WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 17/2015 - page 4

AUS DEN VERBÄNDEN
Sächsische Wohnungswirtschaft mit TopSanierungsquote
– Förderpolitik mit Augenmaß notwendig
Dresden – Aus einer Antwort aus dem Bundeswirtschaftsministerium auf eine Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
geht hervor, dass in Ostdeutschland Fördermittel zur energetischen Gebäudesanierung viel weniger in Anspruch genom­
men würden als im Westen. „Das suggeriert, dass die Wohnungsunternehmen hierzulande wenig saniert haben. Das
stimmt nicht – ganz im Gegenteil“, stellte Rainer Seifert, Verbandsdirektor des Verband der Wohnungsund Immobilien­
wirtschaft (vdw) Sachsen klar. „Dass die Förderung weniger genutzt wird, liegt schlicht daran, dass sie in vielen Fällen an
den konkreten Notwendigkeiten vorbei geht.“
Die aktuelle, hitzige Debatte um ein
angebliches Ost-West-Gefälle bei der
Inanspruchnahme von Fördergeldern zur
energetischen Gebäudesanierung geht
für die sächsische Wohnungswirtschaft
komplett an der Realität vorbei. „Denn
sie ignoriert völlig, dass die Wohnungs-
unternehmen in Sachsen und den anderen
neuen Ländern ihre Bestände schon weit-
gehend durchsaniert haben und eine Top-
Sanierungsquote vorweisen können“, so
Rainer Seifert, Verbandsdirektor des vdw
Sachsen. „Gerade unsere Mitgliedsunter-
nehmen sind es doch, die bereits mehr als
92 Prozent ihrer Bestände voll- oder teilsa-
niert haben.“ Diese Sanierungsquote liegt
deutlich über dem Schnitt aller ostdeut-
schen Länder (86,7 Prozent). „Dass För-
dermittel zur energetischen Gebäudesa-
nierung hierzulande weniger in Anspruch
genommen werden als in Westdeutsch-
land bedeutet also nicht, dass unsere
Wohnungsunternehmen weniger saniert
haben.“
Ein weiterer Grund für die vergleichsweise
niedrige Inanspruchnahme ist, dass die
Förderung größtenteils aus zinsgünsti-
gen Darlehen besteht, die aufgrund der
aktuell ohnehin niedrigen Zinsen der-
zeit auch ohne den großen Bürokratie-
aufwand der öffentlichen Förderung am
Markt zu bekommen sind. „Daran zeigt
sich, dass die Förderung in vielen Fällen
an den konkreten Notwendigkeiten vor-
bei geht“, so Verbandsdirektor Rainer Sei-
fert. „Künftig sollte in der Ausrichtung der
Förderpolitik Qualität vor Quantität gehen.
Neben zinsgünstigen Darlehen sind mehr
direkte Investitionszuschüsse notwendig,
beispielsweise zur Umsetzung ganzheit-
licher Quartierskonzepte, damit entspre-
chende Investitionen für Vermieter und
Mieter wirtschaftlich vertretbar bleiben.
Nur so können die benötigten Gebäu-
debestände langfristig gesichert werden
und auch zukünftig den energetischen und
demografischen Anforderungen gewach-
sen sein. Darüber hinaus müssen die stetig
steigenden Anforderungen, die Sanierun-
gen deutlich verteuern, auch mit angemes-
sen steigenden Ausgaben der öffentlichen
Hand bei den Kosten der Unterkunft für
Bezieher von Sozialleistungen einherge-
hen. Wenn sich einkommensschwache
Haushalte modern sanierten Wohnraum
nicht mehr leisten können und sich in
unsanierten Wohnhäusern konzentrieren,
führt dies auf lange Sicht zu einer Ghetto-
bildung, schafft soziale Brennpunkte und
wirkt einer guten Durchmischung in den
Quartieren fundamental entgegen.“
(wies/schi)
Zweite Sanierungswelle steht vor der Tür:
Thüringer Wohnungswirtschaft sucht Lösungen für bezahlbare Mieten
Erfurt – Thüringen steht vor der zweiten Sanierungswelle. In spätestens fünf bis 10 Jahren müssen rund 80.000 Woh­
nungen im Blockund Plattenbau erneuert werden. Damit die Mieten weiter bezahlbar bleiben und die Wohnungs­
wirtschaft weiter finanziell handlungsfähig bleibt, traf sich am 13. April 2015 der Verband Thüringer Wohnungsund
Immobilienwirtschaft (vtw.) zu einer ersten Arbeitsgruppensitzung. Es soll ein Katalog mit Handlungsanweisungen
entstehen, der allen großen und kleinen Wohnungsunternehmen des vtw. Hinweise gibt, wie sie mit dem Kostenan­
sturm umgehen können.
Neben Wohnungsunternehmen werden
Architekten, Institute und Hochschulen
integriert. Ein besonderer Fokus liegt auf
Modernisierungen im Block- und Platten-
bau, die 80 Prozent der 270.000 Wohnun-
gen der vtw.-Mitglieder ausmachen.
Besonders hoch liegt der künftige Sanie-
rungsbedarf im Brandschutz. Rund ein
Drittel der Wohnungen steht hier vor einer
Erneuerung. Dazu kommen nötige Umbau-
ten durch den demografischen Wandel und
gestiegene gesetzliche Vorgaben. Die Kos-
ten für anstehende Umbauten und Sanie-
rungen werden voraussichtlich mehrere
Milliarden Euro betragen. Auch Rückbau
wird wieder ein Thema werden. Laut einer
Umfrage des vtw. gehen Wohnungsunter-
nehmen von 17 Prozent Leerstand im Plat-
tenbau in 10 Jahren aus.
„Die Mehrbelastung durch Sanierungen
für die Mieter muss so gering wie mög-
lich bleiben“, betonte vtw.-Verbandsdi-
rektorin Constanze Victor. Aktuell liegt
die Durchschnittskaltmiete in Wohnungen
des vtw. bei 4,65 Euro. Damit kann in 10
Jahren keine Sanierung finanziert werden.
Allein durch das Installieren eines Auf-
zugs – der für die älter werdende Gesell-
schaft immer wichtiger wird – würde sich
die Modernisierungsumlage um circa 70
Cent pro Quadratmeter Wohnfläche erhö-
hen. Damit befindet sich die Wohnungs-
wirtschaft in dem Dilemma, neue Aufzüge,
Brandschutz, Energieleistungen, Dämmun-
gen, Türen et cetera einrichten zu müssen,
deren Kosten sie nicht ohne Weiteres auf
die Miete umlegen kann.
„Wir werden nichts tun, was unsere Mie-
ter aus den Wohnungen treibt. Wenn sich
zeigt, dass wir aus Kostengründen nicht
sanieren können, wie die gesetzlichen
Vorgaben es fordern, muss die Politik uns
sagen, wie wir das Problem lösen sollen“,
so Constanze Victor.
(tei/schi)
Thüringen steht vor der zweiten Sanierungswelle
Foto: Rolf Handke / pixelio.de
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