WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 49/2017 - page 2

EUROPAPOLITIK
Mietsteigerungen
Sanierungen im Umfang des vorliegenden
Entwurfs von zwei Prozent pro Jahr wür-
den überwiegend entgegen dem normalen
Modernisierungszyklus stattfinden müs-
sen. Damit wären praktisch die gesamten
anfallenden Kosten Modernisierungskos-
ten, welche dann auf den Mieter umzule-
gen sind. Die Folge wären deutliche Miet-
preissteigerungen im Bereich von zwei Euro
pro Quadratmeter und Monat und mehr.
Um bezahlbares Wohnen gewährleisten
zu können, versuchen kommunale Woh-
nungsunternehmen eine Mietpreissteige-
rung bei der energetischen Sanierung bis-
lang zu vermeiden.
Baupreissteigerungen
In Deutschland müssten durch die Ände-
rung 750 kommunale und öffentliche
Wohnungsunternehmen mit rund 2,3 Mil-
lionen Wohneinheiten (WE) neben der vor-
handenen Sanierungsrate von rund einem
Prozent pro Jahr eine jährlich zusätzliche
Sanierungsverpflichtung von zwei Prozent
ihrer Wohneinheiten auf mindestens Ener-
gieeinsparverordnungs-Niveau durchfüh-
ren. Bei geschätzten Investitionskosten von
30.000 Euro pro Wohneinheit ergibt das
eine Mehrbelastung von 1,38 Milliarden
Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Die Investi-
tionen aller kommunalen und öffentlichen
Wohnungsunternehmen für Modernisie-
rung in Deutschland lagen im Jahr 2016
bei 1,27 Milliarden Euro.
Angesichts des in vielen Regionen erforder-
lichen Wohnungsneubaus, der maßgeblich
durch die kommunalen Wohnungsunterneh-
men erfolgt, wird für beides die Finanzkraft
fehlen. Und die durch die starke Neubau-
nachfrage bereits deutlich gestiegenen Bau-
preise würden zusätzlich weiter anziehen.
Verlust von Förderung
Eine Förderung energetischer Modernisie-
rung wird in Deutschland nur für freiwil-
lige Maßnahmen gewährt, nicht für ver-
pflichtende. Förderung ist nur möglich,
wenn der Standard der Energieeinspar-
verordnung (EnEV) – also das kostenop-
timale Niveau – freiwillig überschritten
wird. Förderung hilft dabei, Energieeffi-
zienzmaßnahmen und bezahlbares Woh-
nen zu verbinden. Diese Förderung wäre
bei einer verpflichtenden Sanierungsrate
gefährdet und könnte vollständig weg-
fallen, wenn ein weiterer Vorschlag des
Parlaments umgesetzt wird, nämlich ein
verpflichtendes Effizienzziel von 40 Pro-
zent bis 2030.
Föderale Strukturen unberücksichtigt
Der beschlossene Kompromissantrag
berücksichtigt nicht hinreichend die föde-
ralen Strukturen in Deutschland. Zwar
kann der Bund bestimmen, welche ener-
getische Qualität eine Sanierung haben
soll, aber keine Investitionspflichten aus-
sprechen. Es ist daher zu vermuten, dass
auch die deutschen Ratsvertreter wie der
gesamte Europäische Rat diese Forde-
rung ablehnen werden. Der Bund kann
verfassungsrechtlich Länder oder Kom-
munen nicht zur Sanierung verpflichten.
Eine besondere Situation in Deutschland
besteht auch darin, dass sozialer, also
geförderter Wohnungsbau, auch durch
private Investoren erfolgt. Diese werden
nicht zu einer Sanierungsrate verpflichtet
werden können, so dass eine Ungleich-
behandlung im sozialen Wohnungsbau
entstünde.
Ferner widersprechen die Forderungen in
Teilen der Regelung zur Kosteneffizienz
und Bezahlbarkeit von Sanierungsmaßnah-
men, die für Mieter und Vermieter festge-
legt sind.
Wie geht es weiter?
Nach Abstimmung über den Änderungs-
antrag im Industrieausschuss wird der Rat
am 18. Dezember 2017 seinen Standpunkt
zu den Änderungsvorschlägen festlegen.
Anfang nächsten Jahres wird das Plenum
des Europäischen Parlaments dann über die
Änderungen im Hinblick auf die Energieef-
fizienzrichtlinie, die Richtlinie zu erneuerba-
ren Energien und die Richtlinie zur Gover-
nance abstimmen.
Die Wohnungswirtschaft fordert daher
dringend dazu auf, die sozialen und wirt-
schaftlichen Auswirkungen einer Revision
der Energieeffizienzrichtlinie auf Grund-
lage der derzeitigen Änderungsvorschläge
zu überdenken. Solange keine einheitli-
che Wohnraumversorgung und -bewirt-
schaftung auf EU-Level gegeben ist, kann
eine einheitliche europäische Vorgabe zur
verpflichtenden energetischen Sanierung
der kommunalen Wohnungsbestände in
Deutschland nur großen Schaden anrich-
ten.
Der Versuch, die aus Sicht der Klimaschutz-
politik unzureichende Sanierungsrate mit
Verpflichtungen zur energetischen Sanie-
rung anzukurbeln, mag verständlich sein,
würde aber in Deutschland erheblichen
Schaden für die Bezahlbarkeit des Woh-
nens verursachen. Gleichzeitig würde sich
das Image sowohl der energetischen Sanie-
rung als auch Europas bei Gebäudeeigen-
tümern und Mietern verschlechtern.
(vog/koch)
Mehr Informationen zu intelligenten
Klimaschutzmaßnahme
akten Booklet unter https://goo.gl/yXs9d6
oder unter diesem QR-Code:
Fortsetzung von Seite 1
Europäische Kommission genehmigt Förderung für Mieterstrom
Brüssel – Die Europäische Kommission hat am 20. November 2017 die öffentliche Förderung von Vermietern für die Ins-
tallation von Solarpanelen auf Gebäudedächern genehmigt. Die produzierte Elektrizität der Solarzellen mit einer Kapa­
zität von weniger als 100 Kilowatt soll den Mietern zur Verfügung gestellt werden.
Die Förderung wird als Zuschlag auf den
Marktpreis gerechnet, den der Vermie-
ter vom Mieter erhält. Das Budget wurde
auf vier Millionen Euro geschätzt und die
Genehmigung gilt für 10 Jahre.
Um die Wettbewerbsfähigkeit von Photo-
voltaik-Mieterstrom zu erhöhen und den
solaren Ausbau in den Städten zu fördern,
garantiert das neue Mieterstromgesetz den
Betreibern von Photovoltaik-Mieterstrom-
anlagen in Abhängigkeit von der Größe
der Anlage und dem aktuellen Erneuer-
bare-Energien-Gesetz Einspeisetarif nach
dem einen Zuschlag von bis zu 3,8 Cent
pro Kilowattstunde. Förderfähige Anlagen
sind jedoch auf 100 Kilowatt peak (kWp)
begrenzt. Der jährliche Mieterstromzubau
wurde auf eine Leistung von 500 Megawatt
peak (MWp) gedeckelt. Auch ein Höchst-
preis für Photovoltaik-Mieterstrom wurde
vom Gesetzgeber festgelegt. Er muss min-
destens 10 Prozent unter dem am jeweili-
gen Ort geltenden Grundversorgungstarif
liegen.
(öne/koch)
Weitere Informationen finden Sie auf der
Kommissionwebseite Wettbewerb
im öffentlichen Register unter
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