WI Expo 2017 Mittwoch - page 6

Andreas Wende
, Vorsitzender des Aus-
schusses Büroimmobilien des Zentralen
Immobilien Ausschusses (ZIA), weist auf
die entstehenden wirtschaftlichen Aus-
wirkungen hin, wenn Büroimmobilien ver-
nachlässigt werden: „Natürlich wird in der
Baupolitik über die Schaffung von neuem
und bezahlbarem Wohnraum diskutiert.
Dabei wird aber übersehen, dass wir diese
Diskussionen erst recht im Bereich von
Büroimmobilien brauchen. Insbesondere
hier ist der Flächenleerstand in den sie-
ben größten deutschen Städten zuletzt
drastisch gesunken und sorgt so für eine
gefährliche Verknappung mit negativen
Auswirkungen auf die Wirtschaft. Wir
laufen Gefahr, hier ein Ungleichgewicht
entstehen zu lassen, das wir uns einfach
nicht erlauben können, wollen wir die
wirtschaftliche Stärke der Bundesrepublik
Deutschland erhalten.“
Auch Dr.
Carsten Düerkop
, Vorstandsmit-
glied der WL-Bank, merkt diese Verknap-
pung an und stellt zudem das Thema der
Nachhaltigkeit in den Fokus: „Unbestreit-
bar sinkt die Leerstandsquote von Büroim-
mobilien insbesondere in A-Lagen deutlich,
was dort eine steigende Nachfrage anzeigt.
Allerdings lohnt sich ein genauer Blick auf
den einzelnen Standort. Was sind die Trei-
ber der jeweiligen Entwicklung, und wie
nachhaltig sind sie? Handelt es sich um
Momentaufnahmen in Reaktion auf lokal
oder temporär begrenzte Phänomene,
oder können wir wirklich von einem har-
ten Trend sprechen? Sind Veränderungen
des klassischen Büroarbeitsplatzes, die die
‚Arbeit 4.0‘ verursacht und fordert, über-
haupt berücksichtigt? Als Immobilienfinan-
zierer denken wir in langen Fristen – bis
zu 30 Jahre. Darum ist eine Lage für uns
erst dann ‚gut‘, wenn sie eine nachhaltige
Zukunftsperspektive hat.“
„Im bundesweiten Durchschnitt sind die
Büromieten im mittleren Nutzungswert
zum Vorjahr um 2,07 Prozent gestiegen.
2016 konnte eine Steigung von 1,61 Pro-
zent verzeichnet werden, das heißt, dass
die Büromieten stärker als die vergange-
nen Jahre wachsen“, sagt
Jürgen Michael
Schick
, Präsident des Immobilienverbandes
IVD. „Die Büromieten in den B-Standor-
ten – also Städte mit 250.000 bis 500.000
Einwohnern – steigen mit 4,7 Prozent
dagegen noch deutlicher. Der Grund: Die
Unternehmen setzen ihren Beschäftigungs-
ausbau fort und weichen auf die B-Stand-
orte aus.
Dr.
Katrin Grumme
, Geschäftsführerin der
DGC Dr. Grumme Consulting, betont die
Bedeutung einer guten Durchmischung ver-
schiedener Assetklassen für die Stadtent-
wicklung: „Nicht nur der Wohnungsmarkt
wird aktuell mit großen Herausforderungen
konfrontiert, auch Wirtschaftsimmobilien
unterliegen einem stetigen Wandel und
benötigen passende Rahmenbedingungen.
Seien es Büroimmobilien, Handelsflächen
oder Logistikhallen – nur wenn wir es schaf-
fen, hier eine standortadäquate Mischung
herzustellen, die sämtliche Nutzungsarten
berücksichtigt, können sich unsere Städte
weiterentwickeln. Insbesondere Büroimmo-
bilien werden in der Öffentlichkeit und der
Politik häufig zu wenig oder falsch wahrge-
nommen. Mitunter werden Gewerbequar-
tiere in der Stadtplanung sogar verdrängt.
Lebendige Stadtquartiere brauchen aber
einen vielfältigen Nutzungsmix aus Woh-
nen – Leben und Arbeiten.“
„Innerhalb des Büroimmobilien-Segments
existiert oftmals ein unsicheres regulato-
BUNDESPOLITIK
GEWERBE
Mangelware Büros: Fehlende Balance?
München – Die Wohnungspolitik und die damit zusammenhängenden Rahmenbedingungen stehen im Fokus der Politik.
Die Menschen brauchen Lebens- und Wohnräume, damit Städte wachsen und sich weiterentwickeln können. Dennoch
darf hierbei nicht vergessen werden: Eben diese Menschen brauchen auch Räume, um sich zu versorgen, zur Freizeit und
um zu arbeiten. Erst eine intelligente Balance sämtlicher Nutzungsklassen macht eine ganzheitliche Stadtentwicklung,
modernes Wachstum und Funktionalität möglich. Um diese Thematik dreht sich die Diskussionsrunde „Wirtschaftsimmo-
bilien im Fokus: Mangelware Büroflächen?“, die am 5. Oktober 2017 um 16 Uhr auf dem Stand der Bundesarbeitsgemein-
schaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) auf der Expo Real in München stattfindet. Die wi hat vorab mit den Dis-
kussionsteilnehmern gesprochen.
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Maren Kern
, Vorstand des Verbandes
Berlin-Brandenburgischer Wohnungsun-
ternehmen (BBU), teilt die Ansicht, dass
die Einführung des Urbanen Gebietes ein
guter Schritt sei – allerdings aus ihrer Sicht
auch nur ein allererster: „Jetzt müssen die
neuen Möglichkeiten auch genutzt wer-
den. Die Kommunen sollten jetzt im Rah-
men ihrer Bauplanungsverfahren zügig
‚Urbane Gebiete‘ ausweisen, um eine
zeitgemäße Mischnutzung von Gebie-
ten und das Sammeln von Erfahrungen
damit zu ermöglichen.“ Kern betont die
Notwendigkeit, das Städtebaurecht ins-
gesamt auf den Prüfstand zu stellen: „Es
ist problematisch, dass wir unsere Städte
heute noch nach Regelwerken planen
und entwickeln, die unter völlig anderen
städtebaulichen Bedingungen vor mehr
als 50 Jahren aufgestellt worden sind. Wir
brauchen zeitgemäße, auf unsere heuti-
gen Bedürfnisse zugeschnittene Planungs-
instrumente.“
Auch Dr.
Jan Röttgers
, Managing Direc-
tor der ECE Projektmanagement GmbH,
unterstreicht, dass sich die Anforderungen
an das Zusammenleben in den Städten
grundsätzlich geändert haben. „Frühere
funktionale Trennungen von Wohnen,
Arbeiten, Handel, Kultur und Freizeit wer-
den nun mit dem Ziel aufgehoben, die
Lebensqualität in den Städten zu verbes-
sern. Die Einführung des Urbanen Gebie-
tes bietet den Kommunen mehr Flexibilität
in der Stadtplanung und schafft zugleich
Rechtssicherheit für Investoren“, so Rött-
gers. Nachgebessert werden müsse hin-
gegen bei der starren Grenze von 800
Quadratmeter Verkaufsfläche, die keine
qualifizierte Einzelhandelshandelsentwick-
lung im Urbanen Gebiet zulasse. „Auch
die Änderung der TA-Lärm-Grenzwerte
scheint etwas kurz gesprungen. Letzten
Endes sollte man Änderungsbedarf aus
den praktischen Erfahrungen mit dem
Urbanen Gebiet ableiten.“
„Die Einführung des ‚Urbanen Gebiets‘
ermöglicht künftig dichteres, höheres und
somit auch effizienteres Bauen“, lobt auch
Andreas Ibel
, Präsident des Bundesver-
bandes Freier Immobilien- und Wohnungs-
unternehmen (BFW). Dies reicht jedoch
nicht aus, um den notwendigen Neubau-
bedarf zu decken, so Ibel: „In den sieben
A-Städten wird bislang nur rund 30 Prozent
des Neubaubedarfs gedeckt. Der Flaschen-
hals für mehr Neubau ist das mangelnde
Bauland, welches insbesondere in den Hot-
spots mehr ausgewiesen werden müsste.
Deshalb ist die Ausweitung des beschleu-
nigten Verfahrens auf Baugebiete, die an
den Innenbereich angrenzen, ein wichtiges
Instrument!“
(hop/schi)
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