DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 11/2017 - page 80

78
11|2017
RECHT
Ein Sachverständigengutachten ist ungeeignet, eine ortsübliche
Vergleichsmiete darzulegen, wenn die Wohnung unzutreffend
beschrieben wurde und der Sachverständige sich nicht an die bin-
denden Vorgaben des Gesetzes hält.
LG Berlin, Urteil vom 1.2.2017, 65 S 292/16
Bedeutung für die Praxis
Das Gutachten des Sachverständigen ist als Grundlage für die Ermittlung
der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete ungeeignet, weil es deutliche
Mängel aufweist. Die Wohnung verfügt – vollkommen unstreitig – über
zwei, nicht drei Zimmer. Die Küche ist – entgegen den Angaben des Sach-
verständigen – unstreitig nicht mit einem Dielenboden ausgestattet, sie
verfügt – ebenfalls unstreitig – nicht über eine Gegensprechanlage. Auch
wenn nicht alle Merkmale für die Bestimmung der Höhe der ortsüblichen
Vergleichsmiete relevant sind, so begründet die teilweise unzutreffende
Beschreibung der Wohnung bereits Zweifel an der Eignung des Gutach-
tens. Unzutreffend geht der Sachverständige im Rahmen seiner Ausein-
andersetzung mit der Qualifiziertheit des Berliner Mietspiegels – auch in
seiner mündlichen Anhörung vor der Kammer – zudem davon aus, dass
der Mietspiegel 2013 „zeitrelevant“ sei. Der maßgebliche Zeitpunkt für
die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist der des Zugangs des
Mieterhöhungsverlangens. Ausweislich seiner Vorbemerkungen weist der
Berliner Mietspiegel 2015 die in Berlin am 1. September 2014 üblicher-
weise gezahlten Mieten aus („Stichtag“). Damit ist nicht der Mietspiegel
2013, sondern der Mietspiegel 2015 heranzuziehen, wovon im Übrigen die
Parteien und auch das Amtsgericht – abweichend zum Sachverständigen –
übereinstimmend ausgehen.
Dass der Mietspiegel 2015 zum Zeitpunkt des Zugangs des Mieter-
höhungsverlangens noch nicht veröffentlicht war, die Mieterhöhung
folgerichtig mit dem vorangegangenen Mietspiegel begründet wurde,
steht dem – wie auch sonst – nicht entgegen. Dies ist Folge der Regelung
in § 558a Abs. 1 Nr. 1 BGB, die sich indes auf die (formelle) Begründung
des Mieterhöhungsverlangens beschränkt, während im Klageverfahren auf
Zustimmung zur Mieterhöhung die materielle Berechtigung der Mieter-
höhung zu überprüfen ist. Da der Sachverständige sich nicht hinreichend
an die (bindenden) Vorgaben des Gesetzes und die auf dessen Grundlage
höchstrichterlich entwickelten Maßstäbe hält, sind seine Feststellungen
unvollständig und im Ergebnis unzutreffend. Wenn der Sachverständi-
ge beanstandet, dass sich die Datenerhebung im Rahmen des Berliner
Mietspiegels auf vermieterseitig minderausgestattete Wohnungen beziehe,
demnach Wohnungen erfasst, die tatsächlich – wie hier – nicht mit einer
Sammelheizung ausgestattet sind, so ist das richtig, entspricht aber der
geltenden Rechtslage.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 558 Abs. 2, 558 c
Mieterhöhung; Anforderungen an ein Sachverständigengutachten
BGB §§ 535, 536
Stehduscher in der Badewanne; vertragswidriger Gebrauch
Ist das Badezimmer der Mietwohnung nur mit einer Badewanne
(ohne Duschaufsatz) und nur halbhoch gefliest vermietet, stellt
das Duschen im Stehen eine vertragswidrige Nutzung dar.
LG Köln, Urteil vom 24.2.2017, 1 S 32/15
Bedeutung für die Praxis
Aufgrund des vom Gericht eingeholten Gutachtens steht fest, dass für
die Entstehung des Schimmels bauseitige Ursachen ausscheiden. Damit
hat die Vermieterin den ihr in Fällen der vorliegenden Art obliegenden
Ausschlussbeweis geführt, nämlich dass für den als solchen unstreitigen
Schimmel bauseitige Ursachen, insbesondere Baumängel, ausscheiden.
Soweit der Sachverständige im vorgenannten Gutachten anspricht, dass
die im Badezimmer installierte sog. Kölner Lüftung nicht ausreichend
leistungsstark sei, um die Luft im Badezimmer nach einem Duschvorgang
hinreichend rasch wieder zu entfeuchten, steht fest, dass dieser Umstand
für Entstehung und Fortbestand des Schimmelbefalls nicht ursächlich
ist. Der Sachverständige stellt vielmehr ausdrücklich fest, dass auch eine
ausreichend dimensionierte und technisch funktionsfähige Lüftung die
durch das Duschen der Mieter in der Badewanne verursachte regelmäßige
Durchfeuchtung der ungeschützten Wandanteile oberhalb des Fliesen-
spiegels nicht verhindert hätte; auch eine ordnungsgemäße Entlüftung
des Badezimmers hätte die durchfeuchtete Wand nicht entfeuchten
können. Zugleich steht aufgrund des Sachverständigengutachtens
fest, dass der Schimmelbefall allein dadurch verursacht worden ist und
unterhalten wird, dass die beiden Wände über der Badewanne im Bereich
oberhalb des Fliesenspiegels regelmäßig durchfeuchtet werden, wenn
die Mieter in der Badewanne stehend duschen. Diese Art der Benutzung
der Badewanne ist rechtlich als vertragswidrig einzuordnen. Dabei kann
dahinstehen, ob zum vertragsgemäßen Mietgebrauch nach heutigen
Maßstäben und auch schon nach den Maßstäben bei Mietvertragsschluss
im Jahre 1984 gehört, dass man in einer Badewanne im Stehen duschen
kann. Denn selbst wenn man das grundsätzlich bejahen wollte, so ändert
das doch nichts daran, dass vorliegend diese Art der Benutzung der Bade-
wanne durch die Mieter dennoch eine vertragswidrige Nutzung darstellt.
Denn diese Nutzung musste zwangsläufig – und für die Mieter auch ohne
Weiteres erkennbar – zu einer Beschädigung der Mietsache führen und
hat auch zu einer solchen Beschädigung geführt. Das Badezimmer der
Wohnung war und ist nämlich nach seiner Ausstattung nicht für die von
den Mietern praktizierte vorgenannte Nutzung – stehendes Duschen in
der Badewanne – geeignet. Die bauliche Ausstattung des Badezimmers
über der Badewanne mit ihrem nur bis in halbe Stehhöhe reichenden
Fliesenspiegel führt vielmehr zwingend dazu, dass bei jedem Duschen
Spritzwasser in die gegen Feuchtigkeitseinflüsse ungeschützte Wand-
anteile über dem Fliesenspiegel eindringt, mit der weiteren Folge der
Schimmelbildung in diesen Bereichen.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
1...,70,71,72,73,74,75,76,77,78,79 81,82,83,84
Powered by FlippingBook