WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 1/2017 - page 4

BUNDESPOLITIK
400.000 Einheiten pro Jahr insbesondere
in Großstädten könne nicht allein durch
die öffentliche Hand realisiert werden,
auch private Investoren seien hier gefor-
dert. Voraussetzung sind die Bereitstellung
von Bauland, die Novelle des Baugesetzbu-
ches oder auch steuerlichen Anreize, um
neue Akteure für den Wohnungsneubau zu
gewinnen. Gewerbliche Unternehmen und
Industrie seien hier besonders gefragt. Sie
könnten Mitarbeiterwohnungen schaffen
und dadurch auch dem Fachkräftemangel
an strukturell schwachen Standorten ent-
gegenwirken. Das klare Ziel müsse dabei
„bauen statt kaufen“ sein – denn nur
durch neu realisierte Wohneinheiten leis-
ten die Unternehmen auch einen Beitrag
zur Entlastung angespannter Wohnungs-
märkte.
Arnt von Bodelschwingh
, Chef der
RegioKontext GmbH, präsentierte die
Ergebnisse der von seinem Institut im Auf-
trag der Aktion „Impulse für den Woh-
nungsbau“ erstellten Studie „Wirtschaft
macht Wohnen“. Der klassische Werks-
wohnungsbau hat in seiner Hochzeit mit
circa 450.000 Wohnungen zur Entlastung
der Wohnungsmärkte und zur Sicherung
bezahlbaren Wohnraums beigetragen.
Wohnungen anbieten zu können, entwi-
ckele sich in jüngster Zeit für Arbeitgeber
zu einem Standortvorteil im Wettbewerb
um Fachkräfte und sorge – im Gegensatz
zu Lohnzulagen – für eine Entlastung des
Wohnungsmarktes. Es gibt verschiedene
Möglichkeiten, Mitarbeiter mit Wohnraum
zu versorgen. Alle haben jedoch folgende
Vorteile gemeinsam: Die Beschäftigten
bekommen bezahlbaren, sicheren Wohn-
raum; die gewerblichen Unternehmen
können Fachkräfte gewinnen und binden;
und in den Kommunen entsteht bezahlba-
rer Wohnraum. Dabei unterscheidet von
Bodelschwingh drei Modelle: die Orga-
nisation von Mitarbeiterwohnungen, die
Aktivierung von Baulandreserven sowie die
Schaffung von geeigneten Wohnangebo-
ten durch Partnerschaften. Die Fallbeispiele
der Studie zeigen, dass Mitarbeiterwohnen
zu verträglichen Mieten realisierbar ist.
Zusätzlicher Neubau im Sinne von „Wirt-
schaft macht Wohnen“ kann dabei einen
wichtigen Beitrag zur Entlastung ange-
spannter Wohnungsmärkte leisten.
GdW-Präsident
Axel Gedaschko
wies in
seinem Statement darauf hin, dass wir eine
breite Akteursstruktur brauchen, um das
Wohnungsneubaugeschehen in Deutsch-
land anzukurbeln. Der Zusammenarbeit
mit wohnungswirtschaftlichen Partnerun-
ternehmen komme in diesem Kontext eine
wichtige Rolle zu. Allerdings sehen sich
Unternehmen, die sich im Bereich des Mit-
arbeiterwohnens engagieren wollen, den
gleichen Problemen gegenüber, wie die
anderen Akteure am Markt: zu wenig Flä-
chen und zu hohe Baukosten. Gedaschko
forderte daher ergänzend zu den Instru-
menten der Wohnraumförderung spezifi-
sche Instrumente der Förderung. So könnte
beispielsweise mit einem Steuerfreibetrag
von 100 bis 150 Euro pro Mitarbeiter und
Monat der Mitarbeiterwohnungsbau poli-
tisch unterstützt werden.
Praxisbeispiele aus München, Wolfs-
burg und Sylt
Spannende Praxisbeispiele zum Thema
Mitarbeiterwohnen kamen aus München,
Wolfsburg und Sylt.
Peter Kadereit
, Lei-
ter Corporate Real Estate der Stadtwerke
München GmbH, zeigte auf, wie in der
bayerischen Landeshauptstadt Mitarbei-
terwohnungen erstellt werden. Im Sinne
der Mitarbeitersicherung und -gewinnung
soll der Bestand an Wohnungen für die
eigene Belegschaft bei den Stadtwerken
München in den nächsten fünf Jahren ver-
doppelt werden. Der Neubau richtet sich an
verschiedene Zielgruppen und soll preislich
sozial und marktgerecht realisiert werden.
Die Mietpreise liegen unter der aktuellen
Marktmiete und orientieren sich am Miet-
spiegel.
Ulrich Sörgel
, Leiter Wohnimmobilien der
Volkswagen Immobilien GmbH, erläuterte,
dass es trotz einer langen Geschichte des
Werkswohnungsbaus im Unternehmen
erst 2012 erneut zu der Entscheidung kam,
wieder in den Wohnungsneubau zu inves-
tieren. Die neuen Angebote richten sich an
verschiedene Zielgruppen in Abhängigkeit
von der Fristigkeit der Wohndauer – von
möblierten Zimmern bis hin zu klassischen
Mietwohnungen.
Die GEWOBA Nord Baugenossenschaft
e.G. lieferte ein Praxisbeispiel dafür, wie
geeignete Wohnangebote durch Part-
nerschaft realisiert werden können.
Dirk
Schmidt
, Abteilungsleiter Bestandsma-
nagement der Region Nord, erläuterte
die besondere Wohnungssituation auf
Sylt. Dort sind durch die hohe touristische
Attraktivität die Preise für Wohnungen
sehr hoch. Es bestehen Nutzungskonflikte
zwischen der Tourismusbranche und der
Inselbevölkerung. Entsprechend sei auch
der Wohnraum für Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der Betriebe auf der Insel sehr
knapp. Beim Neubau eines Hotels wurden
nun Personalwohnungen in Kooperation
zwischen Hotel und der Genossenschaft
realisiert. Einen wichtigen Anstoß hierfür
gab die Kommune, die als Auflage für die
Baugenehmigung den Nachweis von Per-
sonalwohnungen ansetzte. Die entstan-
denen Wohnungen umfassen sowohl den
freifinanzierten Bereich als auch öffentlich
geförderte Wohnungen und werden vom
Hotel an die Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter vermietet.
Lukas Siebenkotten
, Bundesdirektor des
Deutschen Mieterbundes, fasste die Ergeb-
nisse zusammen. Das zunächst unschein-
bare Thema „Wirtschaft macht Wohnen“
treffe mittlerweile auf ein breites Interesse.
Das liege auch daran, dass es in verschie-
denen Konstellationen und Größenordnun-
gen denkbar sei. Die Praxisbeispiele zeigen,
dass es noch viele Detailfragen gebe, die
ausgearbeitet werden können. Ebenso
sollte das Thema politische Unterstützung
finden. Ziel für die gewerbliche Wirtschaft
müsse dabei sein, neuen Wohnraum zu
schaffen und nicht bestehende Wohnun-
gen zu erwerben.
(burk)
Fortsetzung von Seite 3
GdW-Präsident Axel Gedaschko
Gunther Adler, Staatssekretär im Bundesbau-
ministerium, lobte die gute Kooperation mit
der Wohnungswirtschaft.
Arnt von Bodelschwingh, Chef der RegioKon-
text GmbH, präsentierte die Ergebnisse der
Studie „Wirtschaft macht Wohnen“.
Fotos: Tina Merkau
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