WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 43/2015 - page 4

PREISVERLEIHUNG
Nachhaltige Immobilienentwicklung, Auswirkungen von Naturkatastrophen
und Crowdinvesting – Beste Immobilien-Forschungsarbeiten ausgezeichnet
München – Die Deutsche Immobilien-Akademie (DIA) an der Universität Freiburg hat Anfang Oktober auf der Gewerbe­
immobilienmesse Expo Real zum 17. Mal ihren Forschungspreis verliehen. In diesem Jahr zeichnete EU-Kommissar Gün-
ther Oettinger eine Dissertation und zwei Masterarbeiten aus.
Die Preisträger sind Dr. Matthias Schaule für
seine Dissertation „Anreize für eine nach-
haltige Immobilienentwicklung – Nutzer-
zufriedenheit und Zahlungsbereitschaft
als Funktion von Gebäudeeigenschaften
bei Büroimmobilien“, Heiko Kichhain für
seine Masterarbeit „Impact of flood disas-
ters and flood risk on real estate markets
in Central Europe“ und Niklas Kohl für
seine Masterarbeit “Crowdinvesting in
der Immobilienwirtschaft – Möglichkeiten
und Grenzen“. Die Arbeiten der Preisträ-
ger zeichneten sich durch ihre Aktualität
und ihren praktischen Nutzen sowohl für
die Forschung als auch für die Praxis aus.
„Die immobilienwirtschaftliche Forschung
in Deutschland ist in den vergangenen
zwei Jahrzehnten deutlich professioneller
geworden“, stellte DIA-Studienleiter Pro-
fessor
Heinz Rehkugler
fest. Dies betreffe
sowohl die analytischen Methoden, als
auch die Darstellung der Ergebnisse und
die Diskussion der Schlussfolgerungen.
„Probleme bereiten der immobilienwirt-
schaftlichen Forschung häufig die unzu-
reichenden Datensätze hierzulande“, so
Professor Rehkugler. Meist liegt das an den
deutschen Datenschutzgesetzen. Um die
Professionalisierung der Immobilienwirt-
schaft weiter voran zu treiben, unterstützt
die Deutschen Immobilien-Akademie die
wissenschaftliche Auseinandersetzung mit
aktuellen Forschungsfragen.
Der weitaus größte Anteil am weltweiten
Energieverbrauch wird direkt oder indi-
rekt durch den Bau, Betrieb und Abriss
von Gebäuden verursacht. Der allgemein
hohe Stellenwert des Begriffs Nachhaltig-
keit hat auch in der Bau- und Immobilien-
wirtschaft zu einem Diskurs über Nach-
haltigkeit geführt. Im Mittelpunkt der
Dissertation von
Matthias Schaule
steht
die Frage, mit welchen marktwirtschaftli-
Die Preisträger und Juroren mit EU-Kommissar Günther Oettinger (2. v. r.)
Foto: DIA
chen Anreizen sich die Nachhaltigkeit als
Eigenschaft von Immobilienentwicklungen
fördern lässt. Er untersucht im Rahmen
von zwei 2010 und 2012 durchgeführten
Umfragen, wie sich Erwartungshaltung
und Zufriedenheit von Büronutzern auf
deren Zahlungsbereitschaft auswirken. Es
gelang ihm, Eigenschaften zu qualifizieren,
die hohe Zufriedenheit und wenig Unzu-
friedenheit stiften und gleichzeitig in den
meisten Büroimmobilien nicht vorhanden
sind. Die aus diesen Eigenschaften abge-
leitete Strategie kann Projektentwicklern
dazu dienen, sich gegenüber ihren Wett-
bewerbern positiv zu differenzieren.
Der Klimawandel ist eine der essenziellen
Problemstellungen des 21. Jahrhunderts.
Eine charakteristische Konsequenz ist die
Zunahme von extremen Wetterereignissen,
denen sich die Bevölkerung und die Immo-
bilienmärkte anpassen müssen. Ziel der
Masterarbeit von
Heiko Kichhain
war es,
den Einfluss dieser Flutkatastrophen und
den im Zusammenhang stehenden Flutrisi-
ken auf die Preise ausgewählter Immobili-
enmärkte in Zentraleuropa zu quantifizie-
ren. Analysiert wurden die Auswirkungen
der Flut von 2013 auf die Immobilienmärkte
der Städte Passau und Dresden und der
Region Gäuboden in Niederbayern. In der
Region Niederbayern wirkten sich weder
die Lage innerhalb der Flutrisikozonen
noch die Flut von 2013 signifikant auf die
Immobilienpreise aus. In Passau hingegen
weist Kichhain für die Lage innerhalb einer
extremen Hochwasserzone einen negati-
ven Effekt von 16 Prozent auf den Immo-
bilienwert nach. Die Lage innerhalb einer
hundertjährigen Hochwasserrisikozone
führte hier, entgegen dem hypothetischen
Zusammenhang von Preisrückgängen unter
erhöhtem Risiko, zu einem positiven Effekt
von 44 Prozent auf den Immobilienwert.
Ein signifikanter Einfluss der Flut von 2013
auf die Immobilienpreise ließ sich in Passau
wie schon in der Region Niederbayern nicht
beobachten. In Dresden beobachtete Kich-
hain für Lagen innerhalb einer hundertjähri-
gen Hochwasserzone einen um 4,5 Prozent
geringeren Preis der Immobilien. Die Lage
innerhalb einer fünfhundertjährigen Hoch-
wasserzone führte dagegen zu einem um
13 Prozent höheren Preis. Kirchhain regt
eine Erweiterung der verwendeten Metho-
dik auf zusätzliche hochwassergefährdete
Märkte, insbesondere europäischer Met-
ropolen wie Wien oder Prag, an, um eine
generelle Systematik hinter der Reaktion
von Immobilienmärkten auf hydrologische
Naturkatastrophen innerhalb Europas zu
bestimmen.
Die Finanzkrise stellte Projektentwickler bei
der Beschaffung notwendiger Finanzmittel
jahrelang vor Probleme. Alternative Finan-
zierungsformen gewannen daher zuneh-
mend an Attraktivität. Die Masterarbeit
von
Niklas Kohl
beschäftigt sich mit den
Potenzialen der Übertragung von Crowd-
Konzepten auf die Finanzierung von Immo-
bilieninvestitionen im deutschen Markt.
Das Konzept beinhaltet das Sammeln von
Finanzierungsbeiträgen einer Vielzahl von
Menschen zur Immobilienfinanzierung via
Internet. Als Vermittler zwischen anlage-
suchendem Kapital von Kleinanlegern und
von kapitalsuchenden Projektentwicklern
oder Bestandshaltern fungieren Immobi-
lien-Crowdinvesting-Plattformen. Der deut-
sche Markt für Crowdinvesting ist nach den
Erkenntnissen von Kohl noch jung. Es man-
gelt aktuell sowohl an Markttiefe als auch
Marktbreite. Die zukünftige Entwicklung
sowie der Weg hin zu einer Professiona-
lisierung hängen vom Bedarf an alternati-
ven Finanzierungsmöglichkeiten für Kapi-
talsuchende, der Finanzierungsbereitschaft
sowie den Refinanzierungskonditionen
traditioneller Kapitalgeber und der poli-
tisch-rechtlichen Rahmenbedingungen für
Crowdinvesting in Deutschland und in der
EU ab, so sein Fazit. Kohl sieht die Politik
in der Pflicht, den entsprechenden gesetzli-
chen Rahmen für eine adäquate Lösung zur
Wahrnehmung von Investment-Opportuni-
täten bei gleichzeitigem Anlegerschutz zu
schaffen. Sobald die strukturellen Probleme
gelöst seien, könne sich das Konzept vom
Nischenprodukt zu einer diversifizierten
Anlageform mit hohem Grad an Bekannt-
heit, Professionalität und breiter Akzeptanz
heranbilden.
(gra/kön)
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