Personalmagazin 8/2017 - page 64

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SPEZIAL
_PERSONALDIAGNOSTIK
personalmagazin 08/17
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
dass der Kandidat seine Fähigkeiten und
Fertigkeiten leicht übertreibt, so bewer-
ten sie diesen im Interview besser.
Schadet Faking der Personalauswahl?
Die wohl wichtigste Frage für Personaler
ist, wie sich Faking auf die Qualität der
Personalauswahl auswirkt. Stellen wir
tatsächlich den besten Kandidaten ein
oder nur den, der sich am besten ver-
kaufen kann? Um dies herauszufinden,
luden Wissenschaftler der Universität
Ulm Probanden zu fiktiven Bewerbungs-
gesprächen ein. Die Probanden durch-
liefen das Interview jeweils zweimal.
Einmal in einer Bedingung, in der sie
möglichst ehrlich antworten sollten, und
einmal in einer Bedingung, in der sie
sich als der beste Kandidat für die Stelle
ausgeben sollten. Zudem wurden Intelli-
genz und die Fähigkeit erhoben, die An-
forderungsdimensionen der jeweiligen
Fragen des Interviews zu erkennen.
Die StudiekamzudemErgebnis, dass es
vor allem denjenigen Kandidaten gelang,
sich besser zu verstellen, die intelligenter
waren und ein besseres Verständnis da-
für hatten, auf was die Fragen des In-
terviewers abzielten. Dementsprechend
konnte im Interview, in dem Kandidaten
faken sollten, die Aufgabenleistung sogar
besser vorhergesagt werden im Vergleich
zum Interview in der Ehrlichkeitsbedin-
gung, da Intelligenz und das Erkennen
von Anforderungsdimensionen auch
wichtig für die spätere Aufgabenleistung
sind. Wenn man jedoch freiwilliges Ar-
beitsengagement betrachtet, ergibt sich
ein genau entgegengesetztes Muster:
Freiwilliges Arbeitsengagement konnte
besser in der Ehrlichkeitsbedingung vor-
hergesagt werden.
Insgesamt kann man also folgern, dass
Faking generell die Prognosequalität
nicht verschlechtert, wenn man die
spätere Aufgabenleistung vorhersagen
möchte. ImGegenteil: Faking kann sogar
als eine Art soziale Kompetenz angese-
hen werden. Was jedoch die Vorhersa-
ge von freiwilligem Arbeitsengagement
betrifft, ist es ratsam, sich hierbei auf
andere Quellen zu stützen.
Lässt sich Faking erkennen?
Nicht erst seit Serien wie „Lie to me“ hat
das Erkennen von Lügen Forscher um-
getrieben. In einer Studie von Marc-An-
dré Reinhard, Universität Kassel, und
Kollegen wurden professionellen Inter-
viewern und Studenten Videos von Be-
werbern gezeigt, in denen die Bewerber
in der Hälfte der Videos wahre Arbeits-
erfahrungen schilderten. In der anderen
Hälfte der Videos hatten die Bewerber
ihre Arbeitserfahrungen nur erfunden.
Das Erkennen der gefakten Videos ge-
lang nur in 53 Prozent der Fälle, was
nur knapp über der Ratewahrscheinlich-
keit lag. Überraschenderweise spielte
die Erfahrung der Probanden dabei kei-
ne Rolle – erfahrene Interviewer waren
im Erkennen von Lügen nicht besser als
die Studenten.
Leann Schneider, University of To-
ronto, und Satoris Culbertson, Kansas
State University, sowie Kollegen konn-
ten in unterschiedlichen Studien zei-
gen, dass sich ehrliche und unehrliche
Bewerber im nonverbalen Verhalten,
wie beispielsweise in der Anzahl der
Sprechfehler oder der Häufigkeit des Lä-
chelns, unterscheiden. Allerdings sind
diese Unterschiede nicht so auffällig wie
die wachsende Nase von Pinocchio. Sie
können keinesfalls dazu dienen, Faker
eindeutig zu identifizieren.
Wenn man Faking schon nicht erken-
nen kann, stellt sich die Frage, ob es sich
zumindest verhindern lässt. Zum einen
können Interviewer durch gezielte Fra-
gen das Interview steuern. So sind Wis-
sensfragen nach konkreten Inhalten, die
die zukünftige Stelle betreffen, weniger
fakebar als Fragen nach persönlichen
Stärken und Schwächen. Studien wie
beispielsweise von Levashina und Kolle-
gen zeigen, dass insbesondere Nachha-
ken bei nicht-wissensbasierten Fragen
zu stärkerem Faking führt. Das bedeu-
tet, man kann Faking reduzieren, indem
man mehr wissensbasierte Fragen stellt.
Eine weitere Möglichkeit besteht da-
rin, Bewerber durch Warnungen zu we-
niger Faking zu bewegen. Man instruiert
sie vor demAuswahlverfahren, dass man
ihre Lügen erkennen könne. Die Idee da-
bei ist, dass man Bewerber anlügt (weil
man Faking ja de facto nicht erkennen
kann), damit Bewerber weniger faken.
Zwar lässt sich Faking durch dieses Vor-
gehen reduzieren, ob dies ethisch bes-
ser ist als Lügen vonseiten der Bewerber,
steht jedoch auf einem anderen Blatt.
Wie soll man mit Faking umgehen?
Was können wir als Fazit mitnehmen?
Faking lässt sich zwar weder erkennen
noch verhindern, aber scheint die Pro-
gnosequalität des Interviews nicht zu
beinträchtigen. Insgesamt ist es aber
dennoch ratsam, Interviews zu struktu-
rieren und auch mit valideren Verfah-
ren wie beispielsweise Intelligenztests
zu verknüpfen. Nur so entstehen best-
mögliche Personalentscheidungen.
In der Regel können
Personaler das Faking
von Bewerbern nicht
erkennen. Sie können es
aber durch strukturierte
Interviews und ergän-
zende Tests reduzieren.
ANNE-KATHRIN BÜHL
ist
Diplom-Psychologin und wis-
senschaftliche Mitarbeiterin in
der Abteilung Arbeits- und Or-
ganisationspsychologie der Universität Ulm.
DR. BENJAMIN HAARHAUS
ist Diplom-Psychologe und
Geschäftsführer der Perseo
GmbH.
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