Wohnungspolitische Informationen 24/2017 - page 3

INTERVIEW
Foto: Bundesregierung/
Sandra Steins
Florian Pronold
Parlamentarischer
Staatssekretär im
Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit
Bei der Verleihung des Integrationsprei-
ses 2017 zeichnete Florian Pronold, Par-
lamentarischer Staatssekretär im Bun-
desbauministerium, gemeinsam mit den
Auslobern die Preisträger für ihr umfas-
sendes Engagement aus. Der wi hat er
drei Fragen beantwortet.
wi: Die weit überwiegende Zahl der
Menschen, die im Zuge der Flücht-
lingswelle nach Deutschland gekom-
men sind, hat mittlerweile eine dau-
erhafte Bleibe gefunden. Was sind
aus Ihrer Sicht jetzt die größten Her-
ausforderungen in den neuen Nach-
barschaften?
Florian Pronold:
Bund, Länder und
Kommunen haben unter großem Druck
und mit viel Kreativität Erhebliches
geschafft. Insgesamt ist die Aufnahme
der Geflüchteten in einer Form, einem
Tempo und einer Qualität gelungen,
die mehr als beachtlich ist. Das wäre
aber nicht möglich gewesen ohne das
erhebliche freiwillige und ehrenamtli-
che Engagement vor Ort. Dieses war
nicht nur erfolgreich, sondern auch sehr
beeindruckend, und dafür bin ich den
Verantwortlichen vor Ort sehr dankbar.
Unzählige Engagierte haben sich für
Sprachunterricht, bei Behördengängen
und für Begegnung und Kennenlernen
eingesetzt. Die meisten Geflüchteten
mit Bleiberecht konnten aus den großen
Gemeinschaftsunterkünften, aus Turn-
hallen und ehemaligen Verwaltungsge-
bäuden in Wohnungen umziehen.
Doch gerade für bezahlbare Wohnungen
für alle Menschen – für neue und für alte
Nachbarn –, für lebenswerte Quartiere
und für ein gutes Zusammenleben vor
Ort müssen wir uns auch künftig stark
machen. Deshalb hat der Bund die Mit-
tel für die soziale Wohnraumförderung
in diesem und im kommenden Jahr auf
1,5 Milliarden Euro und die Mittel für
die Städtebauförderung auf das Rekord-
niveau von 790 Millionen Euro in 2017
erhöht. Hinzu kommen weitere 200 Milli-
onen Euro jährlich bis 2020 für den Inves-
titionspakt „Soziale Integration im Quar-
tier“. Ich bin überzeugt: Deutschland ist
nicht nur wirtschaftlich stark, sondern
auch menschlich und kann denjenigen
Zuflucht und Lebensperspektive bieten,
die aus ihrer Heimat flüchten mussten.
Für eine erfolgreiche Eingliederung der
neuen Mitbürger in die Gesellschaft ist
das neue Programm „Soziale Integra-
tion im Quartier“ Ihres Ministeriums
von zentraler Bedeutung, es wird aktu-
ell von Wohnungsunternehmen aber
noch wenig genutzt. Wie kann es für
die Wohnungswirtschaft noch besser
zugänglich gemacht werden?
Florian Pronold:
Mit dem neuen Investiti-
onspakt „Soziale Integration im Quartier“
wollen wir die Kommunen unterstützen, in
den Stadtteilen Bildungs- und Begegnungs-
orte zu schaffen. Kitas, Schulen oder Nach-
barschaftstreffs werden zu Orten der Inte-
gration. Antragsteller sind, wie auch in der
Städtebauförderung, die Kommunen.
Die Wohnungswirtschaft ist seit langem
ein zuverlässiger und starker Partner für die
Kommunen in der Stadterneuerung und
Städtebauförderung vor Ort. Bundesweit
engagieren sich zahlreiche Wohnungs-
unternehmen und -genossenschaften für
eine Verbesserung des Zusammenlebens
und der Integration in der Nachbarschaft.
Den Wohnungsunternehmen stehen daher
auch Maßnahmen des Investitionspaktes
grundsätzlich offen und es würde mich
freuen, wenn sich die Wohnungswirtschaft
in den Städten und Gemeinden auch wei-
terhin mit Engagement und Know-how
einbringt.
Im Übrigen ist es mir wichtig zu beto-
nen, dass sich der Investitionspakt an alle
Bewohnerinnen und Bewohner richtet,
unabhängig von der Herkunft, Hautfarbe
und Religion. Uns geht es darum, Begeg-
nung und Zusammenleben aller in den
Nachbarschaften zu fördern.
Wir feiern dieses Jahr 10 Jahre Leipzig-
Charta für eine integrierte Stadtent-
wicklung und eine nachhaltige euro-
päische Stadt. Wagen wir einen Blick in
die Zukunft: Wie wird es vor Ort in den
Wohnquartieren in weiteren 10 Jahren
insbesondere in puncto Integration
und Zusammenhalt der Nachbarschaf-
ten Ihrer Einschätzung nach aussehen?
Florian Pronold:
Wir haben uns mit der
Leipzig Charta wichtige Leitziele für eine
nachhaltige, sozial gerechte und ökolo-
gisch tragfähige Stadtentwicklung gesetzt.
Sie hat in den letzten 10 Jahren viel bewirkt
und zum Positiven verändert, in der Poli-
tik und Verwaltung, aber auch ganz prak-
tisch in den Quartieren. Es ist wichtig, dass
Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wirtschaft
und Politik an einem Strang ziehen und
zusammenarbeiten. Das gilt für alle Ebe-
nen: Bund, Land und Kommune. Mit
der Strategie Soziale Stadt haben wir
als Bundesbauministerium erreicht, dass
alle betroffenen Ressorts Förderungen
zum Beispiel für Gesundheitsprävention
oder Verbraucherberatung in den Quar-
tieren bündeln. Erstmals haben wir die
Zusammenarbeit in der Bundesregierung
durch einen Kabinettsbeschluss verbind-
lich gemacht.
Lebendige und gute Nachbarschaften
sind die Basis für sozialen Zusammen-
halt und demokratische Mitbestimmung.
Stadtentwicklungspolitik im Sinne der
Leipzig Charta ist Gesellschaftspolitik –
für ein solidarisches Miteinander in der
Stadt und auf dem Land. Hier konnten
wir gerade in den vergangenen vier Jah-
ren eine Menge erreichen. Ich wünsche
mir, dass wir in den kommenden 10 Jah-
ren natürlich noch weiter vorankommen.
Wir wollen Wirtschaft und Zivilgesell-
schaft gewinnen, sich noch stärker als
bisher in die Stadtentwicklung einzubrin-
gen. Wir wollen, dass Bürgerinnen und
Bürger sich an der Gestaltung ihres eige-
nen Lebensumfeldes beteiligen können.
Wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger
in allen Regionen – in den großen Städ-
ten, in kleinen ländlichen Gemeinden –
eine gute Infrastruktur und Angebote
der Daseinvorsorge vorfinden. Der Bund
wird die Kommunen und Akteure vor Ort
deshalb auch in Zukunft unterstützen.
Nur gemeinsam können wir erreichen,
dass wir die gesellschaftlichen Heraus-
forderungen der Zukunft meistern und
den gesellschaftlichen Zusammenhalt
bewahren und stärken.
DREI FRAGEN AN…
„Lebendige und gute Nachbarschaften sind die
Basis für sozialen Zusammenhalt“
Florian Pronold im Gespräch mit ZDF-
Moderator Mitri Sirin bei der Verleihung des
Integrationspreises in Hamburg.
Foto: Jann Wilken
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