DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 11/2017 - page 81

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WEG §§ 10, 21, 22 Abs. 3; BGB §§ 683, 670, 684, 818
Kostentragungspflicht für neues
Rückstauventil und neue Hebeanlage
Wenn nachträglich ein Rückstauventil und eine Hebeanlage erstma-
lig eingebaut wurden (vgl. LG Bamberg, Info M 2010, 392), so ist dies
schon begrifflich weder als Instandhaltungs- noch als Instandset-
zungsmaßnahme zu subsumieren.
Zur Instandhaltung gehören alle Maßnahmen, die darauf gerichtet
sind, den bestehenden Zustand der im gemeinschaftlichen Eigentum
stehenden Einrichtungen und Anlagen zu erhalten. Der erstmalige
Einbau fällt darunter nicht.
Eine in der Gemeinschaftsordnung erfolgte Überwälzung der
Instandhaltung- bzw. Instandsetzungspflicht auf den Einzelnen
umfasst nicht die Verpflichtung, erstmalig einen ordnungsgemäßen
Zustand herzustellen; dies ist und bleibt Gemeinschaftsaufgabe.
LG München I, Urteil vom 6.7.2017, 36 S 17680/16
Bedeutung für die Praxis
Auch wenn man den erstmalig herzustellenden ordnungsgemäßen
Zustand als Instandsetzung einstuft, wird eine Kostentragungsregelung
zulasten eines Wohnungseigentümers nicht davon erfasst; sie ist vielmehr
eng auszulegen und greift erst ein, wenn einmal ein ordnungsgemäßer
Erstzustand gemäß Teilungserklärung vorlag. Zur Instandhaltung zählen
alle Maßnahmen, die der Überprüfung des baulichen Zustands dienen und
notwendige bzw. erforderliche Ausbesserungs- und Renovierungsmaß-
nahmen auf ein vernünftiges Maß begrenzen helfen. Eine Instandsetzung
umfasst auch die Erneuerung im Sinne einer Ersatzbeschaffung einzelner
Teile des gemeinschaftlichen Eigentums.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 28, 43 Nr. 4
Abrechnungsspitze als Gegenstand
der Einzelabrechnungen
Wenn in der Jahresgesamtabrechnung Hausgelder, die von den
einzelnen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft
im betreffenden Kalenderjahr gezahlt worden sind, nicht auf-
geführt werden, ist der Abrechnungsbeschluss für ungültig zu
erklären.
Eine Beschlussfassung über Einzelabrechnungen, die nicht die
für eine Jahresabrechnung erforderliche Abrechnungsspitze
enthalten, ist nichtig.
AG Recklinghausen, Urteil vom 24.1.2017, 90 C 75/16
Bedeutung für die Praxis
Nach Blankenstein (in: Deckert, ETW, Gruppe 4, Seite 5337) ist die
Ausweisung der Abrechnungsspitze von so wesentlicher Bedeutung,
dass er sie als „Kardinalspflicht“ des Verwalters einstuft. Ähnlich
Hügel/Elzer, WEG, 2015, § 28 Rn. 96: Abrechnungsspitze als „Muss“;
a. A. Drasdo, Gegenstand des Beschlusses über die Jahresabrech-
nung, ZMR 2016, 761 ff.
Egal, ob die Abrechnungsspitze Beschlussgegenstand ist oder nicht;
sie muss aus der Einzelabrechnung errechenbar sein. So z. B. LG
München I, ZMR 2017, 582.
Ein neues Abrechnungsmuster findet sich bei Casser/Schultheis, ZMR
2017, 609 ff. = ZMR-Sonderheft 1-2017.
Es muss immer der unterschiedliche Zweck von Gesamtabrechnung
(Kontrolle des Verwalterhandelns) und Einzelabrechnung (Kosten-
verteilung auf die einzelnen Eigentümer) beachtet werden.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT
1. Bei Geltung des Kopfstimmrechts entsteht ein neues Stimmrecht,
wenn ein Wohnungseigentümer das Alleineigentum an einer von
mehreren Einheiten auf eine von ihm beherrschte juristische Person
überträgt; die juristische Person ist von der Ausübung ihres Stimm-
rechts nicht allgemein ausgeschlossen.
2. Ein Stimmrechtsausschluss wegen rechtsmissbräuchlichen
Verhaltens kommt nur ausnahmsweise in Betracht; es reicht nicht
aus, dass der mit den Stimmen eines Mehrheitseigentümers gefasste
Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, oder dass ein
Wohnungseigentümer aufgrund seines Stimmgewichts Beschlussfas-
sungen blockiert, obwohl es ein Gebot ordnungsmäßiger Verwaltung
wäre, einen positiven Beschluss zu fassen.
BGH, Urteil vom 14.7.2017, V ZR 290/16
Bedeutung für die Praxis
Wenn das im Gesetz nur dispositiv verankerte Kopfprinzip beim Stimm-
recht gilt, kann der Wohnungseigentümer, der bei mehreren Sonderei-
gentumen im Grundbuch steht, durch Veräußerung eines Sondereigen-
tums eine weitere Stimme generieren. Wenn er zugleich wirtschaftlicher
Eigentümer des Erwerbers ist, besitzt er somit faktisch eine Stimme
mehr.
Das Einsetzen eines Stimmenübergewichts stellt noch keine Majori-
sierung dar, die den Verwalter berechtigen könnte, die Stimmen nicht
zu zählen. Aus diesem Grund wird von Bauträgern bereits das Kopf-
stimmrecht in der Gemeinschaftsordnung zugunsten des Wertprinzips
abbedungen.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG § 25 Abs. 2 S. 1 und Abs. 5, BGB §§ 117, 242
Majorisierung als Folge eines neues Kopfstimmrechts bei Übertragung eines von
mehreren Sondereigentumen
1...,71,72,73,74,75,76,77,78,79,80 82,83,84
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