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5|2018
WEG §§ 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2, 22 Abs. 3
Hinreichende Entscheidungsgrundlage vor Auftragsvergabe über größere
Instandsetzungsarbeiten
1. Die Vergabe eines Auftrages für die Durchführung größerer In-
standsetzungsarbeiten widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung,
wenn der Verwalter nicht in der Regel zumindest drei Vergleichs-
oder Konkurrenzangebote eingeholt hat.
2. In der Regel müssen alle wesentlichen Kostenpositionen erfasst
sein, um den Wohnungseigentümern eine hinreichende Entschei-
dungsgrundlage bereitstellen zu können.
3. Jedenfalls dann, wenn eine Instandhaltungs- oder Instandsetzungs-
maßnahme mehrere imWesentlichen identische Maßnahmen um-
fasst, von denen das von der Verwaltung eingeholte Angebot jedoch
nur eine oder jedenfalls nicht alle Maßnahmen abbildet, kann im
Einzelfall von diesem Grundsatz eine Ausnahme gerechtfertigt sein.
4. Beziehen sich die Angebote nur auf eine Heizungsanlage und sol-
len tatsächlich zwei Heizungsanlagen ausgetauscht werden, sind die
Angebote dennoch ordnungsgemäß, da die Gesamtkosten durch eine
einfache Verdopplung errechnet werden können.
5. Eine möglicherweise unterschiedliche Rabattierung der verschie-
denen Anbieter aufgrund des geänderten Auftragsvolumens steht
der Vergleichbarkeit nicht entgegen.
6. Auch wenn eine Frischwasserstation statt eines Warmwasser-
speichers verbaut werden soll, ist es nicht erforderlich, dass
entsprechend aktualisierte Vergleichsangebote eingeholt werden
müssten – zumindest dann nicht, wenn die Firma zusagt, dass keine
Mehrkosten entstehen.
7. Eine nachträgliche Genehmigung selbst von abgeschlossenen
Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen ist grundsätzlich
zulässig.
LG Itzehoe, Urteil vom 5.1.2018, 11 S 1/17
Bedeutung für die Praxis
Wenn wegen des Umfangs der Baumaßnahme (mehr als 3.000 € bei einer
WEG mittlerer Größe) vor einer Beschlussfassung über eine Auftragser-
teilung durch die WEG die Einholung von Vergleichsangeboten nötig ist,
müssen in der Regel mindestens drei Angebote vor der Beschlussfassung
eingeholt werden. Die Wohnungseigentümer müssen von der Wirtschaft-
lichkeit der beschlossenen Maßnahme ausgehen dürfen.
Sonst wird die Auswahlentscheidung auf einer unzureichenden Tatsachen-
grundlage getroffen, was zu einer erfolgreichen Anfechtungsklage meist
reichen wird.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 21, 28, 43 Nr. 4
Winterdienst durch Minijobber
1. Ein Beschluss, den Winterdienst anstatt von Fremdfirmen
durch die Einstellung von Minijobbern durchführen zu las-
sen, entspricht jedenfalls dann nicht einer ordnungsmäßigen
Verwaltung, wenn die Wohnungseigentümer über die damit
verbundenen Risiken und Pflichten nicht hinreichend infor-
miert waren.
2. Vor der Beschlussfassung über einen Wirtschaftsplan muss
dieser den Eigentümern zur Verfügung gestellt werden.
LG Frankfurt/M., Urteil vom 15.3.2018, 2-13 S 184/16
Bedeutung für die Praxis
Für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit einer Verwaltungs-
maßnahme ist auf die im Zeitpunkt der Beschlussfassung zugrun-
deliegenden Verhältnisse abzustellen (vgl. bereits LG Itzehoe ZMR
2016, 728). Um die Ermessensentscheidung der Eigentümer der
gerichtlichen Überprüfung auf Ermessensfehler zugänglich zu
machen, müssen tragende Erwägungen dokumentiert werden, und
zwar nicht notwendig in der Versammlungsniederschrift selbst;
ggf. sogar schon in den Anlagen zur Einladung.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG § 12; GBO § 29; BGB §§ 280 ff.
Schadensersatz bei unberechtigter Ver-
weigerung der Veräußerungszustimmung
Ungenehmigte Baumaßnahmen führen ohne Hinzutreten weiterer
Verfehlungen nicht stets und ohne Weiteres dazu, annehmen zu
können, dass dem Erwerber die Bereitschaft, sich in die Hausgemein-
schaft einzufügen, fehle. Wenn der laut Teilungserklärung i.w.S./
Gemeinschaftsordnung Zustimmungsberechtigte der Veräußerung
des Miteigentumsanteils am Grundstück verbunden mit dem Son-
dereigentum an der im Aufteilungsplan näher bezeichneten Woh-
nung zustimmen musste (fehlender wichtiger Grund), dann ist er bei
Weigerung verpflichtet, den dem Veräußerer aus der unberechtigten
Verweigerung der Zustimmung zur Veräußerung entstehenden
Schaden zu ersetzen.
AG Philippsburg, Urteil vom 19.1.2018, 1 C 167/17
Bedeutung für die Praxis
Bei fehlendem wichtigen Grund zur Verweigerung der Veräußerungszustim-
mung haftet der – i.d.R. zustimmungsberechtigte – Verwalter nur für die
Zeit bis zur Beschlussfassung und Weisung durch die Eigentümergemein-
schaft auf Ersatz des Verzögerungsschadens; für die Zeit danach haften
die Eigentümer. Diese „Schadensbegrenzung“ scheitert, wenn der einzige
andere Wohnungseigentümer der Zustimmungsberechtigte ist. Generell ist
bei der Zustimmungsverweigerung Zurückhaltung geboten.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg