse verstärkt wurde.
Unzureichendes politisches Handeln ange­
sichts der großen Herausforderungen der
Wohnungssituation in Europa spiegelt sich
laut dem Bericht auch in der steigenden
Anzahl der Obdachlosen in der EU wider.
Nur die sehr stark von der Wohnungskrise
betroffenen Städte versuchten, angemes­
sene Lösungsansätze zu finden. So ist trotz
des europaweiten Mangels an bezahlba­
rem Wohnraum der Bau von sozialem und
bezahlbarem Wohnraum in den EU-Mit­
gliedstaaten zurückgegangen. Während die
Subjektförderung für sozialen und bezahl­
baren Wohnraum im Durchschnitt der EU in
2009 noch bei circa 53 Prozent lag, beträgt
dieser im europäischen Durchschnitt aktu­
ell 75 Prozent. Dies stellt im Umkehrschluss
einen europaweiten Rückgang der Objekt­
förderung für sozialen und bezahlba­
ren Wohnraum und damit ein geringeres
Wohnangebot dar.
(öne/koch/schi)
Den Bericht sowie umfassende weitere Infos
in englischer Sprache finden Sie unter diesem
Kurz-Link:
Norddeutsche Wohnungswirtschaft setzt sich für geförderten Wohnungsbau
in Stadt und Land ein – Bauminister zeigt sich flexibel
Hamburg – Die norddeutsche Wohnungswirtschaft und das für den Wohnungsbau zuständige Innenministerium Schles-
wig-Holsteins planen, verstärkt diejenigen Kommunen zu unterstützen, die bezahlbaren Wohnraum schaffen wollen.
„Dort, wo ernsthaft der Wille besteht, auch
kleinere Wohnungsbauprojekte umzuset­
zen, werden die Mitgliedsunternehmen
des Verbandes norddeutscher Wohnungs­
unternehmen (VNW) zusammen mit dem
Innenministerium prüfen, wie bezahlbare
Wohnungen geschaffen werden können“,
sagte
Andreas Breitner
, Verbandsdirektor
des VNW nach einem Gespräch mit Schles­
wig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim
Grote (CDU).
„Das betrifft auch Projekte, die auf den
ersten Blick ungeeignet und nicht wirt­
schaftlich erscheinen. Eine derartige Expe­
rimentierklausel hilft, dass kein bezahl­
barer Wohnungsbau auf der Strecke
bleibt. Die Wohnungsgenossenschaften
und kommunalen Gesellschaften wollen
bauen, sollen bauen und müssen bauen.
Allerdings gilt auch für uns das Gebot
der Wirtschaftlichkeit. Notwendig ist es
nun, jene Kommunen zu unterstützen, die
bauen wollen.“
Innen- und Bauminister
Hans-Joachim
Grote
betonte das Angebot des Landes,
interessierte Kommunen und auch die
Wohnungswirtschaft bei der Schaffung
bezahlbaren Wohnraums zu unterstützen:
„Unser aktuelles Wohnraumförderungs­
programm stellt mit einem Fördervolumen
von 760 Millionen Euro das größte jemals
in Schleswig-Holstein aufgelegte Programm
dieser Art dar. Klar ist aber auch, dass dies
ein Angebot ist. Die Initiative für den Bau
von Wohnraum muss aus den Städten und
Gemeinden selbst kommen.“
„Typengenehmigungen und standardisierte
Genehmigungsverfahren für Wohnge­
bäude wären ein gutes Mittel, um die Ver­
fahrensdauer zu reduzieren und schneller
reagieren zu können. Gegebenenfalls lie­
ßen sich dadurch auch die deutlich gestie­
genen Baukosten senken“, sagte
Marcel
Sonntag
, Vorstandschef der Neue Lübe­
cker Norddeutsche Baugenossenschaft eG.
„Dabei geht es uns vor allem darum, bei
der Entwicklung von Wohnprojekten Zeit
zu sparen. Wir bauen oft schon standardi­
siert, müssen aber in jeder Kommune das
Wohngebäude neu genehmigen lassen.
Das kostet Zeit und Geld.“
„Eine Zusammenarbeit von kleineren Kom­
munen beispielsweise durch eine gemein­
same Planung von Wohnprojekten und der
notwendigen sozialen Infrastruktur sind für
die Schaffung bezahlbarer Wohnungen
unverzichtbar", ergänzte VNW-Direktor
Andreas Breitner. „Manchmal ist ein einzel­
nes Wohnprojekt zu klein und wirtschaft­
lich nicht umsetzbar. Tun sich aber meh­
rere Kommunen zusammen, kann das ganz
anders aussehen. Vor allem kleine Kommu­
nen müssen mehr als bisher im regionalen
Zusammenhang denken und nicht zu sehr
auf den eigenen Kirchturm schauen.“
Sonntag verwies auf Erfahrungen von
VNW-Unternehmen, durch die der Bau
bezahlbarer Wohnungen erschwert wird.
„Oftmals dauern die Bauverfahren zu
lange, es gibt kaum Grundstücke, und die
Neigung, geförderten Wohnungsbau in der
eigenen Kommune umzusetzen, ist unter­
schiedlich ausgeprägt. Manchmal fehlt
auch das entsprechende Personal.“
Einig waren sich VNW-Direktor Breitner
und Minister Grote darin, die Förderung
des bezahlbaren Wohnungsbaus zu verste­
tigen. In diesem Jahr wurden dem Minis­
terium zufolge durch eine entsprechende
Förderung bereits rund 1.600 Wohnungen
errichtet.
(schir/koch)
Quelle: Housing Europe
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