WOHNUNGSPOLITISCHE_INFORMATIONEN 47/2016 - page 3

AUS DEN VERBÄNDEN
Ergebnisse der Klimaschutzkonferenz gefährden bezahlbaren Wohnungsbau
Wohnungswirtschaftliche Regionalverbände üben Kritik
Hamburg/Erfurt – Die Bundesregierung hat den Klimaschutzplan 2050 kurzfristig zum Nachteil für die Wohnungswirt­
schaft abgeändert: Die nachträglichen Änderungen bedeuten eine zusätzliche Mehrbelastung für den Gebäudesektor
in Deutschland. Konkret wurde eine weitere Verschärfung der Einsparziele für CO
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beschlossen. Hintergrund der Anpas­
sung des Klimaschutzplans 2050 ist die am 11. November 2016 bekannt gewordene, durch Bauministerin Hendricks noch
kurzfristig veranlasste Verschärfung der Einsparziele im Gebäudesektor um acht Millionen Tonnen CO
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bis zum Jahr 2030.
Neben dem Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW haben auch die Regionalverbände aus dem Norden und aus
Thüringen deutliche Kritik geäußert.
Der Verband norddeutscher Wohnungs-
unternehmen (VNW) fordert die nord-
deutschen Ministerpräsidenten und den
Hamburger Bürgermeister auf, der Bun-
desregierung dabei zu helfen, wieder das
richtige Maß zwischen Wohnungsbau- und
Umweltpolitik zu finden. In den neuen
energetischen Standards sieht der VNW
eine große Gefahr für das Bündnis für das
Wohnen in Hamburg und die Allianz für
das Wohnen in Mecklenburg-Vorpommern
sowie die ehrgeizigen wohnungsbaupoliti-
schen Ziele der Schleswig-Holsteinischen
Landesregierung. In Berlin haben die bun-
desweiten Verbände der Wohnungs- und
Immobilienwirtschaft angesichts der erwar-
teten Folgen der Klimaschutzkonferenz von
Marrakesch das Bündnis für das Wohnen
vorerst auf Eis gelegt.
„Marrakesch gefährdet den Wohnungs-
bau in Norddeutschland“, sagte VNW-
Verbandsdirektor
Andreas Breitner
dazu.
„Wir brauchen mehr und bezahlbare Woh-
nungen und können den Euro nur einmal
ausgeben. Die Bundesregierung muss sich
entscheiden: Soll der Neubau zugunsten
höherer energetischer Standards ausge-
bremst werden? Gebäude werden in ihrer
Bedeutung beim CO
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-Ausstoß völlig über-
schätzt. Wer auf noch höhere energeti-
sche Standards besteht, nimmt gleichzeitig
immer teureren Wohnraum in Kauf. Wir
sind bereits das Land der Dichter und Däm-
mer. Damit ist den Mieterinnen und Mietern
aber überhaupt nicht geholfen. CO
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ein-
sparen – ja! Aber immer aus wirtschaftlich
vertretbarer Sicht und nicht zu Lasten der
Menschen, die dringend auf bezahlbaren
Wohnraum angewiesen sind. Werden die
neuen Ziele nicht angepasst, müssen wir in
den nächsten Jahren mit Tausenden bezahl-
baren Wohnungen weniger für den Norden
rechnen. Das kann nicht Sinn der Sache sein.
Was wir dringend in Deutschland brauchen,
ist eine im Rahmen der Energiewende tech-
nologisch, sozial, ökologisch und ökono-
misch abgestimmte Wärmewende.“
Zwischen 2011 und 2015 haben die VNW-
Mitgliedsunternehmen in Mecklenburg-
Vorpommern 1.414 Wohnungen gebaut,
davon allein in 2015 mehr als 450 Einhei-
ten. Für 2016 war ein Neubau von über
550 Wohnungen geplant. Mit Investitionen
in Höhe von insgesamt 361 Millionen Euro
in Neubau, Instandhaltung und Moderni-
sierung haben die Unternehmen 2015 für
sicheres und bezahlbares Wohnen gesorgt.
In der „Allianz für das Wohnen“ haben sie
sich im Dezember 2014 gemeinsam mit
dem Ministerium für Wirtschaft, Bau und
Tourismus Mecklenburg-Vorpommern und
anderen Kooperationspartnern auf das
Kernziel, die Wohnraumförderung lang-
fristig zu sichern, geeinigt.
Auch der Verband der Thüringer Woh-
nungs- und Immobilienwirtschaft vtw.
schloss sich der Kritik an. „Unsere Woh-
nungswirtschaft hat ihre Hausaufgaben
übererfüllt. Wohngebäude von vtw-Mit-
gliedsunternehmen stoßen bei Fernwärme
und Erdgas 40 Prozent weniger CO
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-Emis-
sionen aus als der Bundesdurchschnitt.
Durch Modernisierung und Sanierung
wurden innerhalb von 20 Jahren die Ener-
gieverbräuche sogar um über 70 Prozent
gesenkt!“, betonte
Constanze Victor
,
Direktorin des Verbandes der Thüringer
Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Im
Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflich-
tung sicherten vtw-Mitgliedsunternehmen
außerdem schon 2012 zu, Thüringens Pro-
Kopf-Verbrauch von Endenergie bis 2025
um jährlich ein Prozent zu senken. Das
Ergebnis: Seitdem reduzierten die Unter-
nehmen Endenergie für Raumheizung
und Trinkwassererwärmung statt um ein
Prozent um sechs Prozent pro Jahr. „Die-
ser beispiellose Kraftakt führte dazu, dass
nahezu der komplette Wohnungsbestand
saniert und teilsaniert ist. Jedes weitere ver-
schärfende Gesetz führt zu einer Schief-
lage der Kosten-Nutzen-Effizienz“, betonte
Constanze Victor. Trotz der bereits erfolg-
ten massiven Reduzierungen erzielen Thü-
ringens Wohnungsunternehmen immer
noch jährliche Einsparungen und halten
die freiwillige Selbstverpflichtung ein. Dies
geschieht nur über normale Sanierungszy-
klen und Neubauten.
Weitere Maßnahmen, wie das angedachte
Thüringer Klimagesetz sieht der vtw kri-
tisch. Die wirtschaftlich vertretbaren Gren-
zen der Sparmöglichkeiten sind erreicht. Ab
jetzt steigen die Kosten enorm, die Effekte
sind gering – im Ergebnis verteuert sich
Wohnen, die Mieten steigen. „So sieht kein
sozial verträglicher Klimaschutz aus. Verbes-
serungen bei Energieeffizienz und CO
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-Ein-
sparung können jetzt bestenfalls bei Land-
wirtschaft und Mobilität erzielt werden“,
betonte die Verbandsdirektorin. Sie wies
darauf hin, dass auch auf Bundesebene
gerade wieder Vorstöße zu einer weiteren
Verschärfung der Klimaschutzziele gemacht
werden, die die Unternehmen im Freistaat
ebenfalls betreffen.
(fri/fül/kön)
Kommunale Wohnungswirtschaft begrüßt Pläne zur Förderung des sozialen
Wohnungsbaus in Sachsen
Dresden – Der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Sachsen (vdw) begrüßt die Pläne für eine Unterstüt­
zung des sozialen Wohnungsbaus in Sachsen. „Diese Förderung darf aber nicht an den Grenzen der beiden großen Städ­
te Leipzig und Dresden enden“, erklärte dazu Rainer Seifert, Direktor des vdw Sachsen.
„Bereits in der Phase der Anhörung zu der
angedachten Richtlinie haben wir darauf
hingewiesen, besser Metropolregionen
zu bilden“, so Seifert. Diese sollten nicht
nur das Umfeld von Leipzig und Dresden
umfassen, sondern auch das von Chem-
nitz. Damit solle verhindert werden, dass
die Anziehungskraft der beiden größten
sächsischen Städte und damit die Abwan-
derung aus anderen Gebieten noch ver-
größert wird.
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