Die Wohnungswirtschaft 1/2018 - page 80

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RECHT
WEG §§ 14, 22 Abs.1; BGB §§ 195 ff.
Verjährungsfrist des Anspruchs auf
Beseitigung einer baulichen Veränderung
In die Verjährungsfrist des Anspruchs auf Beseitigung einer bauli­
chen Veränderung ist die Zeit nicht einzuberechnen, während der
die bauliche Veränderung durch einen später für ungültig erklärten
Beschluss der Wohnungseigentümer genehmigt war.
LG Frankfurt/M., Urteil vom 28.6.2017, 2-13 S 191-14
Bedeutung für die Praxis
Wenn Beschlusswirkungen nachträglich mit Rückwirkung wegfallen, be-
trifft dies auch die Verjährungsproblematik. Ein nicht nichtiger, allerdings
erfolgreich anfechtbarer Beschluss, bindet sämtliche an- und abwesenden
Wohnungseigentümer (Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage 2018, § 23 Rn. 100).
Ist der Beschluss Grundlage einer Klage und im Wege der Anfechtungskla-
ge angegriffen, ändert sich an der Bindung nichts. Eine Klage gegen eine
bauliche Veränderung, die die Eigentümer durch einen Beschluss nach
§ 22 Abs. 1 WEG bei angefochtenem Genehmigungsbeschluss genehmigt
haben, muss als „zurzeit unbegründet“ abgewiesen werden (BeckOK ZPO/
Elzer, 25. Ed. 15.6.2017, ZPO § 313 Rn. 48; a.A. wohl LG Hamburg, Urteil
vom 29.6.2016, 318 S 102/15).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
BGB §§ 543, 569
Fristlose Kündigung des Mietverhält­
nisses wegen Zahlungsrückstands
Ist durch Auflauf eines Zahlungsrückstands ein Recht des Vermieters
zur Kündigung entstanden, wird dieses nur durch eine vollständige
Zahlung des Rückstandes vor Zugang der Kündigung ausgeschlossen.
BGH, Urteil vom 27.9.2017, VIII ZR 193/16
Bedeutung für die Praxis
Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung des
Mietverhältnisses liegt insbesondere dann vor, wenn der Mieter für zwei
aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines
nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist. Als nicht unerheblich ist
der rückständige Teil der Miete nur dann anzusehen, wenn er die Miete
für einen Monat übersteigt. An der daraus folgenden Berechtigung des
Vermieters zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung des Miet-
WEG-RECHT
willen – zu sehen ist, kann im Einzelfall schwierig sein. Ob eine Erklärung
oder ein bestimmtes Verhalten als (rechtsverbindliche) Willenserklärung
zu werten ist, beurteilt sich dabei nach den für die Auslegung von Wil-
lenserklärungen geltenden Maßstäben. Es ist nach Anlass und Zweck der
Gebrauchsüberlassung und ggf. sonstigen erkennbar zutage getretenen
Interessen der Parteien zu unterscheiden. Dabei kann auch das nachträgli-
che Verhalten der Parteien zu berücksichtigen sein. Dieses kann zwar den
objektiven Vertragsinhalt nicht mehr beeinflussen, aber Bedeutung für die
Ermittlung des tatsächlichen Willens und das tatsächliche Verständnis der
Vertragsparteien haben.
Die Übernahme gelegentlicher Reparaturkosten spricht nicht für eine
mietvertragliche Vereinbarung. Denn auch bei der Leihe hat der Entleiher
gemäß BGB §§ 598, 601 Abs. 1 regelmäßig die der Erhaltung der Sache
dienenden Kosten, die den Gebrauch der Sache erst ermöglichen, zu
tragen. Die Kosten sind nach dem Leitbild des Leihvertrags gerade von
demjenigen zu tragen, dem der Gebrauch der Sache zusteht. Das Tragen
der Reparaturkosten kann daher genauso gut für die Vereinbarung einer
Leihe sprechen. Hinsichtlich des Tragens der Betriebskosten hat auch bei
der Vereinbarung eines unentgeltliches Wohnungsrechts der Wohnungs-
berechtigte jedenfalls die verbrauchsabhängigen Kosten wie Strom, Was-
ser und Heizung zu tragen, ebenso aber auch die anteiligen verbrauchsun-
abhängigen Kosten der Unterhaltung der Anlagen. Selbst wenn darüber
hinaus verbrauchsunabhängige Betriebskosten (etwa Grundsteuer, Ver-
sicherung o.Ä.) getragen werden, ließe dies mangels konkreter Abreden
den Rückschluss auf den stillschweigenden Abschluss eines Mietvertrages
ebenfalls nicht zu. Diese Kosten stellen allenfalls einen geringen Bruchteil
des üblicherweise für die mietweise Überlassung eines Reihenhauses zu
zahlenden Entgelts dar. Angesichts der Interessenlage der Beteiligten
können allein aus dieser tatsächlichen Handhabung der Kosten keine Wil-
lenserklärungen der Parteien dahin entnommen werden, dass damit eine
dauerhafte Gebrauchsüberlassungsverpflichtung gegen Übernahme dieser
(geringfügigen) Kosten begründet werden sollte.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
vertrags ändert die einen Tag vor dem Zugang des Kündigungsschreibens
erfolgende bloße Teilzahlung der Mieter nichts. Denn hierdurch wird der
Zahlungsrückstand nicht vollständig ausgeglichen; es verbleibt vielmehr
eine Restforderung. Der Vermieter ist damit nicht, wie § 543 Abs. 2 Satz 2
BGB dies für einen Ausschluss der fristlosen Kündigung voraussetzt, „vor-
her“ - mithin vor dem Zugang der Kündigung - „befriedigt“ worden.
Auch wird eine Kündigung unwirksam, wenn sich der Schuldner von
seiner Schuld durch Aufrechnung befreien kann und unverzüglich nach
der Kündigung die Aufrechnung erklärt. Schließlich wird die Kündigung
auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von
zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs
hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a
Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung
verpflichtet (sog. Schonfristzahlung). Sämtliche genannten nachträglichen
Heilungsgründe setzen allerdings stets eine vollständige Befriedigung des
Vermieters voraus. Dem Vermieter wird eine Fortsetzung des Mietverhält-
nisses mit dem vertragsuntreuen Mieter mithin nur dann zugemutet, wenn
die gesamten Mietrückstände ausgeglichen werden. Anderenfalls hätte es
der vertragsuntreue Mieter in der Hand, einer berechtigten fristlosen Kün-
digung des Mietverhältnisses - ggf. auch mehrfach - dadurch zu entgehen,
indem er lediglich eine Teilzahlung vornimmt, die den Gesamtrückstand
(knapp) unter die Grenze des für eine solche Kündigung erforderlichen
Betrages verringert. Eine solche Möglichkeit des Unterlaufens des Kün-
digungsrechts des Vermieters soll durch die vom Gesetzgeber gewählte
Regelungskonzeption jedoch gerade verhindert werden.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
1...,70,71,72,73,74,75,76,77,78,79 81,82,83,84
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