Die Wohnungswirtschaft 1/2018 - page 81

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WEG §§ 21 Abs. 5 Nr. 2, 22
Balkoninstandsetzung; Verwaltungsermessen; Anzahl der Vergleichsangebote
Das Verwaltungsermessen der Wohnungseigentümer bei einer
Beschlussfassung über die Instandsetzung eines Balkons kann
dahingehend reduziert sein, dass eine Änderung der Gefällerich­
tung zum Gebäude hin (Kontergefälle) nicht ordnungsmäßiger
Verwaltung entspricht.
AG Pinneberg, Urteil vom 25.7.2017, 60 C 17/15
Bedeutung für die Praxis
In der Regel wird es noch für erforderlich gehalten, zumindest bei
größeren Kosten/Maßnahmen, Alternativ- oder Konkurrenzangebote
einzuholen (LG Frankfurt/Oder, Urteil vom 21.11.2016 – 16 S 85/16).
Es genügte dem Gericht allerdings hier, dass nur insgesamt drei
Angebote eingeholt wurden und nicht je Ausführungsvariante für die
geplante Instandsetzung drei Angebote. Üblicherweise wird noch
verlangt, dass die Vergleichsangebote dasselbe Leistungsverzeichnis
betreffen müssen. So entschied etwa das LG Berlin mit Urteil vom
13.12.2016, 85 S 23/15, ZMR 2017, 498: Es muss präzise feststehen,
für welches Leistungsverzeichnis der Architekt oder Verwalter mindes-
tens drei Angebote einholen soll.
Stattdessen sollte es den Eigentümern überlassen bleiben, wie sie sich
einen „Preisspiegel“ als Entscheidungsgrundlage verschaffen.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 14 Nr. 1, 22; ZPO §§ 60, 100; GG Art. 5
Zulässigkeit einer auf dem Balkon
aufgestellten Parabolantenne
Wenn die Balkone nach der Teilungserklärung im Sondereigentum
der Wohnungseigentümer stehen, richtet sich die Zulässigkeit einer
dort aufgestellten Parabolantenne nicht nach § 22 WEG, sondern
nach § 14 Nr. 1 WEG, wobei im Rahmen eines Vorher-Nachher-
Vergleichs bei wertender Betrachtung der optische Gesamteindruck
des Gebäudes vor dem Aufstellen der Parabolantenne dem hierdurch
entstandenen optischen Gesamteindruck gegenüberzustellen ist.
Das Interesse der übrigen Wohnungseigentümer, Störungen des
äußeren Erscheinungsbildes des Hauses durch Parabolantennen zu
vermeiden, ist nicht nur wegen des vorhandenen Kabelanschlusses,
sondern auch aufgrund der technischen Entwicklungen, die eine
Beschaffung von Informationen aus dem Internet auch in Form
von bewegten Bildern immer unkomplizierter ermöglichen, ohne
verfassungsrechtliche Bedenken (Art. 5 Abs. 1 GG) als regelmäßig
überwiegend zu beurteilen.
AG Pinneberg, Urteil vom 26.9.2017, 60 C 74/16
Bedeutung für die Praxis
Es handelt sich hier um eine auffallend große, dunkelgraue SAT-Schüssel,
die deutlich sichtbar war und die aus dem ansonsten einheitlichen Fas-
sadenbild herausstach. Es macht für den optischen Gesamteindruck des
Gebäudes durchaus einen Unterschied, ob dieses frei von – wenn auch
in zurückgesetzter Form aufgestellten – Parabolantennen ist, oder ob
eine solche vorhanden ist. Die SAT-Schüssel beeinträchtigt regelmäßig
auch mehr als ein temporär genutzter gleich großer oder sogar größerer
Sonnenschirm. Unter keinen Umständen darf die aufgebrachte Boden-
beschichtung durchbohrt werden, weil diese ihre abdichtende Funktion
hierdurch einbüßen wird. Eine solche Substanzverletzung ist aufgrund der
Gefahr des Eindringens von Feuchtigkeit in die konstruktiven Schichten
der Balkonplatte mit einer nachteiligen Beeinträchtigung der übrigen
Wohnungseigentümer verbunden.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 23 ff. 43 Nr. 4
Grundlagen für eine Ermessens­
entscheidung der Wohnungseigentümer;
Ausschluss von der Versammlung
Die Eigentümer sind nicht stets gehalten, ihre Entscheidung immer
zu Gunsten des preisgünstigsten Anbieters zu treffen. Es muss aller­
dings erkennbar sein, dass sie den ihnen vom Gesetz eingeräumten
Ermessensspielraum erkannt und auch ausgeschöpft haben, also
eine tragfähige Tatsachengrundlage der Ermessensentscheidung
zugrunde gelegen hat. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, die „beste“
oder vermeintlich „sinnvollste“ Lösung zu suchen und das eigene
Ermessen an die Stelle des auf eine hinreichende Tatsachengrund­
lage gestützten Ermessens der Mehrheitseigentümer zu setzen bzw.
deren Ermessen zu ersetzen.
LG Dortmund, Beschluss vom 7.4.2016, 1 S 433/15
Bedeutung für die Praxis
Selbst bei der Wahl des Verwalters müssen die Eigentümer nicht den
billigsten Anbieter wählen (vgl. LG Köln ZMR 2012, 575).
Liegt die Vergütung um rund 40 % über den Konkurrenzangeboten und
dem ortsüblichen Preisniveau, muss ein wichtiger Grund gegeben sein,
warum z.B. der teuerste Anbieter genommen werden soll.
Die Vergütungsvereinbarung ist gerichtlich kontrollierbar, wenn sie den
Tatbestand des Wuchers oder der Sittenwidrigkeit erfüllt.
Die Gerichte sind nicht ähnlich einem Betreuer/Vormund berechtigt, das
Ermessen der Eigentümer einzuengen. Erst bei fehlender Ermessens-
grundlage oder Ermessensfehlgebrauch ist ein Beschluss gerichtlich für
ungültig zu erklären.
Umstritten ist nur, wie zu entscheiden ist, wenn die Eigentümer ohne
entsprechende Grundlage und Vorbereitung einen nahezu – ex post –
optimalen Beschluss fassen (z.B. beim Energieeinkauf). Konsequent
wäre es dann, auch einen solchen im Ergebnis richtigen Beschluss für
ungültig zu erklären.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
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