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6|2019
WEG §§ 10 Abs. 8 S. 1, 21 Abs. 2
Pro-rata-Haftung des Sondereigentümers
für Verbindlichkeiten der WEG?
Eine Haftung des Wohnungseigentümers gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1
WEG für Verbindlichkeiten des Verbandes scheidet dann aus, wenn
es sich um Ansprüche anderer Wohnungseigentümer handelt, die
aus dem Gemeinschaftsverhältnis herrühren (sog. Sozialverbind-
lichkeiten).
Hierzu gehören Aufwendungsersatzansprüche, die einem Woh-
nungseigentümer wegen der Tilgung einer Verbindlichkeit des
Verbandes zustehen, und zwar auch dann, wenn die Tilgung eine
Notgeschäftsführungsmaßnahme i. S. d. § 21 Abs. 2 WEG ist; dies
gilt unabhängig davon, ob eine Befriedigung aus dem Gemein-
schaftsvermögen zu erwarten ist oder nicht.
BGH, Urteil vom 26.10.2018, V ZR 279/17
Bedeutung für die Praxis
Dem in Vorlage tretenden Sondereigentümer, der Schulden des Verbands
(WEG) bedient, steht kein direkter anteiliger Erstattungsanspruch gegen
die übrigen Wohnungseigentümer zu.
Er kann sich allein an den Verband halten und muss ggf. dessen Haus-
geldansprüche gegen zahlungssäumige Miteigentümer pfänden. § 10
Abs. 8 WEG bezieht sich auf das Außenverhältnis zu Dritten (Gläubi-
gern).
Nur wenn der Sondereigentümer wie ein Dritter gegenüber dem Verband
auftritt – z.B. als Verkäufer oder Dienstleister –, greift § 10 Abs. 8 WEG,
der eine Teilhaftung nach Miteigentumsanteilen konstituiert, und zwar
auch für den Fall, dass die Gemeinschaftsordnung eine Kostenverteilung
nach einem anderen Schlüssel (Verbrauch, Fläche o. a.) vorsieht.
RiAG Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG § 28 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5
Fortgeltung eines konkreten
Wirtschaftsplans
1. Die Wohnungseigentümer haben die Kompetenz, zu beschließen,
dass ein konkreter Wirtschaftsplan bis zur Beschlussfassung über den
nächsten Wirtschaftsplan fortgelten soll; eine abstrakt-generelle
Regelung des Inhalts, dass jeder künftige Wirtschaftsplan bis zur Ver-
abschiedung eines neuen fortgelten soll, bedarf der Vereinbarung.
2. Der Verwalter wird weder durch einen konkreten Fortgeltungs-
beschluss noch durch eine generelle Fortgeltungsvereinbarung von
der Pflicht entbunden, auch für das folgende Kalenderjahr einen
Wirtschaftsplan aufzustellen.
BGH, Urteil vom 14.12.2018, V ZR 2/18
Bedeutung für die Praxis
Eine abstrakt-generelle Regelung zur Fortgeltung von Beschlüssen über
den Wirtschaftsplan ist nichtig. Lediglich für die Fortgeltung eines kon-
kreten Wirtschaftsplans besteht Beschlusskompetenz.
In der Praxis erscheint es vorzugswürdig, die jetzt vom BGH zugelassene
Variante zur Fortgeltung eines konkreten Wirtschaftsplans bis zur Be-
schlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan nicht zu nutzen. Wird
nämlich im Folgejahr ein neuer Wirtschaftsplan beschlossen, muss wieder
die Fortgeltung dieses Wirtschaftsplans bis zur Beschlussfassung über den
nächsten Wirtschaftsplan mitbeschlossen werden. Es genügt meist, nur
die Fortgeltung eines konkreten Wirtschaftsplans (z. B.) für 2019 für die
beiden nächsten Jahre (2020 und 2021) zu beschließen, sofern nicht ge-
sondert hierzu Beschlüsse gefasst werden. Auch dann ist eine erfolgreiche
Beschlussanfechtung des künftigen Beschlusses nicht mit einem Wegfall
der Hausgeldzahlungspflicht verbunden und die Liquidität gesichert.
RiAG Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 10 Abs. 6, 14, 23 ff.; BGB §§ 280 ff.
Wer haftet dem betroffenen Wohnungseigentümer bei verzögerter Sanierung?
Hat ein einzelner Wohnungseigentümer Schäden an seinem Sondereigentum erlitten, weil eine Beschlussfassung über eine Sanierung des
gemeinschaftlichen Eigentums unterblieben ist, können nur die übrigen Wohnungseigentümer zum Schadensersatz verpflichtet sein, nicht
der Verband (vgl. Senat, Urteil vom 8.6.2018, V ZR 125/17, ZMR 2018, 777 = ZfIR 2018, 666 Rn. 9; Urteil vom 17.10.2014, V ZR 9/14, BGHZ
202, 375 Rn. 21 ff.).
Ist ein (ausreichender) Beschluss gefasst worden, der jedoch nicht oder nur unvollständig durchgeführt wird, scheidet sowohl eine Haftung der
übrigen Wohnungseigentümer als auch eine Haftung des Verbandes aus. Insoweit kann sich nur eine Ersatzpflicht des Verwalters ergeben.
BGH, Urteil vom 16.11.2018, V ZR 171/17
Bedeutung für die Praxis
Es kommt immer darauf an, welche Beschlusslage gegeben ist: Fehlt es
an einem Instandsetzungsbeschluss oder ist dieser weitgehend unzurei-
chend, ist der Verband (WEG) nicht schadensersatzpflichtig.
Die übrigen Wohnungseigentümer können (nur) zum Schadensersatz
verpflichtet sein, wenn sie in Kenntnis der notwendigen Instandsetzung
entweder der Eigentümerversammlung ferngeblieben sind oder dort mit
Nein oder Enthaltung gestimmt haben.
Ist ein umsetzbarer Beschluss gefasst worden, der jedoch nicht oder nur
unvollständig durchgeführt wird, so kann sich nur eine Ersatzpflicht des
Verwalters ergeben, für dessen Fehler bzw. Untätigkeit weder die Son-
dereigentümer noch der Verband gegenüber dem Geschädigten einstehen
müssen.
RiAG Dr. Olaf Riecke, Hamburg