74
RECHT
_BUNDESTEILHABEGESETZ
personalmagazin 05/17
N
och kurz vor Jahresende 2016
hat der Gesetzgeber das soge-
nannte Bundesteilhabegesetz
verabschiedet. Dieses bewirkt
eine umfassende Umgestaltung unter
anderem auch des Sozialgesetzbuches
(SGB) IX. Auch wenn wesentliche Teile
des Bundesteilhabegesetzes erst zum 1.
Januar 2018 in Kraft treten werden, gibt
es doch einige wichtige Neuregelungen,
die bereits ab dem 30. Dezember 2016
gelten. Diese betreffen insbesondere die
Kündigung von schwerbehinderten Men-
schen und die Aufwertung der Rechte der
Schwerbehindertenvertretung. Mit die-
sem Beitrag sollen diese, mit dem Bun-
desteilhabegesetz in Kraft getretenen
Änderungen dargestellt werden. Zudem
soll Arbeitgebern eine Handlungsemp-
fehlung zu den neuen gesetzlichen Vor-
schriften gegeben werden.
Kündigung ohne Schwerbehinderten-
vertretung ist unwirksam
Die für den Arbeitgeber wesentlichs-
te Änderung ist die Änderung des § 95
SGB IX. Bislang hatte der Arbeitgeber die
Schwerbehindertenvertretung bei allen
Maßnahmen, die einen schwerbehinder-
ten Menschen berühren, unverzüglich
und umfassend zu unterrichten und vor
einer Entscheidung zu beteiligen, § 95
Abs. 2 Satz 1 SGB IX, alte Fassung. Hier-
von umfasst war auch die Beteiligung bei
der Kündigung des Arbeitsverhältnisses,
wie auch bei anderen arbeitsrechtlichen
Maßnahmen (zum Beispiel bei einer
Abmahnung). Ist der Arbeitgeber dieser
Von
Christian Flogaus
und
Wolfgang Leist
Verpflichtung nicht nachgekommen, so
handelte er zwar rechtswidrig. Die un-
terbliebene Beteiligung hatte aber keine
Auswirkungen beispielsweise auf die
Wirksamkeit einer Kündigung.
Dies hat sich mit der Neuregelung des
Gesetzes nun geändert. Die Neufassung
des § 95 Abs. 2 SGB IX regelt jetzt, dass
die Kündigung eines schwerbehinderten
Menschen, die der Arbeitgeber ohne Be-
teiligung der Schwerbehindertenvertre-
tung ausspricht, unwirksam ist. Konkret
bestimmt das Gesetz, dass die Schwer-
behindertenvertretung unverzüglich und
umfassend vor Ausspruch einer Kündi-
gung zu unterrichten sowie vor einer Ent-
scheidung anzuhören ist. Dabei ist die
Schwerbehindertenvertretung bei dieser
Unterrichtung vom Arbeitgeber so um-
fassend zu informieren, dass sie sich oh-
Kündigung nur nach Anhörung
ÜBERBLICK.
Neues im Umgang mit Schwerbehinderten bringt das Bundesteilhabege-
setz. Insbesondere die Kündigungsregeln bergen Potenzial für Fehler in der Praxis.
Große Teile des Bundesteilhabegesetzes treten erst zum 1. Januar 2018 in Kraft.
Die Regelungen zur Kündigung gelten allerdings schon seit Ende 2016.
Neuerdings ist die Kündigung von Schwerbehinderten ohne Beteiligung der Schwerbe-
hindertenvertretung unwirksam. Geregelt ist dies in der Neufassung des § 95 SBG IX
Abs. 2, dem ein dritter Satz neu hinzugefügt wurde. Bisher handelte ein Arbeitgeber
beim Ausspruch einer Kündigung ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung
zwar rechtswidrig, auf die Wirksamkeit der Kündigung selbst hatte dieser Mangel aber
keine direkte Auswirkung. Auch die persönliche Rechtsstellung der Vertrauenspersonen
der schwerbehinderten Menschen ist neuerdings gestärkt, was nun in den Regelungen
der §§ 95 und 96 SGB IX vermerkt ist. Konkret ist der Gesetzestext wie folgt formuliert:
§ 95 SGB IX: Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung
(1) […] Die Schwerbehindertenvertretung unterstützt Beschäftigte auch bei Anträgen
an die nach § 69 Abs. 1 zuständigen Behörden auf Feststellung einer Behinderung,
ihres Grades und einer Schwerbehinderung sowie bei Anträgen auf Gleichstellung an
die Agentur für Arbeit. In Betrieben und Dienststellen mit in der Regel mehr als 100 be-
schäftigten schwerbehinderten Menschen kann sie nach Unterrichtung des Arbeitgebers
das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied zu bestimmten
Aufgaben heranziehen [...]
(2) Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die
einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüg-
Was jetzt schon gilt
GESETZESTEXT