Die Wohnungswirtschaft 5/2019 - page 80

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5|2019
RECHT
WEG §§ 21 Abs. 8, 43 Nr. 4
Gerichtliche Beschlussersetzung zum „Ob“ und „Wie“
einer Instandsetzungsmaßnahme
Wenn das Ermessen der Wohnungseigentümer, geeignete Maßnahmen an der Giebelwand im Bereich einer Wohnung zu treffen, auf null
reduziert ist, ist zwar nicht ohne Weiteres anzunehmen, dass die Installation der Fußleistenheizung die einzig denkbare Maßnahme zur
Vornahme einer fachgerechten Sanierung darstellt. Handelt es sich hierbei jedoch um eine mit Blick auf die vom gerichtlichen Sachverstän-
digen besonders hervorgehobene Effizienz ausgesprochen kostengünstige Maßnahme, kann das Gericht zu deren Anordnung im Wege einer
Beschlussersetzung nach § 21 Abs. 8 WEG als berechtigt angesehen werden.
LG Itzehoe, Beschluss vom 21.2.2019, 11 S 70/17
Bedeutung für die Praxis
Lehnen die Wohnungseigentümer durch Negativbeschluss eine dringende
Instandsetzungsmaßnahme am gemeinschaftlichen Eigentum ab, erhebt
der Wohnungseigentümer Anfechtungsklage und kann ggf. zugleich eine
auf die begehrte Maßnahme bezogene Beschlussersetzungsklage (frühere
Ansicht: Verpflichtungsklage) erwägen.
Ist ein Urteil, das einen (unterlassenen/abgelehnten) Beschluss der Woh-
nungseigentümer ersetzt, rechtskräftig geworden, steht mit Wirkung für
und gegen die Wohnungseigentümer und deren Sondernachfolger fest,
dass der (ersetzte) Beschluss gültig ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.2.2018,
V ZR 148/17). Wenn hinsichtlich des „Ob“ der Maßnahme zu Unrecht ein
Negativbeschluss gefasst wurde und insoweit kein Ermessen der Sonder-
eigentümer bestand, ist (i. d. R. nur) der Grundbeschluss gerichtlich zu
ersetzen (LG Hamburg, ZMR 2018, 794). Darüber geht das vorstehende
Urteil des LG Itzehoe im Einzelfall noch hinaus.
RiAG Dr. Olaf Riecke, Hamburg
BGB § 556 Abs. 1, HeizkostenV §§ 7 Abs. 2, 12 Abs. 1
Verteilung der Kosten der Versorgung mit Wärme
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 HeizkostenV ist der Mieter nicht darauf beschränkt, von seinem Kürzungsrecht
Gebrauch zu machen.
BGH, Urteil vom 16.1.2019, VIII ZR 113/17
Bedeutung für die Praxis
Nach § 7 Abs. 1 S. 2 HeizkostenV sind in Gebäuden, die das Anforderungs-
niveau der Wärmeschutzverordnung vom 16.8.1994 nicht erfüllen, die mit
einer Öl- oder Gasheizung versorgt werden und in denen die freiliegenden
Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend gedämmt sind, von den
Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage 70% nach dem erfassten
Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen. Hiermit wird die Wahlmöglich-
keit des Gebäudeeigentümers in § 6 Abs. 4 HeizkostenV eingeschränkt.
§ 566 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 7 Abs. 1 S. 2 HeizkostenV gewährt einem
Mieter einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine entsprechende
Änderung des Verteilungsschlüssels. Der Mieter einer Wohnung kann also
verlangen, dass die anteilig auf ihn entfallenden Kosten zu 70% nach dem
erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer verteilt werden.
Der Mieter ist nicht darauf beschränkt, stattdessen von dem Kürzungs-
recht des § 12 HeizkostenV Gebrauch zu machen. Namentlich durch die
verpflichtende Festlegung des verbrauchsabhängigen Anteils auf 70% in
den von § 7 Abs. 1 S. 2 HeizkostenV erfassten Gebäuden sollte der Einfluss
des Nutzers gestärkt werden und dieser hierdurch zu sparsamerem Ver-
brauchsverhalten angehalten werden.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
WEG-RECHT
welcher Tatsachen die Gebiete bestimmt wurden und welche Begleit-
maßnahmen geplant sind, um die Anspannung der Wohnungsmärkte
zu beseitigen. Die Begründung dient zudem dem Grundrechtsschutz,
insbesondere dem Schutz des durch die Einschränkung der Freiheit der
ökonomischen Nutzung betroffenen Eigentums der Vermieter. Zugleich
soll die Begründung den Verordnungsgeber zur Selbstkontrolle anhalten.
Eine Veröffentlichung der Begründung setzt voraus, dass diese für den
Bürger und die Gerichte öffentlich zugänglich ist. Die bloße Bereitschaft,
die maßgebliche Begründung auf Anfrage herauszugeben, genügt einer
Veröffentlichung nicht. Der vom Landgericht erkannte Verstoß gegen das
Veröffentlichungserfordernis zieht die Unwirksamkeit der Verordnung
nach sich.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
1...,70,71,72,73,74,75,76,77,78,79 81,82,83,84
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