DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2017 - page 80

78
4|2017
RECHT
BGB § 546, ZPO § 940 a Abs. 2
Darlegungs- und Beweislast für den Zeitpunkt der Kenntnis
vom Besitzerwerb des Dritten
Nimmt der Vermieter einen Dritten als Besitzer der Wohnraummiet-
sache nach § 940 a Abs. 2 ZPO im einstweiligen Verfügungsverfahren
auf Räumung und Herausgabe in Anspruch, trägt der Vermieter die
Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er vom Besitzerwerb des
Dritten erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung des gegen
den Wohnraummieter geführten Räumungsprozesses Kenntnis
erlangt hat.
LG Berlin, Urteil vom 18.10.2016, 67 S 327/16
Bedeutung für die Praxis
Das Amtsgericht hat den auf Räumung der Mietsache gerichteten Antrag
im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen. Gemäß § 940 a Abs. 2 ZPO darf
die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung auch ge-
gen einen Dritten angeordnet werden, der im Besitz der Mietsache ist,
wenn gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt und
der Vermieter vom Besitzerwerb des Dritten erst nach dem Schluss der
mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat. Diese Voraussetzungen sind
nicht erfüllt. Es kann dahinstehen, ob die Verfügungskläger den formalen
Voraussetzungen zur Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes über-
haupt gerecht geworden sind. Zumindest haben sie nicht bewiesen, vom
Besitzerwerb der Verfügungsbeklagten erst nach Schluss der mündlichen
Verhandlung im gegen den Mieter der streitgegenständlichen Wohnung
geführten Räumungsprozess Kenntnis erlangt zu haben. Selbst wenn
ihre eidesstattliche Versicherung den Substantiierungs- und Glaubhaft-
machungsanforderungen für eine Kenntniserlangung nach Schluss der
mündlichen Verhandlung genügen sollte, steht ihr die eidesstattliche Ver-
sicherung der Verfügungsbeklagten entgegen, in der diese versichert hat,
bereits unmittelbar nach dem Ausspruch der Kündigung – und noch weit
vor dem gegen den Mieter geführten Räumungsprozess – gemeinsam mit
einer Nachbarin ein Gespräch mit dem Verfügungskläger geführt zu haben,
in dem dieser darauf hingewiesen worden sei, dass sie und die Kinder nicht
wegen eines Fehlers ihres Ehemannes aus der Wohnung verwiesen werden
könnten, worauf dieser sich im Nachgang noch mehrfach um den Stand
ihrer Bemühungen um Ersatzwohnraum erkundigt hätte. Davon ausgehend
hätten die Verfügungskläger während des Räumungsprozesses Kenntnis
vom Mitbesitz der Verfügungsbeklagten gehabt. Da keine der beiden sich
widersprechenden eidesstattlichen Versicherungen wahrscheinlicher,
plausibler oder glaubhafter als die der jeweiligen Gegenseite ist, geht
das damit gegebene non liquet zu Lasten der Verfügungskläger. Denn im
einstweiligen Verfügungsverfahren kann der Antragsteller zwar eine Redu-
zierung des Beweismaßes für sich in Anspruch nehmen, nicht jedoch eine
von den für das Hauptsacheverfahren geltenden Grundsätzen abweichende
Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 535, 538, BtMG § 29
Haftung des Mieters für Schäden anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung
Ein Mieter überschreitet die Grenze vertragsgemäßen Gebrauchs und
verstößt gegen seine mietvertragliche Obhutspflicht, wenn er in der
angemieteten Wohnung illegale Betäubungsmittel aufbewahrt.
BGH, Urteil vom 14.12.2016, VIII ZR 49/16
Bedeutung für die Praxis
Ebenso wie den Vermieter verpflichtet das Mietverhältnis seinem Inhalt
nach auch den Mieter zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und
Interessen seines Vertragspartners. Aufgrund dieser Obhutspflicht hat ein
Mieter die Mietsache schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu
unterlassen, was zu einer – von dem ihm zustehenden vertragsgemäßen
Gebrauch (§ 538 BGB) nicht umfassten – Verschlechterung oder einem
Schaden an dieser führen kann. Mit der Aufbewahrung von 26,32 g
Marihuana in der von ihm angemieteten Wohnung hat der Beklagte diese
Obhutspflicht verletzt. Denn es muss nach der allgemeinen Lebenserfah-
rung ein Mieter, der in seiner Wohnung Straftaten nach dem Betäubungs-
mittelgesetz begeht oder seine Wohnung zur Aufbewahrung von Tatmit-
teln aus derartigen Straftaten nutzt oder hierfür zur Verfügung stellt, ohne
Weiteres damit rechnen, dass es im Zuge aufgrund dessen durchgeführter
strafprozessualer Maßnahmen zu Schäden an der Wohnung kommt. Trotz
dieser von ihm zu vertretenden Pflichtverletzung ist der Beklagte der Klä-
gerin nicht zum Ersatz des ihr aufgrund der Beschädigung der Eingangstür
entstandenen Schadens verpflichtet, weil die Kausalität zwischen dem
haftungsbegründenden Tatbestand (der Obhutspflichtverletzung) und dem
in Frage stehenden Schaden an der Wohnungseingangstür nicht gegeben
ist. Zwar ist der Beklagte aufgrund der im Rahmen der Durchsuchung bei
ihm aufgefundenen Betäubungsmittel nachfolgend wegen vorsätzlichen
unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln verurteilt worden. Diese erst
anlässlich der Durchsuchung festgestellte Straftat war jedoch nicht Grund-
lage der durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen. Denn der vollzogene
Durchsuchungsbeschluss hatte zwar ebenfalls dem Beklagten vorgewor-
fene Betäubungsmitteldelikte zum Gegenstand, jedoch ging es hierbei um
Tatvorwürfe des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Dass
es sich bei den aufgefundenen Betäubungsmitteln aber um Tatmittel aus
diesen dem Beklagten vorgeworfenen Taten handelt, kann nicht angenom-
men werden. Vielmehr kann die Aufbewahrung der 26,32 g Marihuana in
der Wohnung durch den Beklagten hinweggedacht werden, ohne dass der
beim Kläger durch die Beschädigung der Eingangstür eingetretene Scha-
den entfiele. Denn die Ermittlungsmaßnahmen wären in gleicher Weise
durchgeführt worden, wenn der Beklagte diese Betäubungsmittel nicht
erworben und in der Wohnung aufbewahrt hätte.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
1...,70,71,72,73,74,75,76,77,78,79 81,82,83,84
Powered by FlippingBook