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RECHT
unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen
nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht. Nach
diesen Maßstäben nahm das Bundesverfassungsgericht vorliegend
eine solche Gehörsverletzung durch das Landgericht Berlin an. Dieses
hatte die Annahme einer Verzichtserklärung und den Abschluss eines
Erlassvertrages im Zusammenhang mit einer Mieterhöhung auf die
ortsübliche Vergleichsmiete und einer zeitlich nachfolgenden Miet-
erhöhung wegen einer Modernisierung angenommen. Ein möglicher
Verzicht der Beschwerdeführerin war jedoch weder im Vorfeld von den
Parteien erörtert noch vom Gericht in der mündlichen Verhandlung in
Erwägung gezogen worden. Auch im erstinstanzlichen Urteil war dieser
Gesichtspunkt nicht zur Sprache gekommen. Durch das Unterlassen
eines entsprechenden rechtlichen Hinweises hatte das Landgericht der
Beschwerdeführerin deshalb die Möglichkeit abgeschnitten, zur Frage
der Annahme eines Verzichtswillens in tatsächlicher und rechtlicher
Weise vorzutragen. Das Bundesverfassungsgericht hob deshalb das
Urteil des Landgerichts Berlin auf und verwies die Sache an eine andere
Zivilkammer des Landgerichts zurück.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB § 545
Verlängerungswiderspruch
Der Widerspruch gegen die Verlängerung eines Mietverhältnisses,
dessen Mietzeit bereits abgelaufen ist, kann auch konkludent
erfolgen.
BGH, Urteil vom 24.1.2018, XII ZR 120/16
Bedeutung für die Praxis
Eine Verlängerung durch stillschweigende Fortsetzung des Mietge-
brauchs kann grundsätzlich auch nach einer außerordentlichen fristlo-
sen Kündigung erfolgen. Der die Verlängerung hindernde Widerspruch
kann allerdings konkludent, schon vor Beendigung des Mietverhält-
nisses und damit jedenfalls auch mit der Kündigung erklärt werden.
Eine konkludente Widerspruchserklärung muss jedoch den Willen
des Vermieters, die Fortsetzung des Vertrags abzulehnen, eindeutig
zum Ausdruck bringen. Denn der Zweck der Vorschrift besteht darin,
Rechtsklarheit zwischen den Vertragsteilen darüber zu schaffen, ob
der Vertrag fortbesteht oder nicht. Rechtsklarheit kann der Vermieter
auch dadurch schaffen, dass er bereits in der Kündigungserklärung den
Willen zum Ausdruck bringt, die Fortsetzung des Mietvertrags endgültig
abzulehnen.
Nicht in jeder außerordentlichen Kündigung kann bereits eine Wider-
spruchserklärung gesehen werden. Die Entscheidung, ob eine außeror-
dentliche Kündigung des Vermieters bereits die Erklärung beinhaltet,
die Fortsetzung des Vertrags abzulehnen, hängt vielmehr von den
Umständen des Einzelfalles ab. Maßgebend sind das Gewicht der Kündi-
gungsgründe und die Bedeutung, welche der Vermieter ihnen nach dem
Inhalt der Erklärung beigemessen hat. Bereits in einem Räumungsver-
langen – ausgesprochen zusammen mit der Kündigung – kann hiernach
eine solche konkludente Widerspruchserklärung liegen.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB § 558
Mieterhöhung mit Typengutachten
Für die Wirksamkeit eines Mieterhöhungsverlangens ist es nicht er-
forderlich, dass der Sachverständige im Fall eines Typengutachtens
jedenfalls eine vergleichbare Wohnung besichtigt hat.
BGH, Urteil vom 11.7.2018, VIII ZR 190/17
Bedeutung für die Praxis
Entgegen einer verbreiteten Ansicht, wonach der Sachverständige im Fall
eines sog. Typengutachtens jedenfalls eine vergleichbare Wohnung besich-
tigt haben müsse, hängt die Wirksamkeit eines Mieterhöhungsverlangens,
das auf ein solches Sachverständigengutachten gestützt ist, in formeller
Hinsicht nicht von der Besichtigung der Mietsache durch den Sachver-
ständigen ab. § 558 a Abs. 2 Nr. 3 BGB verlangt lediglich „ein mit Gründen
versehenes Gutachten“. Das bedeutet, dass dem Mieter im Interesse einer
außergerichtlichen Einigung die Tatsachen mitgeteilt werden müssen, die
er zur Prüfung einer vom Vermieter begehrten Mieterhöhung benötigt.
Im Falle der Beifügung eines Sachverständigengutachtens ist der Begrün-
dungspflicht damit grundsätzlich Genüge getan, wenn das Gutachten
Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung
hergeleitet wird, und zwar in einem Umfang, der es dem Mieter gestat-
tet, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und dieses
zumindest ansatzweise selbst überprüfen zu können. Der Sachverständige
muss somit eine Auskunft über die tatsächliche ortsübliche Vergleichs-
miete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge
einordnen. Hierbei ist es unerheblich, auf welchemWeg – sei es durch eine
vorherige Wohnungsbesichtigung oder in anderer Weise – der Sachverstän-
dige die tatsächlichen Grundlagen für diese Angaben gewonnen hat. Auf
eine persönliche Wohnungsbesichtigung durch den Sachverständigen zur
Begründung des Mieterhöhungsverlangens kommt es deshalb nicht an.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
WEG § 21
Keine Alternativangebote erforderlich
bei geringem Auftragsumfang
Alternativangebote für eine Auftragsvergabe müssen ausnahms-
weise dann nicht eingeholt werden, wenn das Auftragsvolumen
gering ist oder sich aus anderen Umständen Anhaltspunkte für die
Wohnungseigentümer ergeben, dass das vorgelegte Angebot sich im
Rahmen des Üblichen bewegt.
LG Frankfurt/M., Urteil vom 17.5.2018, 2-13 S 26/17
Bedeutung für die Praxis
Das Gericht hat hier bei einem Volumen von unter 5% des Wirtschaftspla-
nes und einem jährlichen Betrag von 800 € eine Ausnahme vom Grundsatz
der Einholung mindestens dreier Vergleichsangebote zugelassen.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT