WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 14/2017 - page 2

BUNDESPOLITIK
Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenver-
bandes der Wohnungswirtschaft GdW.
400.000 Wohnungen sind bis zum Jahr
2020 jährlich erforderlich, um den Man-
gel gerade an bezahlbarem Wohnraum in
den Großstädten zu beheben. Deshalb ist
es zentral, dass die gesetzlichen Rahmen-
bedingungen sowohl für die Innenentwick-
lung als auch für die Entwicklung neuer
Siedlungsareale in den äußeren Bereichen
verbessert werden. Die Wohnungswirt-
schaft hat die Schaffung der neuen Bauge-
bietskategorie der „Urbanen Gebiete“ aus-
drücklich unterstützt. Sie ermöglichen ein
pulsierendes Nebeneinander von Wohnen
und Gewerbe. Ein überwiegender Wohn-
anteil, für den sich der GdW eingesetzt
hatte, ist zulässig und notwendig, um die
weiter steigende Nachfrage nach Wohn-
raum zu bewältigen.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobili-
enwirtschaft Deutschland (BID) begrüßte
die BauGB-Novelle ebenfalls als einen Bei-
trag zur Schaffung bezahlbaren Wohn-
raums durch Nachverdichtung.
Um den Gewerbebetrieb nicht aus den
Innenstädten zu verdrängen, darf es im
Urbanen Gebiet etwas lauter zugehen als
im Mischgebiet: Die gewerblichen Lärm-
immissionswerte dürfen am Tag um drei
Dezibel (dB) höher sein und damit bei
63 dB liegen. In der Nacht sollen dage-
gen nach Vorstellung der Länder auch im
Urbanen Gebiet die Werte für Kern-, Dorf-
und Mischgebiete gelten, die bei 45 dB
liegen. Aus Sicht der Bundesregierung, die
darüber noch beschließen muss, dürfte
dieses vertretbar sein.
Im Vorfeld der Entscheidung hatte die BID
für eine Anpassung der Technischen Anlei-
tung Lärm (TA Lärm) plädiert. „Durch die
BauGB-Novelle soll Bauen wieder flexibler,
schneller und bedarfsgerechter werden.
Deshalb ist es unabdingbar, dass der Bun-
desrat bei der BauGB-Novelle die notwen-
digen Anpassungen an der TA Lärm vor-
nimmt. Davon hängen der Erfolg und die
Praxistauglichkeit des ‚Urbanen Gebiets‘
maßgeblich ab“, so Andreas Ibel, BID-
Vorsitzender und Präsident des Bundes-
verbandes Freier Immobilien- und Woh-
nungsunternehmen (BFW).
„Für ein besseres und lebendiges Mitein-
ander von Wohn- und Gewerbeimmobilien
ist die Anpassung der TA Lärm unumgäng-
lich“, so Ibel. „Die Empfehlungen der Aus-
schüsse könnten die dringend benötigte
Flexibilität des neuen Gebietstypen „Urba-
nes Gebiet“ einschränken. Was wir jetzt
brauchen, sind erweiterte Möglichkeiten
des passiven Lärmschutzes und geringere
Anforderungen an den Lärmschutz.“
(schr/hop/kön)
Fragen und Antworten zur
Bauplanungsrechtsnovelle finden Sie hier:
Fortsetzung von Seite 1
Stillstand beim Gebäudeenergiegesetz:
Neue Wege beim Energieeinsparrecht gefordert
Berlin – „Der Stillstand beim Gebäudeenergiegesetz zeigt: Ein ‚Weiter so‘ beim Energieeinsparrecht mit ständig steigen-
den Vorgaben kann es nicht geben!“, sagte Andreas Ibel, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirt-
schaft Deutschland (BID) und Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) am
30. März 2017 in Berlin. Im Koalitionsausschuss konnte am Tag zuvor erneut keine koalitionsinterne Einigung über das
Gebäudeenergiegesetz (GEG) erzielt werden.
„Der Ansatz, für das Energieeinsparrecht
mit der Zusammenlegung von Energie-
einsparungsgesetz (EnEG), Erneuerbare-
Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) und
Energieeinsparverordnung (EnEV) ein ein-
heitliches Regelwerk zu schaffen, ist rich-
tig und wichtig“, betonte Ibel. Dies gelte
auch für die aufgeführte Vorbildfunktion
der öffentlichen Hand bei der Reduzierung
des Energieverbrauchs in Gebäuden.
Die BID spricht sich jedoch insbesondere
gegen eine Vorfestlegung des Effizienz-
haus-55-Standards als Niedrigstenergie-
gebäudestandard aus. Auch zwischen
den Koalitionspartnern ist dieser Punkt
strittig. „Mit dem KFW-55-Standard wür-
den sich die energetischen Vorgaben um
rund ein Viertel verschärfen“, erklärte Ibel.
„Dabei ist bereits mit der EnEV 2016 die
Grenze dessen erreicht, was für die Immo-
bilienbranche wirtschaftlich darstellbar ist.
Zudem bringt der KFW 55-Standard keinen
nennenswerten Fortschritt bei der Verrin-
gerung der CO
2
-Emissionen oder der Effi-
zienzsteigerung. Es wäre also sinnvoll, den
Standard EnEV 2016 als Niedrigstenergie-
gebäudestandard zu definieren.“ Ibel ver-
wies auf ein BID-Gutachten, nach dem der
KFW 55-Standard gegenüber der EnEV
2014 die Herstellungskosten um 10 Pro-
zent und die Nutzerkosten um einen Euro
pro Quadratmeter und Monat verteuern
würde. „Was solche Verschärfungen für die
soziale Balance und die öffentliche Akzep-
tanz der Energiewende bedeutet, liegt auf
der Hand“, warnte Ibel. Deshalb sei es
umso wichtiger, dass die künftigen ener-
getischen Vorgaben die Auswirkungen auf
Nutzer und Eigentümer berücksichtigen.
Klimafreundlich und bezahlbar zu
bauen muss möglich werden
„Politik und Wirtschaft müssen jetzt die
Chance nutzen, gemeinsam eine praxis-
nahe und wirtschaftliche Neukonzeptionie-
rung mit neuen Werkzeugen zur immobili-
enwirtschaftlichen Umsetzung zu schaffen,
die sich mit den tatsächlichen Herausfor-
derungen der Energiewende auseinander-
setzt“, appellierte Ibel. „Unser Ziel muss es
sein, klimafreundliches und zugleich bezahl-
bares Wohnen und Bauen zu ermöglichen.
Hier darf es kein Entweder/Oder geben!“
Auch Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der
Geschäftsführung der Deutschen Energie-
Agentur (dena) und Sprecher der Allianz für
Gebäude-Energie-Effizienz (geea) bedau-
erte das Scheitern des Gebäudeenergie-
gesetzes: „Wir bedauern sehr, dass der
Koalitionsausschuss sich nicht auf einen
Kompromiss zum neuen Gebäudeener-
giegesetz verständigen konnte und dieses
Vorhaben damit für diese Legislaturperi-
ode gescheitert ist. Das ist in mehrfacher
Hinsicht ein erheblicher Rückschlag für die
Energiewende im Gebäudesektor.“
„Ohne das GEG wird Deutschland nun
zunächst keinen Niedrigstenergie-Standard
für öffentliche Gebäude festlegen. Damit
verstoßen wir gegen die EU-Gebäude-
richtlinie. Außerdem hätte die öffentliche
Hand hier mit gutem Beispiel vorangehen
und zeigen können, dass sie die Energie-
und Klimaschutzziele ernst nimmt. Es ist
ein schlechtes Signal, wenn sich nicht ein-
mal die öffentliche Hand selbst dazu ver-
pflichtet, ihre eigenen Gebäude heute so
zu bauen, dass sie den Klimazielen genü-
gen“, so Kuhlmann weiter.
Nach der steuerlichen Förderung für die
energetische Gebäudesanierung ist nun ein
zweites wichtiges Vorhaben für die Ener-
giewende im Gebäudesektor im politischen
Prozess gescheitert.
(hop/dri/kön)
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