WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 45/2015 - page 3

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BUNDESPOLITIK
Bezahlbares Wohnen, gespaltene
Wohnungsmärkte und Flüchtlingsunter­
bringung. Das Jahr 2015 hält große
und wichtige Themen bereit. Der Parla­
mentarische Staatssekretär im Bundes­
bauministerium hat der wi-Redaktion
dazu drei Fragen beantwortet.
wi: Angesichts der Verteuerung
des Wohnens in beliebten Ballungs­
regionen wird häufiger die Frage
gestellt, ob jeder prinzipiell
die Möglichkeit haben muss –
unabhängig vom individuellen
Einkommen – in zentralen Lagen
zu wohnen. Was ist Ihre Antwort?
Pronold:
Unser Ziel ist es, dass alle
Haushalte angemessenen Wohnraum
haben. Wir freuen uns, dass die Innen­
städte, anders als vor 40 Jahren, wieder
attraktiv sind und an Wohn- und Lebens­
qualität gewinnen. Ausschlaggebend für
den Zuzug aus dem In- und Ausland sind
Bildungs- und Arbeitsplatzangebot der
Groß- und Universitätsstädte. Der Druck
auf die Wohnungsmärkte nimmt damit
zu. Nun müssen wir schauen, dass die
Preise in zentralen Wohnlagen nicht so
steigen, dass Wohnungen selbst von
Normalverdienern nicht mehr bezahlt
werden können. Die soziale Mischung
in den deutschen Städten ist ein
hohes soziales Gut, das wir bewahren
müssen. Die Mietpreisbremse und das
Bündnis für bezahlbares Wohnen und
Bauen sind die richtige Antwort, um
unverhältnismäßigen Mieterhöhungen zu
begegnen und bezahlbaren Wohnraum
zu erhalten und zu schaffen.
Während alle über den Wohnungs­
mangel in den Metropolen spre­
chen, steigt in Ostdeutschland der
Leerstand erstmals seit rund 15
Jahren wieder an. Wie kann man
Schrumpfungsgebiete im Osten
vor einer zweiten Leerstandswelle
bewahren?
Pronold:
Viele ostdeutsche Städte werden
zukünftig weitere Einwohner verlieren,
dies ist mir bewusst. Aktuell werden
die Programme Stadtumbau Ost und
West evaluiert. Ich will den Ergebnissen
der Evaluierung nicht vorgreifen. Es
ist jedoch bereits jetzt deutlich, dass
es unterschiedliche Problemlagen in
Ost und West und ein Nebeneinander
von Schrumpfung und Wachstum in
vielen Regionen Deutschlands gibt. Es
bleibt deshalb eine wichtige Aufgabe,
schrumpfenden Städten zu helfen. Sie
müssen funktionsfähig bleiben und trotz
Schrumpfung ihre Identität bewahren
können. Wichtig ist, alle Beteiligten
im Stadtumbau, insbesondere die
Wohnungseigentümer und vor allem auch
die Bürgerinnen und Bürger, bei diesem
Prozess mitzunehmen. Wir lassen die
Städte auch zukünftig beim Stadtumbau
nicht allein.
Gehen Sie davon aus, dass trotz
des starken Zuzugs in deutsche
Großstädte, auch von Flüchtlingen
und Zuwanderern, soziale Span­
nungen wie beispielsweise in
Frankreichs Vorstädten dauerhaft
verhindert werden können? Wenn
ja, wie?
Pronold:
Glücklicherweise ist die
räumliche Spaltung von Arm und
Reich in deutschen Städten nicht so
ausgeprägt wie in Frankreich. Dort haben
Wohnungsknappheit und hohe Preise
dazu geführt, dass sich die Probleme
in den Vorstädten extrem verdichtet
haben. Aber auch unsere Städte zeigen
Polarisierungstendenzen und eine
zunehmende räumliche Verfestigung
von Ungleichheit. Es ist wichtig, dass
wir die Kommunen, die besonders von
Zuzug und Zuwanderung betroffen
sind, unterstützen. Dazu müssen Woh­
nungspolitik, Stadtentwicklungspolitik
und flankierende sozial-integrative
Maßnahmen Hand in Hand gehen. Wir
müssen dafür sorgen, dass die Quartiere
nicht allein gelassen werden, die hohe
Integrationsleistungen erbringen. Des­
halb haben wir beispielsweise die Mittel
im Städtebauförderprogramm Soziale
Stadt in dieser Legislaturperiode mit 150
Millionen Euro fast vervierfacht.
Foto: Bundesregierung /
Sandra Steins
Florian Pronold (SPD)
Parlamentarischer
Staatssekretär im
Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit
DREI FRAGEN AN…
Für ein langes Leben in der vertrauten Wohnung: GdW und BAGSO gründen
„Bündnis für ein technikgestütztes und selbstbestimmtes Wohnen“
Berlin – Mit dem neuen „Bündnis für ein technikgestütztes und selbstbestimmtes Wohnen“ haben am 3. November 2015
Prof. Dr. Dr. h.c. Ursula Lehr, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO), und
Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, den Startschuss für ein verstärktes
gemeinsames Engagement gegeben. Anlässlich des Berliner Pflegekongresses überreichten sie dem Pflegebeauftragten
der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, eine gemeinsame Erklärung.
So lange wie möglich und bis ins hohe
Alter selbstständig in den vertrauten
vier Wänden leben – diesen Wunsch der
großen Mehrheit der Bevölkerung will
die Wohnungswirtschaft gemeinsam mit
der BAGSO noch stärker Realität werden
lassen.
„Die Wohnung muss zunehmend zu einem
Standort für Gesundheit und Pflege werden,
wenn wir den demografischen Wandel in
Deutschland erfolgreich bewältigen wollen“,
erklärte GdW-Präsident
Axel Gedaschko
anlässlich der Übergabe der Bündnis-
Erklärung. „Die Wohnungswirtschaft arbeitet
gemeinsam mit ihren Partnern intensiv
daran, dass ältere Menschen länger, sicher
und komfortabel in ihrer angestammten
Umgebung leben können. Technische
AssistenzsystemesindderSchlüsseldafür,dass
insbesondere gesundheitlich eingeschränkte
Personen in ihrenWohnungen besser betreut
werden können.“
Die BAGSO-Vorsitzende Prof. Dr. Dr. h.c.
Ursula Lehr
, machte sich für technische
Systeme stark: „Sie können zum einen dazu
beitragen, Hilfs-und Pflegebedürftigkeit
zu verhindern, zum anderen können
sie auch bei durch Krankheit bereits
eingeschränktem Lebensraum den Kontakt
zur Umwelt aufrecht erhalten, Sicherheit
vermitteln und so länger Selbstständigkeit
und Unabhängigkeit gewährleisten und
somit einer Übersiedlung in ein Alten-oder
Pflegeheim vorbeugen. Das erhöht nicht nur
die Lebensqualität der Betroffenen und der
Pflegenden, sondern erspart auch Kosten.“
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