Personalmagazin 8/2017 - page 67

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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Das Ergebnis der Messung ist ein
individuelles Profil der eigenen unter-
nehmenskulturellen Vorlieben auf neun
Kulturdimensionen. Diese Dimensionen
sind entsprechend dem Item-Format
selbst wiederum bipolar und heißen
zum Beispiel „Work-Life-Balance versus
Karriereorientierung“ oder „Innovation
versus Tradition“. Der Nutzer kann sie
per Klick weiter erkunden.
Nützlich für das Employer Branding
Der „Kulturmatcher“ kann so auf einer
Unternehmenskarriereseite zum Ein-
satz kommen. Dabei dient er als reiner
Selbsttest, mit dessen Hilfe Kandidaten
die eigenen unternehmenskulturellen
Präferenzen ermitteln können. Akti-
viert man das Matching und hinterlegt
ein Kulturprofil des Unternehmens,
kann automatisch der „Cultural Fit“
zum Unternehmen berechnet werden.
Dieses Matching kann sich auf das Un-
ternehmen als Ganzes, einzelne Unter-
nehmensbereiche oder sogar einzelne
Stellen beziehen.
Wird der Kulturmatcher als Self-As-
sessment eingesetzt, handelt es sich vor
allem um ein Instrument des Employer
Brandings: Das Unternehmen kann sein
Profil als Arbeitgeber auf diese Weise
schärfen und von Anfang an die Passung
von Bewerbungen verbessern. Denn ein
solcher Einsatz führt dazu, dass sich die
Bewerber vertieft mit dem Thema „Cul-
tural Fit“ auseinandersetzen und sich
darüber klarwerden, ob sie zum Unter-
nehmen passen würden. Kandidaten mit
wenig Übereinstimmung sehen dann
eher von einer Bewerbung ab.
Die Praxis zeigt bisher sogar: Obwohl
die Teilnahme freiwillig und vollkom-
men anonym abläuft, berichten Kunden,
dass Bewerber gerne ihren erzielten
Match präsentieren. Damit haben sie
einen idealen Einstieg ins Bewerber­
interview geschaffen. Natürlich kann der
Kulturmatcher auch als diagnostisches
Verfahren bei der tatsächlichen Bewer-
berauswahl eingesetzt werden, wobei
die Teilnahme nicht anonym, sondern
auf Einladung erfolgt. Daneben lässt sich
das Tool auch als Ausgangspunkt in der
Personalentwicklung einsetzen.
Grundlage für Kulturentwicklung
Bevor Unternehmen den Kulturmatcher
für Bewerber einsetzen, müssen sie sich
natürlich über ihre Unternehmenskul-
tur im Klaren sein. Mit dem Tool lassen
sich sowohl die kulturellen Werte eines
Unternehmens als auch einzelner Be-
reiche bestimmen. Dies kann als Basis
für eine stimmige Arbeitgeberpositio-
nierung oder als Ausgangspunkt für die
interne Kulturentwicklung dienen.
Hier ist jedoch eines anzumerken: Der
Kulturmatcher ist kein Instrument zur
Umsetzung von Kulturentwicklungs-
maßnahmen, sondern ein Messinstru-
ment. Metaphorisch ausgedrückt: Der
Kulturmatcher ist das Thermometer, das
exakt die Raumtemperatur misst, und
nicht die Heizung, über die die Raum-
temperatur nach oben oder unten verän-
dert wird. Die objektive Messung sollte
aber unseres Erachtens immer Grund-
lage für Veränderungsmaßnahmen sein
– das subjektive Empfinden darüber, wie
warm es im Raum ist, kann nämlich be-
trächtlich voneinander abweichen.
Insofern ficht der Kulturmatcher auch
das gelegentlich vorgebrachte Argument
nicht an, dass durch den „Cultural Fit“ zu
viel Konformität im Unternehmen ent­
stehe. Der Kulturmatcher beziffert nur
den Grad an Übereinstimmung zwischen
vorhandener Kultur und Wünschen des
Bewerbers. Ob das Unternehmen dann
mehr vom Gleichen einstellt oder ganz
bewusst Personal sucht, das aufgrund
abweichender Vorstellungen zu einem
Kulturwandel beiträgt, entscheidet der
Personaler schließlich selbst.
Wissenschaftliche Entwicklung
Zur Entwicklung des Tools: Der Kultur-
matcher basiert auf dem gemeinsamen
Nenner der meisten Unternehmenskul-
turtheorien: den Werten. Zu den in der
Analysephase betrachteten und gesam-
melten Wertedimensionen wurde in der
Testentwurfsphase eine große Zahl an
Items formuliert. Die Items wurden in
einem mehrstufigen Item-Audit-Prozess
unter Beteiligung verschiedener Exper-
ten diskutiert und optimiert.
Es folgte eine Datenerhebungsphase in
Kooperation mit zwei deutschen Univer-
sitäten, in der die Item- und Skalenquali-
tät eingehend geprüft, die Dimensionen
und die Akzeptanz des Verfahrens unter-
sucht wurden. Anschließend wurde das
Verfahren einem breiteren Publikum
vorgestellt und dabei wieder Experten-
feedback insbesondere zur Handhabung
und gewünschten Verwendungsszena-
rien eingeholt. Daraufhin gingen wir in
eine Pilotphase mit Unternehmen un-
terschiedlicher Größen und Branchen-
herkunft. Neben der Erprobung unter
Realbedingungen ging es hierbei vor
allem darum, empirische Daten für die
Berechnung wissenschaftlicher Güte-
kriterien und zur weiteren Optimierung
des Tests zu gewinnen. Die daraus ent-
standene Stichprobe von rund 1.000 Per-
sonen bildet derzeit die Normstichprobe
im Kulturmatcher.
Bis Anfang 2017 dauerte dann die fina-
le Überarbeitung, in der das Verfahren
deutlich gekürzt wurde, sodass Nutzer es
in wenigen Minuten bearbeiten können.
Neben einer deutschsprachigen Version
liegt der Kulturmatcher nun auch auf
Englisch vor. Die wissenschaftlichen Gü-
tekriterien sind in einem Testhandbuch
zusammengefasst und werden in die eig-
nungsdiagnostische Fachdiskussion ein-
gebracht, etwa in Form eines Beitrags zu
einer Tagung der Deutschen Gesellschaft
für Psychologie im September.
LISA ADLER
ist Senior-
Projektmanagerin bei der
Cyquest GmbH.
JOACHIM DIERCKS
ist
Geschäftsführer der Cyquest
GmbH.
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