WOHNUNGSPOLITISCHE_INFORMATIONEN 22/2016 - page 4

AUS DEN VERBÄNDEN
Neue Wege gehen: Wohnungsbau-Allianz und Überarbeitung der Landesbau-
ordnung in Baden-Württemberg
Ulm – Unter dem Motto „Heimat. Neu. Denken“ stand der diesjährige Verbandstag des Verbands baden-württembergi-
scher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (vbw) in Ulm. Knapp 300 Mitglieder und Gäste aus Politik, Wissenschaft
und Wirtschaft kamen Ende April zur öffentlichen Veranstaltung in die Wissenschaftsstadt.
Robert an der Brügge
, Verbandsvor­
sitzender des vbw, wies in seiner Begrü­
ßung darauf hin, dass der Wohnungsbau
dringend bessere und vor allem verlässli­
che Rahmenbedingungen brauche. Das
beweise die unzureichende Bauleistung
trotz niedriger Zinsen. Der Bedarf ist da,
die Wohnraumnachfrage sehr hoch, aber
preisregulatorische Instrumente stehen
der Beförderung des Wohnungsbaus ent­
gegen. „Wir brauchen insbesondere mehr
Augenmaß bei den Reglementierungen“,
sagte er. Robert an der Brügge und Ver­
bandsdirektorin
Sigrid Feßler
nannten die
notwendigen Eckpunkte für mehr Woh­
nungsbau: die vereinfachte Ausweisung
von mehr Flächen sowie die Beschleuni­
gung des Bebauungsplanverfahrens,
schnellere Genehmigungsverfahren, wozu
auch die personelle und finanzielle Auf­
stockung der Baugenehmigungsbehörden
gehöre, vereinfachte Vergabeverfahren
unterhalb der europäischen Schwellen­
werte, die Überprüfung kostenintensiver
Baustandards und die Optimierung der För­
derinstrumente des Landes. „Die Kompe­
tenzen rund um die Wohnungspolitik müs­
sen wieder in einem einzigen Ministerium
gebündelt werden“, adressierten sie eine
weitere zentrale Forderung an die neue
Landesregierung.
Andrea Lindlohr
, stellvertretende Frak­
tionsvorsitzende und wohnungspolitische
Sprecherin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­
NEN, betonte in ihrem Grußwort, dass
die zu geringe Flächenausweisung als ein
Problem des Wohnungsneubaus erkannt
worden sei. „Die Landesaufgabe besteht
darin, die Kommunen zu einem gemeinsa­
men Vorgehen mit dem Umland im Sinne
einer aktiven Flächenpolitik zu bewegen.
Den vereinfachten Flächentausch und die
Berücksichtigung der tatsächlichen Bevöl­
kerungszahl begrüßt die Fraktion und teilt
diese Positionen mit dem vbw“, sagte sie.
„Lassen Sie uns die Baustandards im Inte­
resse günstigerer Baukosten gemeinsam
und umfassend anschauen. Von einer Mus­
terbauordnung halte ich allerdings nichts.
Denn wir sind hier in Baden-Württemberg
in vielen Punkten bereits weiter als andere
Länder“, so Lindlohr. „Ihr Verbandstags­
motto trifft nicht nur voll ins Schwarze,
auch der Zeitpunkt ist ideal gewählt, um
uns noch weitere Punkte in die Koaliti­
onsverhandlungen mitgeben zu können“,
sagte der wohnungspolitische Sprecher der
CDU,
Tobias Wald
. „Weil wir eine Woh­
nungsbaupolitik aus einem Guss planen,
haben wir uns auf eine Wohnraum-Alli­
anz geeinigt, an der alle am Wohnungs­
bau Beteiligten teilnehmen sollen“, sagte
Wald. „Sie wird gemeinsame Leitlinien und
Parameter entwickeln, die positive Anreize
für mehr Investitionen in den Wohnungs­
bau schaffen. Das betrifft verbindliche Vor­
gaben, wie wir Genehmigungsverfahren
beschleunigen und Baukosten senken kön­
nen“, sagte er. „Wir werden ein einheitli­
ches, vereinfachtes, digitalisiertes Landes­
wohnraumförderungsprogramm auflegen,
das alle Bereiche.“
„Kommunale und genossenschaftliche
Wohnungsunternehmen sind wichtig
und von großer Bedeutung für den Woh­
nungsmarkt und stabile Mieten“, resü­
mierte
Johannes Stober
, wohnungspoli­
tischer Sprecher der SPD-Fraktion, in seiner
Bilanz über die vergangenen vier Jahre. Er
begrüßte, dass die neue Regierung plant,
den Wohnungsbaugipfel in Form eines
Bündnisses für Wohnen – „auch gern Woh­
nungsbau-Allianz genannt“ – fortzuführen.
Dr.
Hans-Ulrich Rülke
, Vorsitzender der
FDP-Fraktion, betonte die wirtschaftliche,
gesellschaftliche und soziale Aufgabe und
Bedeutung der Wohnungs- und Immobili­
enwirtschaft in Baden-Württemberg. „Wir
werden Wohnraum brauchen, nicht nur
in Anbetracht der Flüchtlingskrise“, sagte
Rülke. Es müsse privates Kapital mobilisiert
werden. Die Landesregierung habe im Jahr
2011 mit der Erhöhung der Grunderwerb­
steuer gleich zu Regierungsbeginn das
Gegenteil getan. „Die Mietpreisbremse
und das Zweckentfremdungsverbot seien
die falschen Instrumente, um den Wohn­
raummangel zu beheben.“
Axel Gedaschko
, Präsident des GdW
Bundesverband deutscher Wohnungs-
und Immobilienunternehmen, begrüßte
die fundierten und positiven Stellungnah­
men der wohnungspolitischen Sprecher der
Fraktionen. Durch die guten Ergebnisse der
Baukostensenkungskommission müss-te
eigentlich allen Politikern in Deutschland
klar sein, was im Detail getan werden muss,
um den Wohnungsbau wieder günstiger
und attraktiver zu machen. „Wir haben
hier mit unserer intensiven Mitarbeit viel
mehr erreicht als eigentlich gedacht“, sagte
Gedaschko. Allerdings scheint es in der
Politik eine Wahrnehmungsverweigerung
zu geben. Nicht anders sei es zu erklären,
dass Minister – wie beispielsweise Justiz­
minister Maas –, Gesetze wie das zweite
Mietrechtspaket entwerfen. „Das zweite
Mietrechtspaket ist sozialpolitisch desast­
rös und wird sich katastrophal auswirken“,
sagte Gedaschko.
Deutschland bewegt sich im Moment auf
dem besten Wege, sich die maximal teuerste
Lösung auszusuchen, um die Klimaschutz­
ziele zu erreichen. „Dies geschieht letztlich
auf dem Rücken derjenigen, die die Inves­
tition tätigen und derjenigen, die anschlie­
ßend die Investitionen durch ihre Mieten
tragen müssen“, sagte der GdW-Präsident.
„Die Frage nach der Vereinbarkeit von Kli­
maschutz und einer sozialen Komponente
wird systematisch von der Politik übergan­
gen, das ist eine gesellschaftliche Katastro­
phe“, sagte Gedaschko. Deswegen rief er
nochmals alle dazu auf, gegen die Erhö­
hung der Energieeinsparverordnung und vor
allem gegen das zweite Mietrechtspaket die
Stimme zu erheben.
(schu/kön)
Robert an der Brügge, Verbandsvorsitzender
des vbw
Sigrid Feßler, Verbandsdirektorin des vbw
Fotos: vbw
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