WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 10/2016 - page 4

AUS DEN VERBÄNDEN
Foto: W & R IMMOCOM
Mitteldeutscher Immobilienkongress deckt Kostentreiber im Wohnungsneu-
bau und Fehler der Politik auf
Leipzig – Politik und Realität müssen zueinander finden – das war das Ziel des 14. Mitteldeutschen Immobilienkongresses
(MIK). Führende Vertreter der Immobilienverbände aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen kamen am 24. Februar
2016 zur Jahresauftaktveranstaltung der Branche in Leipzig zusammen.
Karl-Heinz Weiss
, Regionalvorsitzen-
der des Immobilienverbandes IVD Region
Mitte-Ost, eröffnete den Kongress mit
den Worten: „Viele Probleme rund um
das Thema Wohnen könnten gelöst sein
– wenn wir nicht durch widersprüchliche
Auflagen und Richtlinien ausgebremst wür-
den. Gerade vor dem Hintergrund der For-
derungen nach bezahlbarem Wohnen ist
eine stärkere Ehrlichkeit im gegenseitigen
Umgang und ein Realitätssinn seitens der
Politik unabdingbar.
40 Prozent Mehrkosten im Neubau
„Die Neubaukosten von Mehrfamilienhäu-
sern stiegen allein zwischen 2000 und 2014
um rund 40 Prozent“, bemängelte
Frank
Müller
, Vorstandsvorsitzender des BFW
Landesverband Mitteldeutschland. Ursa-
chen sind zum Beispiel ordnungsrechtliche
Vorschriften, steigende Löhne, höhere Auf-
lagen im Schallschutz, Brandschutz, Barrie-
refreiheit, steuerliche Vorgaben, Notarkos-
ten, kommunale Auflagen, Baulandkosten,
die Novellierungen der Energieeinsparver-
ordnung (EnEV) und gestiegene Ansprüche
der Nutzer.
Einziger Lichtblick ist der Gesetzentwurf
zur steuerlichen Förderung des Mietwoh-
nungsneubaus. Danach ist vorgesehen,
die Obergrenze für die Nutzung der För-
derung des Mietwohnungsneubaus von
2.200 Euro auf 3.000 Euro pro Quad-
ratmeter Wohnfläche zu erhöhen. Die
sogenannte Sonder-Afa soll jedoch nur in
angespannten Wohnungsmärkten gelten.
Voraussichtlich können Dresden, Erfurt
und Jena sie nutzen, Leipzig jedoch zur
Zeit nicht.
Förderlandschaft schafft keine
Anreize
Constanze Victor
vom Verband der Thü-
ringer Wohnungswirtschaft (vtw.) beur-
teilte vor allem die Fördermittellandschaft
zur Neubauförderung weiterhin als unzu-
reichend. Sie bemängelt beispielsweise
die neu geplanten Programme zur sozi-
alen Wohnungsbauförderung aus dem
Thüringer Ministerium für Infrastruktur
und Landwirtschaft mit den Worten: „Wir
wollen modernen und zukunftsfähigen
Wohnraum schaffen. Mit diesen Förder-
mitteln werden keine zusätzlichen sinnvol-
len Anreize gegeben. Keines unserer Mit-
gliedsunternehmen plant, sie in Anspruch
zu nehmen. Belegungs- und Mietpreis-
bindung bis 2031, technisch überzogene
Anforderungen, ein nicht kalkulierbarer
Verwaltungsaufwand und eine unzurei-
chende Kostendeckung machen die Inan-
spruchnahme zu einem schwer refinanzier-
baren Aufwand. Einzig die Richtlinie des
„Thüringer Barrierereduzierungsprogram-
mes“ beurteilen wir positiv. Allerdings gilt
auch hier: wir setzen auf die Zusage der
Politik, dass die versprochenen fünf Milli-
onen Euro für 500 Wohnungen vor dem
Hintergrund der demografischen Entwick-
lung im Freistaat unproblematisch aufge-
stockt werden können.
Demografischer Wandel bestimmt die
Zukunft des Wohnens
Für den Verband der Sächsischen Woh-
nungsgenossenschaften (VSWG) ist der
demografische Wandel das Zukunftsthema
schlechthin. „Älteren Menschen so lange
wie möglich ein Leben in den eigenen vier
Wänden zu ermöglichen, ist nicht nur der
Wunsch der meisten, sondern auch volks-
wirtschaftlich sinnvoll und aufgrund der
demografischen Entwicklung alternativlos.
Um bedarfsgerechte Wohnungen zu schaf-
fen, benötigt es zunehmend Modernisie-
rungen im Bestand und zum Teil Neubau.
Gleichzeitig muss das Wohnen aber auch
bezahlbar bleiben und das nicht nur für die
‚Besserverdiener‘ unseres Landes. Vor allem
die zahlreichen Anforderungen der Politik
und Baugenehmigungsbehörden haben
Bauvorhaben in den letzten Jahren stark
verteuert. In der Wohnung kulminiert vie-
les: Die Wohnung soll Gesundheitsstand-
ort sein, Pflegeheime ersetzen, das Klima
retten und dies alles, bei möglichst sin-
kenden Mieten. Wir müssen dafür sorgen,
dass die Lasten für all das gerecht verteilt
werden und der Mieter nicht letztlich der
ist, der allein die Zeche für alles bezahlen
muss“, so Dr.
Axel Viehweger
, Vorstand
des VSWG.
Mietrechtspaket benachteiligt ost-
deutsche Immobilienbranche
Für den vdw Sachsen – Verband der Woh-
nungs- und Immobilienwirtschaft e.V.
behindert vor allem das geplante zweite
Mietrechtspaket des Bundesjustizministe-
riums Mitteldeutschlands Immobilienwirt-
schaft. Danach soll es eine Kappungsgrenze
für Mieterhöhungen nach Modernisierung
um maximal 50 Prozent innerhalb der
nächsten acht Jahre geben. Gerade ost-
deutsche kommunale Wohnungsunter-
nehmen würden bestraft, wenn sie alters-
gerecht und energieeffizient umbauen
wollen. Sie vermieten flächendeckend kos-
tengünstig für zum Beispiel vier bis fünf
Euro Kaltmiete und dürften dann maximal
zwei bis 2,50 Euro erhöhen. Münchner Ver-
mieter mit durchschnittlich 10 Euro dürften
dagegen um fünf Euro erhöhen – bei glei-
chen Umbaukosten. Verbandsdirektor
Rai-
ner Seifert
erklärte dazu: „Das lässt den
Sanierungsstau in den neuen Bundeslän-
dern weiter anwachsen und benachteiligt in
einer nicht nachvollziehbaren Art und Weise
ostdeutsche kommunale Wohnungsunter-
nehmen.“
(tei/schi)
André Adami (bulwiengesa AG), Karl-Heinz Weiss (IVD Mitte-Ost), Ulrike Silberberg (DW), Rainer
Seifert (vdw Sachsen), Frank Müller (BFW Mitteldeutschland), Constanze Victor (vtw.) (v. l.)
Der Anstieg im Detail:
- EnEV 2009, 2014, 2016 Gesamtan-
stieg + 20 Prozent,
- Bauwerks- und Nebenkosten:
Anstieg um 426 Euro/Quadratme-
ter Wohnfläche (+ 19,3 Prozent)
- steuerrechtliche und baurechtli-
che Vorgaben: Anstieg 248 Euro/
Quadratmeter Wohnfläche (+ 11,2
Prozent)
- Baulandkosten: 115 Euro/Quadrat-
meter Wohnfläche (+ 5,2 Prozent
der gesamten Gestehungskosten)
- Kommunale Auflagen: 82 Euro/
Quadratmeter Wohnfläche (+ 3,7
Prozent)
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