AUS DEN VERBÄNDEN
Neue Wege gehen: Wohnungsbau-Allianz und Überarbeitung der Landesbau-
ordnung in Baden-Württemberg
Ulm – Unter dem Motto „Heimat. Neu. Denken“ stand der diesjährige Verbandstag des Verbands baden-württembergi-
scher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (vbw) in Ulm. Knapp 300 Mitglieder und Gäste aus Politik, Wissenschaft
und Wirtschaft kamen Ende April zur öffentlichen Veranstaltung in die Wissenschaftsstadt.
Robert an der Brügge
, Verbandsvor
sitzender des vbw, wies in seiner Begrü
ßung darauf hin, dass der Wohnungsbau
dringend bessere und vor allem verlässli
che Rahmenbedingungen brauche. Das
beweise die unzureichende Bauleistung
trotz niedriger Zinsen. Der Bedarf ist da,
die Wohnraumnachfrage sehr hoch, aber
preisregulatorische Instrumente stehen
der Beförderung des Wohnungsbaus ent
gegen. „Wir brauchen insbesondere mehr
Augenmaß bei den Reglementierungen“,
sagte er. Robert an der Brügge und Ver
bandsdirektorin
Sigrid Feßler
nannten die
notwendigen Eckpunkte für mehr Woh
nungsbau: die vereinfachte Ausweisung
von mehr Flächen sowie die Beschleuni
gung des Bebauungsplanverfahrens,
schnellere Genehmigungsverfahren, wozu
auch die personelle und finanzielle Auf
stockung der Baugenehmigungsbehörden
gehöre, vereinfachte Vergabeverfahren
unterhalb der europäischen Schwellen
werte, die Überprüfung kostenintensiver
Baustandards und die Optimierung der För
derinstrumente des Landes. „Die Kompe
tenzen rund um die Wohnungspolitik müs
sen wieder in einem einzigen Ministerium
gebündelt werden“, adressierten sie eine
weitere zentrale Forderung an die neue
Landesregierung.
Andrea Lindlohr
, stellvertretende Frak
tionsvorsitzende und wohnungspolitische
Sprecherin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜ
NEN, betonte in ihrem Grußwort, dass
die zu geringe Flächenausweisung als ein
Problem des Wohnungsneubaus erkannt
worden sei. „Die Landesaufgabe besteht
darin, die Kommunen zu einem gemeinsa
men Vorgehen mit dem Umland im Sinne
einer aktiven Flächenpolitik zu bewegen.
Den vereinfachten Flächentausch und die
Berücksichtigung der tatsächlichen Bevöl
kerungszahl begrüßt die Fraktion und teilt
diese Positionen mit dem vbw“, sagte sie.
„Lassen Sie uns die Baustandards im Inte
resse günstigerer Baukosten gemeinsam
und umfassend anschauen. Von einer Mus
terbauordnung halte ich allerdings nichts.
Denn wir sind hier in Baden-Württemberg
in vielen Punkten bereits weiter als andere
Länder“, so Lindlohr. „Ihr Verbandstags
motto trifft nicht nur voll ins Schwarze,
auch der Zeitpunkt ist ideal gewählt, um
uns noch weitere Punkte in die Koaliti
onsverhandlungen mitgeben zu können“,
sagte der wohnungspolitische Sprecher der
CDU,
Tobias Wald
. „Weil wir eine Woh
nungsbaupolitik aus einem Guss planen,
haben wir uns auf eine Wohnraum-Alli
anz geeinigt, an der alle am Wohnungs
bau Beteiligten teilnehmen sollen“, sagte
Wald. „Sie wird gemeinsame Leitlinien und
Parameter entwickeln, die positive Anreize
für mehr Investitionen in den Wohnungs
bau schaffen. Das betrifft verbindliche Vor
gaben, wie wir Genehmigungsverfahren
beschleunigen und Baukosten senken kön
nen“, sagte er. „Wir werden ein einheitli
ches, vereinfachtes, digitalisiertes Landes
wohnraumförderungsprogramm auflegen,
das alle Bereiche.“
„Kommunale und genossenschaftliche
Wohnungsunternehmen sind wichtig
und von großer Bedeutung für den Woh
nungsmarkt und stabile Mieten“, resü
mierte
Johannes Stober
, wohnungspoli
tischer Sprecher der SPD-Fraktion, in seiner
Bilanz über die vergangenen vier Jahre. Er
begrüßte, dass die neue Regierung plant,
den Wohnungsbaugipfel in Form eines
Bündnisses für Wohnen – „auch gern Woh
nungsbau-Allianz genannt“ – fortzuführen.
Dr.
Hans-Ulrich Rülke
, Vorsitzender der
FDP-Fraktion, betonte die wirtschaftliche,
gesellschaftliche und soziale Aufgabe und
Bedeutung der Wohnungs- und Immobili
enwirtschaft in Baden-Württemberg. „Wir
werden Wohnraum brauchen, nicht nur
in Anbetracht der Flüchtlingskrise“, sagte
Rülke. Es müsse privates Kapital mobilisiert
werden. Die Landesregierung habe im Jahr
2011 mit der Erhöhung der Grunderwerb
steuer gleich zu Regierungsbeginn das
Gegenteil getan. „Die Mietpreisbremse
und das Zweckentfremdungsverbot seien
die falschen Instrumente, um den Wohn
raummangel zu beheben.“
Axel Gedaschko
, Präsident des GdW
Bundesverband deutscher Wohnungs-
und Immobilienunternehmen, begrüßte
die fundierten und positiven Stellungnah
men der wohnungspolitischen Sprecher der
Fraktionen. Durch die guten Ergebnisse der
Baukostensenkungskommission müss-te
eigentlich allen Politikern in Deutschland
klar sein, was im Detail getan werden muss,
um den Wohnungsbau wieder günstiger
und attraktiver zu machen. „Wir haben
hier mit unserer intensiven Mitarbeit viel
mehr erreicht als eigentlich gedacht“, sagte
Gedaschko. Allerdings scheint es in der
Politik eine Wahrnehmungsverweigerung
zu geben. Nicht anders sei es zu erklären,
dass Minister – wie beispielsweise Justiz
minister Maas –, Gesetze wie das zweite
Mietrechtspaket entwerfen. „Das zweite
Mietrechtspaket ist sozialpolitisch desast
rös und wird sich katastrophal auswirken“,
sagte Gedaschko.
Deutschland bewegt sich im Moment auf
dem besten Wege, sich die maximal teuerste
Lösung auszusuchen, um die Klimaschutz
ziele zu erreichen. „Dies geschieht letztlich
auf dem Rücken derjenigen, die die Inves
tition tätigen und derjenigen, die anschlie
ßend die Investitionen durch ihre Mieten
tragen müssen“, sagte der GdW-Präsident.
„Die Frage nach der Vereinbarkeit von Kli
maschutz und einer sozialen Komponente
wird systematisch von der Politik übergan
gen, das ist eine gesellschaftliche Katastro
phe“, sagte Gedaschko. Deswegen rief er
nochmals alle dazu auf, gegen die Erhö
hung der Energieeinsparverordnung und vor
allem gegen das zweite Mietrechtspaket die
Stimme zu erheben.
(schu/kön)
Robert an der Brügge, Verbandsvorsitzender
des vbw
Sigrid Feßler, Verbandsdirektorin des vbw
Fotos: vbw
4
22/2016