WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 14/2016 - page 6

ENTWICKLUNGSHILFE
…und verabschieden anschließend die Gäste aus Deutschland – auf Deutsch.
Mörtel und Farbe – aber alles war parat.
Es war ein bewegender Moment, als wir
mit Schwester Viji und ihren Mitschwes-
tern der DMI, allen Mädchen, Lehrerin-
nen, Betreuern und Mitarbeitern über das
Gelände zum Ausbildungszentrum zogen
und die Namenstafel aus Messing enthüll-
ten. Das Zentrum wird jährlich mehr als
50 Auszubildende aus Dar-es-Salam und
anderen Orten Tansanias aufnehmen. Es
sind durchweg Mädchen aus schwieri-
gen Familienverhältnissen dort. Viele von
ihnen wurden gegen eine Geldzahlung an
die Familie nach Dar-es-Salam geschleust,
um dort in Haushalten und bei ausbeuteri-
schen Leuten zu arbeiten. Sie werden dabei
nicht nur um ihren Lohn gebracht, sondern
auch um ihre Kindheit und Jugend betro-
gen. Der Missbrauch ihrer Unerfahrenheit
zeigt sich nicht nur in der Ausbeutung, es
gibt für viele auch sexuelle Gewalterfah-
rungen und eine unausweichliche schwere
Traumatisierung.
Mütterliche Fürsorge für traumati-
sierte Mädchen
„Meine Tante hat meinen Eltern verspro-
chen, dass sie mich in Dar-es-Salam in die
Schule schickt“, sagt eines der Mädchen
in einem kleinen Theaterstück. „Aber sie
hat mich bei einer Familie als Hausmäd-
chen abgegeben und ich habe weder Lohn
bekommen noch durfte ich in die Schule
gehen. Meine Tante hat sich nicht mehr um
mich gekümmert, nur das Geld hat sie kas-
siert. Die Frauen von der Selbsthilfegruppe
der DMI haben mich auf der Straße auf-
gelesen.“ Die Schicksale ähneln sich. Man
darf aber vermuten, dass die Mädchen
nicht alles vortragen, was ihnen widerfah-
ren ist. Die Theaterszenen sind ein Weg,
um überhaupt solche Geschehnisse zur
Sprache zu bringen. Neben der verständ-
lichen Angst, Unsägliches aus der privates-
ten Sphäre zu offenbaren, gibt es auch ein
gesellschaftliches Tabu. Über Missbrauch
herrscht Schweigen.
Für die Aufnahme der Mädchen ist Mama
Ngolle zuständig. Sie ist die warmherzige
Verkörperung, besser gesagt, eine Seele
von Mutter, mit einer Ausstrahlung, die
bei den Mädchen Vertrauen schafft. Das
ist wichtig nach den vielen Enttäuschun-
gen und bedrückenden Erfahrungen. Sie
ist ausgebildete Sozialberaterin und selbst
Mutter von vier erwachsenen Kindern.
„In den ersten Tagen hier sind die Mäd-
chen sehr verschlossen, sitzen mit star-
ren Gesichtern. Manche weinen, manche
sind aggressiv. Sie kommen alle ja aus ver-
schiedenen Gegenden Tansanias, aus sehr
unterschiedlichen Familien, mit anderen
Gebräuchen und Sitten. Und sie haben
bittere Erfahrungen gemacht. Ich bin der
erste Kontakt für sie, berate in Gruppen
oder die Mädchen auch einzeln. Nach
etwa drei Monaten sind die Mädchen wie
ausgewechselt, sie haben Freundschaften
geschlossen, kennen den Tageslauf und die
Dinge, die ihnen Spaß machen.“ Dann wird
Mama Ngolle etwas wehmütig. „Und mich
nennen sie dann Bibi, ihre Großmutter. Das
macht mich stolz, es belohnt mich für alles,
was ich hier tue. Wenn nach einem Jahr ein
Kurs zu Ende ist, sind meine Mädchen so
stolz auf das Erlernte. Sie kamen mit nichts
– und jetzt können sie schneidern und bati-
ken, kennen die Arbeit mit einem Com-
puter, können Kochen und tolle Frisuren
machen. Aber am letzten Tag müssen die
Mädchen wieder weinen, wie am ersten.
So groß ist unser aller Abschiedsschmerz.“
Mit Zuversicht und Lebensfreude in
die Zukunft
„Fully human & fully alive“ – sehr mensch-
lich und sehr lebendig – steht unten auf
den Kangas, den selbstgenähten bunten
Wickelröcken der Mädchen. Es ist das
Motto des gerade abgeschlossenen Aus-
bildungskurses. Die Mädchen verlassen
das Ausbildungszentrum mit kleinen und
großen Geschenken und sie gehen aus
der Obhut der Schwestern der DMI mit
neuen menschlichen Werten und tatsäch-
lich quicklebendig in Erwartung ihrer neuen
Zukunft.
Fortsetzung von Seite 5
Die DESWOS Deutsche Entwicklungs-
hilfe für soziales Wohnungs- und Sied-
lungswesen e.V. führt mit den DMI in
Dar-es-Salam ein Ausbildungsprogramm
handwerklicher und technischer Berufe
für junge Mädchen durch. Das Ausbil-
dungszentrum in Tansania ist gerade fer-
tiggestellt worden. Mit Laptops könnten
die Mädchen flexibler in ihren Räumen
und auf dem ganzen Campus arbeiten.
Können Sie mit ausgemusterten Gerä-
ten helfen? Es gibt für Gebrauchtgeräte
keine Zollprobleme und es wäre der DES-
WOS auch möglich, Sachspendenquit-
tungen auszustellen.
Ihr Ansprechpartner:
Werner Wilkens
Tel.: 0221/5798960
E-Mail:
Mit ausgemusterten Laptops helfen! Sachspenden-Aufruf für
Ausbildungsprojekte in Tansania und im Südsudan
50 Absolventinnen der Abschlussklasse singen vom 1. Stock des neuen Ausbildungszentrums ein Lied zum Abschied…
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