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4|2017
WEG § 12
Veräußerung an eine UG (haftungs-
beschränkt) als Erwerber
Nur in Ausnahmefällen kann die Verwalterzustimmung allein wegen
der Rechtsform des Erwerbers (hier: UG, haftungsbeschränkt) ver-
weigert werden. War jedoch deren alleiniger Geschäftsführer schon
früher Wohnungseigentümer in derselben Anlage und mit Wohngel-
dern in erheblicher Höhe rückständig, kann von einer finanziellen Un-
zuverlässigkeit der Erwerberin auszugehen sein. Auf die Gesellschaf-
terin der Erwerberin kommt es dann nicht mehr entscheidend an.
LG Düsseldorf, Urteil vom 20.7.2016, 25 S 179/15, ZMR 2016, 978
Bedeutung für die Praxis
Einer „UG, haftungsbeschränkt“ als Erwerber kann nur bei Feststehen zu-
sätzlicher negativer Merkmale (z. B. bei einem unzuverlässigen Geschäfts-
führer) die Zustimmung nach § 12 WEG versagt werden. Eine haftungs-
beschränkte Unternehmergesellschaft kann sogar Verwalterin einer WEG
sein (BGH vom 22.06.2012, V ZR 190/11), obwohl zum Verwalter nur
bestellt werden darf, wer über ausreichende finanzielle Mittel verfügt und
ausreichende Sicherheit im Haftungsfall bietet. Bei fehlendem wichtigem
Grund zur Verweigerung der Verwalterzustimmung haftet der Verwalter
zumindest für die Zeit bis zur Beschlussfassung und Weisung durch die
Eigentümergemeinschaft auf Ersatz des Verzögerungsschadens. Besteht
bei objektiver Betrachtung Anlass, die Bonität des in Aussicht genomme-
nen Erwerbers zu prüfen, sollte der Verwalter die von ihm für notwendig
erachteten Angaben vom Veräußerer verlangen und die Gemeinschaft ggf.
bei schwieriger Rechtslage um eine Weisung per Beschluss bitten (vgl.
BGH, Urteil vom 13.5.2016, V ZR 152/15).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 16 Abs. 2 und 4, 22 Abs. 1
Korrespondierende Instandsetzungs- und Kostentragungspflicht
des Sondernutzungsberechtigten
Wird einem Sondereigentümer in der Gemeinschaftsordnung eine
Instandsetzungs- oder Instandhaltungspflicht übertragen, hat er
im Zweifel auch die ihm dadurch entstehenden Kosten zu tragen
(amtlicher Leitsatz). Durch Beschluss können den (betroffenen)
Sondernutzungsberechtigten die Herstellungs- und Folgekosten der
von ihnen angestrebten baulichen Veränderungen deklaratorisch
per Beschluss (nochmals) auferlegt werden. Solche Beschlüsse sind
unbedenklich, wenn sie eine klarstellende Funktion haben und keine
Zweifel an der Rechtslage aufkommen lassen.
BGH, Urteil vom 28.10.2016, V ZR 91/16
Bedeutung für die Praxis
Der „harmlos“ und richtig lautende amtliche Leitsatz täuscht darüber
hinweg, dass hier bei objektiv-normativer Auslegung des angegriffenen
Beschlusses den Sondereigentümern vom BGH aus der Sicht eines unbefan-
genen Dritten unterstellt wird, dass sie bloß deklaratorische Beschlüsse ge-
fasst hätten. Solche Beschlüsse haben keine klarstellende Funktion, sondern
irritieren eher den Rechtsuchenden. Soll zukünftig die gesamte Teilungser-
klärung à la Martin Luther in modernerem Deutsch beschlossen werden?
Der BGH hat zu Unrecht das Urteil des LG Hamburg (ZMR 2016, 484)
aufgehoben. Dagegen entschied zutreffend das AG Heidelberg (ZMR
2015, 969) zur unzulässigen (als konstitutiv eingestuften) Anspruchs-
verdoppelung: „Es besteht auch dann keine Beschlusskompetenz für die
Begründung einer Unterlassungspflicht durch Beschluss, wenn es nach
Gesetz oder Vereinbarung bereits einen Anspruch auf Unterlassung der
Nutzung gibt, die durch den Beschluss – bei objektiver Beschlussausle-
gung konstitutiv – untersagt wird.“
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 10, 16, 28, 43 Nr. 4
Öffnungsklausel zum umfassenden
Bestimmungsrecht des Verwalters
Räumt eine Teilungserklärung, die zwischen eindeutigen Lasten
und Kosten der Tiefgarage einerseits, der Wohnanlage ande-
rerseits und solchen Lasten und Kosten, die nicht eindeutig
zuzuordnen sind, unterscheidet, dem Verwalter das Recht ein,
über die Zuordnung von Lasten und Kosten nach pflichtgemäßem
Ermessen zu entscheiden, handelt es sich um eine Öffnungs-
klausel im Sinne eines umfassenden Bestimmungsrechts des
Verwalters, von der die Vorabaufteilung von Kosten für Winter-
dienst, Gartenpflege und Reinigung umfasst sein kann. Gemäß
der Rechtsprechung zum Mehrheitsbeschluss über die Änderung
eines Verteilungsschlüssels (vgl. BGH, Urteil vom 1.4.2011, ZMR
2011, 652 ff. und Urteil vom 10.6.2011, ZMR 2011, 808 f.) ist es
für eine ordnungsgemäße Jahresabrechnung ausreichend, wenn
kein Verstoß gegen das Willkürverbot vorliegt.
AG Pinneberg, Urteil vom 21.2.2017, 60 C 61/16
Bedeutung für die Praxis
Meist bezieht sich das dem Verwalter durch Anpassungsvereinbarung
(sog. Öffnungsklausel) eingeräumte pflichtgemäße Ermessen bei
Zweifeln über die Zuordnung von Lasten und Kosten nicht auch auf
die Beurteilung, ob es sich überhaupt um „eindeutig zuzuordnende
Kosten“ handelt, oder um solche, „die nicht eindeutig von den Teil-
oder Wohnungseigentümern zu tragen sind“. Hier jedoch bejahte
das Gericht im Wege der Auslegung der Gemeinschaftsordnung ein
weitergehendes Bestimmungsrecht des Verwalters für die künftige
Kostenverteilung abweichend von § 16 Abs. 2 WEG.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT