WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 43/2015 - page 3

BUNDESPOLITIK
Flüchtlingsunterbringung, angespannte
Mietwohnungsmärkte, steigende Bau-
kosten und Digitalisierung. Das Jahr
2015 hält große und wichtige Themen
bereit. Der stellvertretende Vorsitzende
der SPD-Bundestagsfraktion Sören Bartol
hat der wi-Redaktion dazu drei Fragen
beantwortet.
wi: Die Zahl der Sozialwohnungen
in Deutschland nimmt seit Jahren
kontinuierlich ab, der Bedarf an
günstigem Wohnraum ist aber –
auch angesichts der stark wachsen-
den Zuwanderung – ungebrochen.
Welche Lösung sehen Sie für dieses
Problem?
Bartol:
Dieser Herausforderung kann
man nicht mit DER einen Lösung begeg-
nen. Es sind bereits Lösungen gefunden
worden. Wir haben mit dem Haushalt
2014 die Städtebauförderung auf 700
Millionen Euro und damit auf ein Niveau
erhöht, das den Kommunen wieder mehr
Spielräume für längst überfällige Investi-
tionen einräumt. Das Programm „Soziale
Stadt“ ist fast vervierfacht worden. Wir
haben dafür gesorgt, dass ehemals mili-
tärisch genutzte Liegenschaften in Bun-
desbesitz für den sozialen Wohnungsbau
und Flüchtlingsunterbringung verbilligt
abgegeben werden können. Trotzdem
braucht es weitere Anstrengungen. Bau-
land und Liegenschaften sollten durch
Bund, Länder und Kommunen für den
sozialen Wohnungsbau zur Verfügung
gestellt werden. Die Mittel für die sozi-
ale Wohnraumförderung müssen für
den Sozialwohnungsneubau und den
Erwerb von Belegungs- und Mietpreis-
bindungen ausgegeben werden. Minis-
terin Hendricks und die SPD-Bundestag-
fraktion setzen sich dafür ein, dass diese
Mittel angesichts des akuten Bedarfs an
zusätzlichen neugebauten Wohnungen
verdoppelt werden. Ich kann mir gezielte
steuerliche Anreize für den sozialen Miet-
wohnungsneubau in angespannten Woh-
nungsmärkten vorstellen. Diese Anreize
sollten neben privaten und institutionel-
len Anlegern auch auf kommunale Woh-
nungsunternehmen insbesondere Genos-
senschaften wirken.
Zahlreiche Faktoren, wie steigende
Kosten für Bauland, eine Auflagen-
Flut insbesondere im energetischen
Bereich sowie steigende Steuern
und Abgaben verteuern das Bauen
und Wohnen seit geraumer Zeit
enorm. Was ist aus Ihrer Sicht der
dringendste Faktor, der hier ange-
gangen werden muss?
Bartol:
Wir wissen, dass die größten Kos-
tentreiber gestiegenen Ansprüchen wie
energetischen Gebäudestandards, Schall-
schutzanforderungen und Brandschutz-
anforderungen geschuldet sind. Wenn
man an Baukostensenkung denkt, darf
aber natürlich nicht außer Acht gelassen
werden, dass es sich dabei ja um Anfor-
derungen handelt, die Bewohnerinnen
und Bewohner schützen sollen und wir
uns auf mehr Klimaschutz und Energie-
einsparung geeinigt haben. Deshalb ist es
gut, hier mit Augenmaß vorzugehen und
deshalb haben wir uns darauf geeinigt
in einer Baukostensenkungskommission
preistreibende und überdimensionierte
Standards zu überprüfen. Sicherlich ist
es sinnvoll zu schauen, wie bereits in der
Planungsphase Einsparpotenziale berück-
sichtigt werden können. In der Vorferti-
gung von Bauteilen liegen Potenziale. Die
Kommunen mit Wohnungsengpässen
sollten Bauland günstig zur Verfügung
stellen und Teuerungsprozesse durch wei-
tere Auflagen vermeiden. Denn gerade
in Ballungsgebieten, in denen der Bedarf
an Wohnungen im unteren und mittleren
Preissegment besonders hoch ist, ist das
Bauen in den letzten Jahren immer teurer
und die Investitionsbereitschaft geringer
geworden. Deshalb werden neben den
sogenannten Konversionsliegenschaften
in einem nächsten Schritt auch weitere
Liegenschaften des Bundes verbilligt an
Kommunen und kommunale Gesellschaf-
ten für den sozialen Wohnungsbau zur
Verfügung gestellt. Hinzu kommt, dass
die Länder durch die in den letzten Jahren
gestiegenen Sätze bei der Grunderwerb-
steuer zur Kostensteigerung beitragen.
Bei all dem darf aber ein Aspekt nicht
aus dem Blick geraten: diese Standards
und Anforderungen, die wir bezüglich
Sicherheit, Energieeffizienz und Klima-
schutz entwickeln, sind zugleich Innova-
tionstreiber für diejenigen, die entspre-
chende Materialien, Bauweisen et cetera
entwickeln.
Die Digitalisierung hält in alle
Lebensbereiche Einzug, Schritt für
Schritt auch in die Wohnung. Wie
sehen Sie den Trend der „vernetz-
ten“ Wohnung? Was sind aus Ihrer
Sicht die Chancen und was die drin-
gendsten Herausforderungen?
Bartol:
Im Gegensatz beispielsweise
zur Digitalisierung in der Arbeitswelt,
die häufig auch Befürchtungen weckt,
sehe ich deren Einzug in unsere Woh-
nungen durchweg positiv. Bei vernetz-
tem Wohnen denke ich zunächst an
die vielen Möglichkeiten für Ältere oder
Kranke, weiter am Leben in ihrer vertrau-
ten Umgebung teilzuhaben. Daran, dass
technische Innovationen beispielsweise
barrierefreies Wohnen ermöglichen, fle-
xible Inneneinrichtungen den Bedürfnis-
sen der Bewohnerinnen und Bewohner
gerechter werden, Kommunikationssys-
teme es auch Menschen, die gefährdet
sind, ermöglichen, in ihrer gewünschten
Umgebung zu leben. Gerade weil immer
mehr Ältere länger selbstbestimmt leben
können und wollen ist dieser Trend so
wichtig. Und, das ist auch wichtig, er stei-
gert den Bedarf für neue Lösungen und
Ideen. Die birgt große Chancen für Ent-
wicklerinnen und Entwickler in Deutsch-
land, an deutschen Hochschulen. Zu-
gleich finde ich, dass Verantwortliche in
den Städten und Quartieren Ideen suchen
und ermöglichen sollten. Wir brauchen
gute Beispiele, damit die Potenziale, die
im vernetzten Wohnen liegen, Schritt
für Schritt auch von anderen Akteuren
wie Wohnungsbaugesellschaften, Inve-
storen, Entwicklerinnen und Entwicklern
genutzt werden.
Foto: spdfraktion.de
(Susie Knoll / Florian Jänicke)
Sören Bartol
Stellvertretender Vorsitzen-
der der SPD-Bundestags-
fraktion für den Bereich
Verkehr, Bau und digitale
Infrastruktur sowie Digitale
Agenda.
DREI FRAGEN AN…
Deutsche Entwicklungshilfe für soziales
Wohnungs- und Siedlungswesen e.V.
DESWOS-Spendenkonto
IBAN: DE87 3705 0198 0006 6022 21
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